PÖNIs: (4,5/5)
„STURMHÖHE – WUTHERING HEIGHTS“ von William Wyler (USA 1939; B: Ben Hecht, Charles MacArthur; nach dem gleichn. Roman von Emily Bronté/1847; K: Gregg Toland; M: Alfred Newman; 104 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.07.1950; Wiederveröffentlichung: 21.05.1992; DVD-Veröffentlichung unter dem Titel „Stürmische Höhen“: 20.07.2004).
Früher war das im Kino gang und gäbe, heute ist es eher eine Seltenheit: das Entdecken, das Wieder- oder Neu-Entdecken, wunderbarer älterer Filme. Doch das Fernsehen mit seinem Überangebot an neuen und alten Spielfilmen und der damit verbundene Abbau des einst so gepflegten Repertoire-Programms haben dafür gesorgt, dass in den meisten Kinos nur noch die “gängige Ware“ gezeigt wird. Zeit und Geld in die Präsentation eines Klassikers zu investieren, kommt nur noch ganz selten vor. Wie jetzt, wo im repräsentativen Kudamm-Haus “Gloria-Palast“ eine klassische Entdeckung in den Spielplan aufgenommen wurde: William Wylers-Ausnahmefilm “Sturmhöhe“, der 1939 nach dem berühmten und einzigen Roman “Wuthering Heights“ von Emily Bronté entstand.
Sein schicksalhaft-dramatisches Thema: Liebe als Total-Begehren, auch über den Tod eines Partners hinaus. Dazu setzte sich Emily Bronté, deren Roman 1847 erschien und für “skandalöses Aufsehen“ im puritanischen Großbritannien sorgte, mit gleich 3 fundamentalen Säulen britischen Lebensstils kritisch auseinander: die bewusste Emotionslosigkeit, die typische Klassen-Gesellschaft und der unterbewusste Einfluss wilder Natur. “Sturmhöhe“ erzählt die tragische Geschichte zwischen der Gutsherrentochter Cathy und dem Findelkind Heathcliff. Sie wachsen zusammen in der kargen mittelenglischen Moorlandschaft von Yorkshire auf. Was sie als Kinder spielerisch verband und als Jugendliche emotional zusammenführte, soll als Erwachsene die Erfüllung bringen: aus Kumpanei und Freundschaft wird eine leidenschaftliche Liebe. Aber: Er ist ein armer Schlucker, während sie den Verlockungen des reichen nachbarlichen Lebens erliegt. Sie fühlen zwar, dass sie zusammengehören, finden aber zusammen keine Erfüllung und Zukunft. Für Heathcliff beginnt ein verbittertes Leben voller Qualen, Hass und Rache, das auch Cathys Dasein erbarmungslos zerstören wird.
“Wuthering Heights“ wurde in der Tonfilmära gleich viermal verfilmt und von Regisseuren wie Luis Bunuel, Robert Fuest und Jacques Rivette auf unterschiedlichste Weise adaptiert: als Provokation gegenüber gesellschaftlichen Regeln, als Horrorstoff und als reine Lehre einer unmöglichen Liebe. William Wyler übersetzte den Stoff als großes episches Melodram, in dem die gewaltigen Naturbilder die großen Gefühle nachhaltig unterstützen. Laurence Olivier als dämonischer Heathcliff dominiert schon wie eine Shakespeare-Figur; ihm gelang damals mit dieser Rolle auch der Durchbruch zum Star. Merle Oberon hat an seiner Seite gegen so viel geballte Auftrittswucht keine Chance, obwohl auch sie als Cathy überzeugt. In einer Nebenrolle ist übrigens auch der junge David Niven zu sehen, der den schwächlichen, aber reichen Nachbarn und späteren Ehemann von Cathy galant vorführt. “Sturmhöhe“ ist der kraftvolle Zusammenstoß von Emotionen und Konventionen und besitzt in seiner schwarz-weißen Bilder-Poesie und der atmosphärischen Tiefe mindestens genauso viel herzzerreißende Anmaßung und Unterhaltungswerte wie der oft und vielzitierte “Vom Winde verweht“-Klassiker, der im selben Jahr entstand. Während aber “Vom Winde verweht“ damals gleich mit 9 “Oscars“ ausgezeichnet wurde, bekam “Sturmhöhe“, nach 9 Nominierungen, nur einen, und zwar für die “Beste Kamera“ von Gregg Toland. 1939 war also ein ganz starker Hollywood-Jahrgang, doch einen der stärksten Filme von einst können wir erst jetzt im Kino nach-sehen.
“Sturmhöhe“ von William Wyler, das ist eine cineastische Perle in diesem Sommerkino-Programm (= 4 ½ PÖNIs).