„SURROGATES – MEIN ZWEITES ICH“ von Jonathan Mostow (USA 2009; 88 Minuten; Start D: 21.01.2010); der aus einer akademischen Familie stammende 48jährige Regisseur und Produzent wurde vor allem als Regisseur von „Terminator 3 – Rebellion der Maschinen“ (2003) bekannt. Hier nun beschäftigt er sich mit einem Thema, das derzeit – siehe „Avatar“, dem filmischen Giganten von James Cameron – denk- wie story-aktuell ist: Mit menschlichen „Zweitausgaben“. „Surrogates, übersetzt: „Ersatz“/ „ERSATZMITTEL“, basiert auf der gleichnamigen „Graphic Novel“ von Robert Venditti & Brett Wedele aus den Jahren 2005/2006 und wurde vom Autorenteam Michael Ferris & John Brancato adaptiert, die das Original-Drehbuch zu „Terminator 3“ und zu Genrehits wie „The Game“ (verfilmt von David Fincher, mit Michael Douglas/1997) und „Das Netz“ (1995; mit Sandra Bullock) verfaßten. „GRAPHIC NOVEL“ bedeutet zu deutsch – „illustrierter Roman“ bzw. „Comic-Roman“. Der Unterschied zu den „normalen“ Comics: Diese werden im Buchformat hergestellt und in Buchläden angeboten, während die Heftcomics vorwiegend an Zeitungsläden und in Comicläden vertrieben werden. „Graphic Novel“ wollen/sollen also „etwas Comic-Besseres“ sein. Am 10. Januar 2007 war in der täglichen Titelseiten-Kolumne der „Süddeutschen Zeitung“, in „Das Streiflicht“, davon zu lesen, daß man „Demonstranten jetzt einfach mieten kann“. Von einer neuen „ideologischen Mobilität“ erfuhr man, für DIE von einer Berliner Leihfirma 280 Männer und Frauen gemietet werden können, die für 145 EURO pro Tag „gegen Ungerechtigkeiten aller Art aufmarschieren“ würden. Und: Es gäbe auch „für jeden Empörungseinsatz eine gesonderte Tagespauschale“.
Von „so etwas“ bzw. „so etwas Ähnlichem“ handelt, erzählt dieser Film. Wir befinden uns in der Welt von 2017. In also nur etwa sieben Jahren werden die Menschen in der Lage sein, von sich selbst „Kopien“ herzustellen. Sogenannte Surrogates. DIE tun alles DAS, was die Menschen so täglich machen. DIE gehen täglich „stellvertretend“ zur Arbeit, erledigen die Einkäufe, düsen abends in die Disco. Was halt so anfällt. Ob Job, Business, Thrill oder sexueller Spaß, DIE erledigen DAS, man muß sich Zuhause nur einfach „einstöpseln“, und ab geht die virtuelle Lebenspost. Während die „echten“ Menschen den ganzen Tag lang zuhause in ihrem „aufgeladenen Liegestuhl“ isoliert verbringen. Für jeden Geldbeutel gibt es einen „passenden Ersatz“. Ein zurückgezogen lebender Milliardär, Dr. Lionel Canter (JAMES CROMWELL, einst „Papa“ von „Schweinchen Babe“), hat dies erfunden. Er hatte herausgefunden, wie man Gehirnströme dekodieren und diese als Steuersignale für künstliche Menschen weiterleiten kann. Der weitere äußere „Vorteil“: Die so ferngesteuerten „Surrogates“ sind und bleiben stets makellos. Bleiben „forever young“ und toll aussehend. Jeder „Surrogate“ besitzt also einen menschlichen Gegenpart, der den Roboter – egal, wo der sich gerade befindet – mittels seiner Gedanken zu steuern vermag. Wenn der Mensch sich aber nicht im „Liegestuhl“, dem sogenannten „stim chair“, aufhält, ruhen die Roboter „stand by“. Bis sie wieder von Zuhause aus „aktiviert“ werden.
Was aber mal gedacht war zur Hilfe, Begleitung, Unterstützung von Kranken, z.B. Gelähmten, die weiterhin innerhalb der Gemeinschaft „aktiv“ am Leben teilnehmen können, gerät außer Kontrolle. Denn in dieser schönen, neuen Welt passiert der erste Mord. Nach über 15 Jahren. Dabei wird sowohl der synthetische Stellvertreter wie auch der mit ihm verbundene leibliche Mensch zerstört. FBI-Agent Tom Greer (BRUCE WILLIS) macht sich an die Arbeit. Denn technisch stehen alle vor einem Rätsel, sollte DIES eigentlich unmöglich sein. Gemeinsam mit seiner Kollegin Peters (RADHA MITCHELL/“Melinda und Melinda“ von Woody Allen/2004) stoßen sie auf „Merkwürdigkeiten“. Stichwort: Die Diktatur der Technologie und wie sie ausgeübt wird. Im Verborgenen. Denn auch das Militär ist hier gerne mit-beteiligt, wenn es darum geht, an die Kriegsfronten „Kopien“ zu schicken. Deren „Ausfall“ wäre kein so großer „menschlicher“ Verlust. Zudem existiert offensichtlich auch eine Geheimwaffe, eine geheime Strahlenwaffe, mit der, in den falschen Händen, Schlimmes angerichtet werden kann. Und: 2017 existiert auch eine rein-menschliche Zone, in der „Surrogates“ keinen Zutritt haben. Und in der der Widerstand gegen die sich immer mehr vergrößernde Maschinenwelt-„draußen“ wächst. Ein schwarzer „Prophet“ (VING RHAMES/“Mission: Impossible“) offenbart sich als charismatischer wie rabiater Anführer.
Zuerst der Computer. Dann die „Ergänzungen“ mit e-mails, Internet und Handys. Der Mensch entwickelt immer mehr „Technik“. Aber – beherrscht er sie auch noch? Oder ist „die Technik“ inzwischen bestimmend über „den Menschen“? Dann – die ewige Jugend. Das makellose Aussehen. SCHÖNHEIT ist angesagt. Jung-Sein. Am liebsten ewig. Siehe, Umkehrschluß: Die fortwährende, ekelhafte FRATZENKULTUR in unserer aktuellen Welt. Was liegt da näher als die Möglichkeiten zu nutzen: Während man „intern“ selber altert, ist man „draußen“, „öffentlich“, immer jung, hübsch und vital. Über einen Computer sozusagen „sicher“ aufgehoben. Abgesichert. Behütet. Phantastisch ständig „blühend“. „Surrogates“ trifft solche Gedanken, Empfindungen. Motto: Es geht natürlich um einen Fiction-Thriller, mit vielen Action-Elementen, aber natürlich und vor allem auch darum, wie wir mit Technologie und Identität, sprich plastischer Chirurgie und das was Menschen heute mit ihrem Körper alles anstellen, umgehen. „Surrogates“ ist ein brillanter Wirbelwind von exzellentem Spannungskino. Über eine Gesellschaft, die sich immer mehr auf TECHNIK verläßt, auf virtuelle Kommunikation setzt und dabei „die Kontrolle“ zu verlieren droht. Existenziell wie sozial wie kommunikativ wie politisch. KINO war immer seiner Zeit voraus und provozierte mit „unrealistischen“ Gedanken, Möglichkeiten, Warnungen. Dies ist solch KINO. Einfach, schnörkellos, tiefgreifend, anregend, aufregend. Der 54jährige BRUCE WILLIS zeigt sich „doppelt“, mal prächtig blond gestylt, mit schönstem Feinst-Face, mal als „alter Knacker“, äußerlich, mit allem altersmäßigem „Drumunddran“. Und so einigen schmerzhaften „Zipperlein“. Als seine Zweitversion ausgelöscht wird, ist er – als Mensch – auf sich alleingestellt. Dabei merkt er bald schon, daß er ganz schön „außer Form“ geraten ist. Was dann auch ziemlich und noch mehr weh tut. Während seine Frau sich, nach dem Tode des gemeinsamen Kindes, völlig zurückgezogen hat und nur noch als „Surrogate“ „leben“ will. Ein gutes Kino-Stück. Tolle Genre-Unterhaltung, serviert mit klugen Gedanken. Der Mix kommt prächtig ´rüber (= 4 PÖNIs).