THE DINNER

PÖNIs: (3,5/5)

„THE DINNER“ von Oren Moverman (B + R; USA 2016; basierend auf dem gleichn. Roman von Herman Koch/2009/deutscher Buch-Titel: „Angerichtet“; K: Bobby Bukowski; M: Elijah Brueggemann; 120 Minuten; deutscher Kino-Start: 08.06.2017); der Roman des niederländischen Schriftstellers und Schauspielers HERMAN KOCH, 63, ist ein internationaler Bestseller; wurde in 43 Sprachen und 55 Ländern publiziert. 2009 erhielt er den Niederländischen Literaturpreis und wurde für den „National Book Award“ in Großbritannien nominiert. Acht Wochen lang stand er 2013 in den USA auf der Bücher-Hit-Liste der „New York Times“. Vor dieser amerikanischen Film-Adaption wurde der Roman bereits zweimal verfilmt: 2013 in den Niederlanden („Het Diner“ von Menno Meyjes) und 2014 in Italien („I Nostri Ragazzi“ von Ivano De Matteo), keine der beiden Varianten kam bisher bei uns zum Vorschein.

Essen ist der Sex des Alters. Sagt man. Oder: heißt es. Die feinen Herrschaften, die sich hier zu einem ganz exklusiven Viel-Gänge-Dinner in einem sündhaft teuren Edel-Restaurant treffen, haben alles andere als Sex im Kopf und eigentlich auch überhaupt gar keine richtige Lust auf herausragende Nahrung. Obwohl sie aus einer Sippe stammen, können sie eigentlich „nicht gut miteinander“, doch es besteht halt Redebedarf. Stellen wir die männlichen Oberhäupter vor: Paul Lohman (STEVE COOGAN), ehemaliger Dozent für Geschichte, Zyniker und Misantroph, voller Dauer-Zweifel und mit viel Selbsthass ausgestattet, der gerne auf sich und die Welt verbal dauer-kotzt und nur von seiner Ehefrau Claire (LAURA LINNEY) halbwegs „diszipliniert“ in der Benimm-Spur gehalten wird. Demnächst möchte der pathologisch gestörte, intellektuelle Miesepeter einen Roman zu seinem Lieblingsthema veröffentlichen: „Der amerikanische Bürgerkrieg und die viehische Kriegsschlacht bei Gettysburg, Pennsylvania“, wo am 3. Juli 1863 50.000 Soldaten starben. Jetzt aber, an diesem Abend, sieht sich Paul Lohman als „Opfer“, wobei-auch-immer, und teilt unaufhaltsam aus. Der Typ nervt von Anfang an sehr spannend, weil STEVE COOGAN (zuletzt der Partner von Judi Dench in „Philomena“/2013) ihn mit einem hinreißenden Gedanken-Gift vorzustellen versteht. SEIN Paul ist eine herrlich unausstehliche Psycho-Type.

Bruder Stan Lohman (RICHARD GERE), erfolgreicher Kongressabgeordneter, ganz Gentleman und Prinzipienmensch, ist an diesem Abend damit beschäftigt, über Telefon und seine Beraterin, die sich diskret im Hintergrund aufhält, genügend Stimmen für eine Gesetzesvorlage zusammenzubekommen, bei der es darum geht, dass der Staat künftig auch die Behandlungskosten bei psychischen Krankheiten übernimmt. Allerdings geht es für Stan Lohman hier und jetzt um etwas ganz Anderes: Ein familiäres Problem muss endlich an-, besser: ausgesprochen werden. Denn ihre knapp noch minderjährigen Gören, ihre 16-jährigen Söhne, haben im widerlichen Übermut eine Obdachlose misshandelt und anschließend verbrannt. Und das dann auch noch auf Handy aufgenommen. Natürlich: Alarmstimmung. Während die Mütter resolute Glucken-Beschützer-Positionen einnehmen, ist der Politiker und Moral-Mensch Stan Lohman bereit, seine Karriere aufzugeben, um das Geschehen öffentlich zu verkünden. Das „Dessert“ ist dann das Aufwühlendste, denn die familiäre Verbal-Schlacht kommt nun zum Höhepunkt.

Drehbuch-Autor und Regisseur Oren Moverman wurde 2010 für seinen Debütfilm „The Messenger – Die letzte Nachricht“ (mit Woody Harrelson/s. Kino-KRITIK) für den Drehbuch-„Oscar“ nominiert und erhielt dafür auch den „Silbernen Berlinale Bären“. Mit Richard Gere in einer ungewöhnlichen Rolle als Obdachloser kam sein zweiter Film, „Time Out of Mind“, am 09.11.2015 hierzulande gleich für das Heimkino heraus. Nun konnte er wieder Richard Gere buchen, der sich bekanntlich gerne talentiertem Nachwuchs zur Verfügung stellt, und um den sich ein grandioses Darsteller-Ensemble gruppiert. Manko allerdings: Oren Moverman verzettelt sich bisweilen in der Erzählspur. Vermag dieses derzeit aktuelle wie brisante USA-Thema, Moral und Lügen, nicht durchweg griffig abzuhandeln. Diese ermüdenden „paulischen“ Gettysburg-Rückblicke als symbolische Denkbedeutung für den brüderlichen Zerfall, sind viel zu lang. Ausgedehnt. Dabei besitzt das eigentliche Thema ausreichenden Zündstoff: Wieso rastet bürgerlicher Nachwuchs so viehisch aus und wen kann/darf man dafür belangen? Wo und wie sind die moralisch-erzieherischen Positionslampen neu zu installieren? Sind „solche erwachsenen Familienverhältnisse“ und familiäre Diskrepanzen der Grund dafür, dass unser Nachwuchs dermaßen „instabil“ ist und handelt? Und falls ja: Wie damit umgehen, dagegen vorgehen? Im deutschen Film-Untertitel heißt es: „Wie weit würdest Du gehen, um Deine Familie zu schützen?“

„The Dinner“, bei der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb gelaufen, ist ein Psycho-Thriller der besonderen Spannungsmarke. Trotz seiner bisweilen umständlichen Rückblick-Macken und diesen zähen Bürgerkriegs-Trauma-Motiven lässt er sich unterhaltsam-klug-„lesen“ = hören und ist zum eigenen Darüber-Vielquatschen-Danach eine insgesamt lohnende, passable Vorlage (= 3 1/2 PÖNIs).

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