SEEFEUER

SEEFEUER“ von Gianfranco Rosi (B, K + R; Italien/Fr 2015; M: Stephano Grosso; 108 Minuten; Original m. deutschen UT; Start D: 28.07.2016); der diesjährige Berlinale-Siegerfilm. Ausgezeichnet mit dem „Goldenen Bären“. Der italienische Originaltitel „FUOCOAMMARE“ kann sowohl als „brennendes Meer“ wie auch „Leuchtturm“ übersetzt werden. Der deutsche Kinotitel ist dieser Doppelbezeichnung geschuldet: „SEEFEUER“ bezeichnet zu einen das Lichtsignal auf Leuchttürmen, zum anderen eine historische Brandwaffe, die vor allem gegen Schiffe zum Einsatz kam und nicht mit Wasser gelöscht werden konnte.

Die Insel Lampedusa hat eine Fläche von 20 Quadratkilometer, liegt 70 Meilen vor der Küste Afrikas und 120 Meilen vor der Küste Siziliens. In den letzten 20 Jahren sind circa 400.000 Migranten auf Lampedusa gelandet. Beim Versuch, den Kanal von Sizilien in Richtung Europa zu überqueren, starben schätzungsweise 15.000 Menschen.

Der Regisseur, Autor und Kameramann: GIANFRANCO ROSI, 1964 in Asmara, Eritrea, geboren. 2013 gewann er bei den Filmfestspielen von Venedig mit seinem Film „Das Andere Rom“ den Hauptpreis, den „Goldenen Löwen“.

„SEEFEUER“, ein Gedanken-Film. Ohne Ausrufungszeichen, stark in der Wirkung. Des „Banalen“. Ein Junge, Samuele, 12 Jahre alt. Streift auf der Insel herum. Mal alleine, mal mit einem Kumpan. Mit der Schleuder macht er Jagd auf Vögel (= was ihn ausgesprochen unsympathisch macht), man zielt auf Kakteen, die wie Menschengesichter aussehen. Samuele möchte eines Tages Fischer werden wie viele in seiner Familie vor ihm. Wir blicken mit auf seinen Alltag, Zwischen Mittagessen, schulischen Hausaufgaben, Arztbesuch, dem Basteln einer Holzschleuder. Die Zweckmäßigkeit des Alltags.

Kontrast: Das „Ankommen“ der Schiffe. Mit Flüchtlingen. Die fassungslosen Aufnahmen von ausgemergelten Menschen, die anfangs über Funk um Rettung flehten, weil ihr überfülltes Boot zu sinken drohte, und die jetzt „sichtbar“ werden. Auf Interviews verzichtet Gianfranco Rosi, er verlässt auf die Kraft der erschütternden Bilder. Einmal nähert sich die Kamera doch einem jungen Mann, wenn er klagend rappt über das grauenvoll Erlebte: Hunger, Durst, Folter, Ertrinken.

Der Insel-Arzt zeigt Fotos und berichtet empathisch über die fürchterlichen gesundheitlichen Zustände vieler Flüchtlinge.

Kontrast: Die Großtante bereitet das Essen vor, kommentiert knapp eine neue Flüchtlingskatastrophe auf dem Meer, bestellt beim Rundfunk ein Lieblingslied. Ein Harpunenmann sammelt an der Felsküste unter Wasser Seesterne ein.

Der Mikrokosmos auf Lampedusa. Wo sich Schnitt-Stellen von Leben kreuzt. Einerseits der kleine einheimische Junge mit seinen Gefühlen, Hoffnungen und Träumen, andererseits die vielen namenlosen Menschen, die gehofft haben, hier anzukommen. Um weiterleben zu können. Und schließlich doch: der grausame Blick in das Innere des Flüchtlingsschiffes.

Wir sind „Samuele“. Der eigene Alltag. Mit seinem vielen täglichen „Normalen“. Den Fügungen. Pietro Bartolo, dem Arzt, kommen die Tränen: „Jeder, der von sich behauptet, ein Mensch zu sein, hat die Pflicht, diesen Leuten zu helfen“. Dort wie hier (= 4 PÖNIs).

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