STILLE RESERVEN

PÖNIs: (3/5)

„STILLE RESERVEN“ von Valentin Hitz (B + R; Ö/Schweiz/D 2015; K: Martin Gschlacht; M: Balz Bachmann; 96 Minuten; deutscher Kino-Start: 20.04.2017); was ist bloß aus dem gemütlichen Wien geworden? In naher Zukunft? Die Stadt ist geteilt. Eine Grenze zieht sich durch die doch sonst so melancholische Region. Konzerne haben das Bestimmen. In den 1. Bezirk kommen nur noch Auserwählte. „Dazugehörige“. Der Pöbel steckt innerhalb einer Parallelgesellschaft in faden Hochhausblocks fest; vegetiert im Elend als Habenichtse vor sich hin. Und darf nicht einmal sterben. „Jeder Mensch verfügt über ein mentales Datenreservoir, das weit über das bewusst gespeicherte hinausgeht“, lautet die Formel der Mächtigen, und deshalb soll jeder Mensch auch eine Todesversicherung abgeschlossen haben. Mittels derer er kein Recht an seinem Todesfall hat. Sondern, zum Beispiel wie ein Vehikel, gründlich „ausgeschlachtet“ werden darf. Beim Eintritt „des Versicherungsfalles“. Der Mensch als profitables Ersatzteillager. Wer einen solchen Vertrag nicht zu unterschreiben bereit ist, findet auch schon zu Lebzeiten keine Ruhe.

Vincent Baumann (CLEMENS SCHICK) ist Versicherungsagent im Außendienst. Schafft Tag für Tag eifrig Policen heran. Er ist der Erfolgreichste unter den Bediensteten. Er, der sich stets unter Kontrolle hat, sich kühl zu beherrschen weiß, „patzt“ eines Tages. Als er einen „Fall“ nicht erfolgreich abzuschließen weiß, wird er degradiert und soll sich neu beweisen. Als Infiltrator. Vincent trifft auf Widerständler, die im Untergrund gegen das menschenverachtende System rebellieren und für das „Recht auf den eigenen Tod“ kämpfen. Begegnet der resoluten Lisa (LENA LAUZEMIS), einer mysteriösen Aktivistin mit viel Musikalität („Teach Me Tiger“), woraufhin sein Gefühlspanzer zu blättern beginnt. Doch die Obrigkeit hat ihn längst im Visier.

Kribbliges Science-Fiction-Kopf-Kino. Das von dem prächtig-futuristischen Design, der elegant-wirkungsvollen Paranoia-Szenerie, dem jazzigen Sound und der düster-faszinierenden, dystopischen Neon-Atmosphäre lebt. „Gegenwärtige Tendenzen konsequent weiter gedacht, auf die Spitze getrieben, im Detail umgedeutet“, formuliert im Presseheft der 1969 in Stuttgart geborene und in Zürich aufgewachsene Autoren-Regisseur VALENTIN HITZ das kalte Endzeitstimmungs-Drama. Bei dem die Figuren allerdings zu stereotyp angelegt sind und die „Herkunft“ an populäre Bilder und bissig-knarzige Motive der Klassiker-Vorbilder wie „Matrix“, „Blade Runner“ oder „Fahrenheit 451“ erinnern: Ausgestattet mit viel Klischee-Charme und Theorie-Fieber.

CLEMENS SCHICK, 45, bekannt als stoischer Handlanger-Schurke aus „James Bond 007 – Casino Royale“ (2006) und eben-SO aus dem Ösi-Western „Das finstere Tal“ (2014), brilliert als loyaler System-Bruder Vincent. Mit Aussteige-Menü: Der irgendwann seine künstliche Eleganz und strenge Coolness abstreift und zum sensiblen „Menschen“ mutiert. Brillant, wie Schick dies körpersprachlich-doppelbödig entwickelt.

Immerhin: „Stille Reserven“, ein imponierender deutschsprachiger Fiction-Thriller, der im gesellschaftskritischen Umkehrschluss interessant-hintergründig funktioniert: Die globale Zukunft stinkt eklig-gewaltig (= 3 PÖNIs).

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