SEARCHING FOR SUGAR MAN

SEARCHING FOR SUGAR MAN“ von Malik Bendjelloul (Schweden/GB 2006 – 2011; 86 Minuten; Originalfassung mit deutschen Untertiteln; Start D: 27.12.2012; Heimkino-Veröffentlichung: 10.05.2013); wieso kannten wir SIXTO DIAZ RODRIGUEZ, Künstlername „RODRIGUEZ“, geboren am 10. Juli 1942 in Detroit, bisher nicht? Dabei hat dieser Folk-Singer-Songwriter mehr Platten verkauft als die „Rolling Stones“. Allerdings – in Südafrika. Wo ER in den 1970er Jahren, mitten in der Apartheid, zum musikalischen Rebellen avancierte. Ohne es zu erfahren. Die (Lebens-)Geschichte des mexikanisch-stämmigen „Bob Dylan“ ist ein wahres Märchen. Die jetzt (endlich) weltweit erzählt und bekannt gemacht wird. Auf dem renommierten „Sundance“-Festival im Januar 2012 war „Searching for Sugar Man“ der Eröffnungsfilm und erhielt dort gleich zwei populäre Auszeichnungen: „Beste Ausländische Dokumentation“ sowie den „Publikumspreis“. In diesem Sommer landete das Doku-Juwel in den Top Ten der britischen Kino-Charts und übertrumpfte damit die filmischen Dokumentationen über die Promis John Lennon („The US vs. John Lennon“), Leonard Cohen („I’m Your Man“) und Metallica („Some Kind of Monster“). Der „Oscar 2013“ in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ winkt. Der Soundtrack zum Film – mit ausgewählten Songs aus den beiden Alben dieses „übersehenen“, „überhörten“ Künstlers – ist hierzulande seit dem 5. Oktober 2012 auf dem Markt.

Heutzutage käme es dazu nicht. Dass ein talentierter Musiker/Sänger „einfach so“ nicht wahrgenommen wird. Werden kann. Das Internet würde dafür sorgen, dass um ihn „mächtig Dampf“ gemacht wird. Damals gab es „das Netz“ noch nicht. Damals, Anfang der 70er Jahre. In Detroit. Wo in einem der schmuddeligen Hinterhöfe dieser zerfallenden Arbeiter- und Industriestadt ein mexikanisch-amerikanischer Sänger auftritt. In Kaschemmen singt. Zwei namhafte Produzenten stoßen auf ihn – und sind begeistert. Seine Lyrik ist so gut, dass sie jedem Vergleich mit Bob Dylan standhält. Die Produzenten haben mit Größen des Musikbusiness wie Marvin Gaye, Steve Wonder, The Temptations, The Surpremes, Gladys Knight oder Ringo Starr zusammengearbeitet. Können sich auf ihr Gehör und ihren Instinkt verlassen. Doch diesmal täuschen sie sich. Die Rodriguez-LP „COLD FACT“ floppt 1970. Total. Wie auch das zweite Album ein Jahr darauf, produziert von Steve Rowland. DER hat immerhin mit Jerry Lee Lewis, The Cure, Peter Frampton oder Gloria Gaynor zusammengearbeitet. Und glaubt an diesen Rodriguez. Ist sich ebenfalls sicher, dass er „durchstarten“ wird. Dieser „Stadtpoet, der mit Gedichten und Musik ausdrückt, was er sah. Es war der ungeschminkte Blick auf das, was sich ihm in Detroit bot“. Doch wieder, auch die zweite LP – „Coming to Reality“ – wird ein finanzielles Desaster.

Die Karriere des knapp 30jährigen ist zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat. Jedenfalls in den USA. Denn völlig unbemerkt vom Rest der Welt überlebt seine Musik in einer Region der Erde, die damals abgeschottet war und deshalb von den globalen Medien nur mit Negativschlagzeilen bedacht wurde: Im Apartheid-System und –Regime von Südafrika. Hier wird Rodriguez „entdeckt“. Von der weißen liberalen Mittelschicht. Wird zum klammheimlichen Superstar. Von der Jugend ausgerufen („Jede Revolution braucht eine Hymne“). Denn seine Songs haben etwas Befreiendes. „Kommentieren“ quasi das unterdrückte Leben. DORT. Die unterdrückte Freiheit. Natürlich landeten die Songs von Rodriguez auf dem Index, und ebenso natürlich wurde „Cold Fact“ auf jeder Party gespielt. Schwarzpressungen grassieren zuhauf. Die Fragen nach dessen Person, nach seiner Identität, machen die Runde. Man weiß rein gar nichts über ihn. Hat „nur“ seine Musik. Gerüchte kursieren. Rodriguez hätte sich bei einem schlecht performten Konzert vor dem Publikum erschossen. Beziehungsweise hätte sich selbst angezündet. Das Leben dieses Rodriguez, IHRES Musikers, ist ein Mysterium.

1996 aber startet unerwartet eine Bewegung. Um Rodriguez. Als sein zweites Album im Post-Apartheid-Staat erscheint. Der südafrikanische Profi-Fan, der Musik-Journalist Stephen „Sugar“ Segerman, fühlt sich von der im Booklet geschriebenen Zeile „Any musicologist detectives out there?“ herausgefordert. Und beginnt mit Nachforschungen. Über und um das Schicksal dieses geheimnisvollen Rodriguez. Gemeinsam mit seinem Fan-Freund, dem Plattenladenbesitzer Craig Bartholomew-Strydom. Der schwedische Filmemacher MALIK BENDJELLOUL, der hauptsächlich Musikdokus und Musikerporträts für das schwedische Fernsehen schuf – 2001 gelang ihm die überhaupt erste Dokumentation über die deutsche Elektropop-Pioniere „Kraftwerk“ – stößt 2006 auf die Rodriguez-Geschichte. Und beginnt, mit geringem Budget und viel Eigenleistung, eine fünfjährige Recherche-Reise, an deren Ende dieses ebenso unglaubliche wie großartige filmische Dokument steht. Denn: Rodriguez lebt. Tatsächlich. Und erfährt „dadurch“ erstmals von seinem Erfolg. Von seiner „weltlichen“ Popularität. Von den „kompletten Dingen“ seines Underdog-Lebens.

Was für ein Kraftfeld, was für ein Kraftmagnet von tollem, inspirierendem, detektivischem Porträt-Kino! Mit urigem „Thriller“-Geschmack. Und einer stimmungsvollen Entdeckungs- / Entdeckermusikalität. Um die Persönlichkeit und den nun „dazugehörigen“ Künstler = RODRIGUEZ. Mit seiner populären Musik.

MALIK BENDJELLOUL fungiert in seinem überragenden Debütlangfilm als Regisseur, Produzent, Kameramann und Cutter. Sein Werk setzt sich aus spannenden Interviews, mitreißenden Songausschnitten, Fotos, privaten Filmaufnahmen und Konzertausschnitten von Sixto Rodriguez, animierten Szenen und Archivmaterialien atmosphärisch brillant zusammen. Als authentisches, wahrhaftiges, SEHR unterhaltsames Real-Märchen. Ohne „Helden“-Verklärung, sondern mit erdigem Bodenblick. Mit und über einen Künstler, den Musik-Produzent Steve Rowland immer schon gewürdigt haben wollte: „Dieser Mann verdient Anerkennung!“.

Über diese beeindruckende, faszinierende Dokumentation bekommt er sie nun. Angemessen. Informativ. Spannend. Faszinierend. Also wunderbar. Nach so vielen Jahren. Motto, nun: Ein Idol ist ein Idol ist ein verdientes Idol (= 5 PÖNIs).

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