1.) Ich mochte ihn. ER war für die „schrägen Parts“ zuständig: RAINER BASEDOW, geboren am 20. Mai 1938 in Mühlhausen/Thüringen. Habe ihn des Öfteren im Kino gesehen (zum Beispiel als Wachtmeister Dimpfelmoser im Kinderfilm-Klassiker „Der Räuber Hotzenplotz“/1974); begegnete ihm als Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft (wo er von 1976 bis 1995 mitmischte); sah ihn in der vom MDR viermal im Jahr ausgestrahlten Prima-Kabarettfrechheit „Die Drei von der Zankstelle“; hörte ihn gerne als Synchronsprecher des Warzenschweins Pumbaa im Zeichentrickfilm-Hit „Der König der Löwen“ (1994) und auch bei „Der König der Löwen 2 – Simbas Königreich“ (1998). EINE FILMSZENE allerdings prägte ihn weltweit – 1967, mit einem Szenenfoto aus dem May Spils-Film „ZUR SACHE SCHÄTZCHEN“, wo Rainer Basedow als uniformierter wachhabender Polizist neben der im Korsett stehenden Uschi Glas abgebildet war; für die gesamte deutschsprachige Presse war und blieb dies ein Bild-Pfund. Am letzten Montag (16. Mai 2022) ist er gestorben. Tschüs, Rainer Basedow.
2.) SPIELEREI: REALER KAPITALISTISCHER Spannungs-HORROR. Titel = „ONE OF THESE DAYS“. Von BASTIAN GÜNTHER (B +R; D/USA 2018; K: Michael Kotschi; M: The Notwist; 121 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.5.2022). Unter den BESTEN FILMEN ALLER ZEITEN überhaupt sehe ich ein – neunfach für den „Oscar“ nominiertes – Meisterwerk von Sydney Pollack aus dem Jahr 1969: „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“ (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs). An diesen unvergessenen Spielfilm, Originaltitel: „They Shoot Horses, Don’t They?“, mit Jane Fonda und Michael Sarrazin in den Hauptrollen, musste ich des Öfteren denken, als ich diese aktuellen Bilder sah. Eines Films, der auf Tatsachen basiert. Als eine Art Kammerspiel auf einem Parkplatz angelegt ist. Im Jahr 1992 startete in Longview, Texas – unter dem Namen „Hands On A Hardboy“ – ein dann jährlich stattfindender Ausdauerwettbewerb. Ein Nissan-Autohandel hatte die Aktion ins Leben gerufen, um durch die Publicity, die mit dem Wettbewerb einherging, die Verkäufe anzukurbeln. 24 Menschen, von der Auslosung bestimmt, standen in der Septembersonne oder im Regenhagel um einen brandneuen Nissan-Truck herum. Bedingung: IMMER EINE HAND AUF DEM CHASSIS. Ziel – zu versuchen, die anderen Teilnehmer zu überdauern. Was mit 87 Stunden begann, erreichte bald über 100 Stunden bei einem Gewinner. Der Rekord erreichte schließlich im Jahr 2000 runde 125 Stunden. Das sind über fünf Tage und Nächte ohne Schlaf, an einem Auto stehend – nie anlehnend oder sitzend. Immer brav stehen, bitte. Körperliche Verfassung, mentale Stabilität, Ernährung, das richtige Schuhwerk sowie der Toilettengang sind die Faktoren für den Wettbewerb. Die Folgen: Blinzelnde Augen, Schweiß, Dialogfragmente, verkrampfte Lacher „erscheinen“. Die Hitze, der Schlaf- und Wassermangel setzen den Teilnehmern körperlich und geistig rasant zu. Hass, Wut und Müdigkeit, Schmerzen am und im Körper sowie die Untereinander-Häme; die Beleidigungen verbreiten sich. Es kommt zu Halluzinationen, Sekundenschlaf, Ohnmacht, Hysterie, seelischer Herabwürdigung. Mal mehr, mal weniger, vom „Volk“ als Jahrmarkt-Show betrachtet sowie von regionalen TV-Sendern ständig beobachtet. Mit dem lautstarken Motto: Es lebe der freie amerikanische Bürger. Der erst „richtig“ ganz frei ist, wenn er sich solch ein Auto leisten kann. Weil er dies nicht vermag, bemüht er sich halt „so“= angestrengt, cool = um die tolle Karre. „Wir brauchen das Geld“, stöhnt es aus den noch 20 Akteuren. Denen inzwischen selbst das Atmen immer schwerer fällt.
Es brilliere das Motiv der Zweiklassengesellschaft. Raus aus dem alten, beschwerlichen Leben, weg von der ewigen, drückenden Perspektivlosigkeit, ich brauche ja nur ausdauernd – lange genug – „festklebend“ herumstehend. Was soll schon passieren. 2005 wurde der Wettbewerb eingestellt, nachdem sich der 24-jährige Richard V., einer der Teilnehmer, nach 48 Stunden am Auto aushaltend, sich eine Kugel in den Kopf geschossen hatte. Er löste sich vom Wagen, brach in einen K-Mart ein, nahm sich dort in der „Sportabteilung“ eine Pistole und einige Patronen und erschoss sich auf dem Weg aus dem Supermarkt.
Anfangs werden die Beteiligten vorgestellt. Die den nagelneuen Pick-up-Truck haben wollen. Gesellschaftlich gestreut; unter anderem besetzt von einer bibeltreuen christlichen Fundamentalistin, einem Ex-Soldaten, der bei den „Kameltreibern“ im Einsatz war; einem selbstbewussten Afro-Amerikaner bis zum jungen Kyle Parson (JOE COLE), der fest überzeugt davon ist, heute Gewinner zu werden. Doch die körperlichen „Schutzmechanismen“ beginnen sich auch bei ihm mehr und mehr zu verabschieden. Während seine Frau mit dem Neugeborenen „draußen“ wartet. Ihrer Arbeit nachgeht und hofft, dass ihr Ehemann unbeschadet „rauskommt“. „One Of These Days“ knallt unter die Haut. Zerrt in der Birne. Gehörig. Ohne mit Kitsch as Can herumzufummeln. Das Ensemble „stimmt“. Ist treffsicher zusammengefügt. Man ist als Betrachter, Zuschauer, empathisch-stark mit-eingebunden. Auch bei Joan (CARRIE PRESTON), die als Event-Managerin das Spektakel leitet. Und dabei auch ihre privaten Störungen nebenbei abarbeiten, also erledigen muss.
Der 47-jährige Autoren-Regisseur BASTIAN GÜNTHER, dessen Paukenschlagfinale-hier überrascht und nachwirkt, lebt in Berlin und in Austin, Texas. Kennt seine „Pappenheimer“ und weiß deren „Schwachstellen“ auszuloten: „Ich denke, so etwas kann überall passieren. Amerika ist anfälliger für diese Art von Dingen, aber das Problem, das der Wettbewerb widerspiegelt, ist universell. Es spielt keine Rolle, ob die Leute um einen Truck herumstehen oder auf einer Stange sitzen, oder ob sie Kandidaten in einer TV-Show sind, die sich im Dschungel oder in einem geschlossenen Container abspielt. Es geht um die Ausbeutung der Schwächeren und Benachteiligten, um Unterhaltung und Schadenfreude – das ist leider alles sehr menschlich. Und in gewisser Weise dient diese Art von Wettbewerb auch dazu, eines unserer größten Probleme zu offenbaren: Die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Chancen und deren Folgen“. „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss 2“ (= 4 PÖNIs).
3.) GESTÖRTE KUMPELS. Titel = „DOG – DAS GLÜCK HAT VIER PFOTEN“. Von und mit CHANNING TATUM sowie REID CAROLIN (= B + Co-R; USA 2020; K: Newton Thomas Sigel; M: Thomas Newman; 102 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.5.2022). Sie sind beide „nicht normal“. Der ehemalige Army Ranger Jackson Briggs (CHANNING TATUM) kriegt sein traumatisiertes Ich nicht gesund, nicht mehr in die Spur, und nun auch noch das: Ein Kamerad, mit dem er im Irak „tätig“ war, ist gestorben. Und er soll dessen belgische Malinois-Hündin Lulu, die jahrelang im Militärdienst eingesetzt wurde und alles andere als „zivil“ ist, mit auf die Reise gen Arizona nehmen, wo ihr Ex-Herrchen beerdigt wird. In Jacksons Ford Bronco begeben sich der Zwei- und der Vierbeiner auf einen mächtig unruhigen Roadtrip entlang der US-Pazifikküste. Auf der Fahrt treiben sie sich anfangs gegenseitig in den Wahnsinn, brechen dabei immer wieder Regeln, geraten in jede Menge aberwitzige Situation und nähern sich aufgebracht. Hollywoodakteur Channing Tatum erzählt bei seinem Regiedebüt nicht nur die Geschichte eines ungleichen Paares, sondern verweist auch auf eigene empathische Erfahrungen als leidenschaftlicher Hundenarr. Der Film wirkt depri-lustig. Hantiert mit brennendem Charme (= 3 1/2 PÖNIs).
4.) LAHM. LÄSTIG. Titel = „Leander Haußmann’s STASIKOMÖDIE“. Von Leander Haußmann (B + R; D 2020; K: Michael Grabowski; M: Malakoff Kowalski; 115 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.5.2022). Manchmal, wie gemeint: manchmal, habe ich die Faxen dicke. Wenn mir ein neuer deutscher Film an vielem vorbeistreift. Dies ist mal wieder solch ein Werk. Fängt an und erklärt: Ostberlin. 80er Jahre. Trotzdem scheint die Sonne. Oh wie unulkig. Dann taucht Ludger (jung: DAVID KROSS; später als erwachsener Ludger Fuchs: JÖRG SCHÜTTAUF) auf und bleibt an der einsamen Ampel stehen, weil diese auf lange Dauer auf rot geschaltet ist. Von einem Stasi-Oberst, der Ludgers Eigenschaft als möglicher Stasi-Mitarbeiter testet. Diesen Geheimdienstler mimt HENRI HÜBCHEN als ständig besoffener und permanent rauchender Schlumpi. Mit grauslichen Zähnen bestückt. Dann erblicken wir ausgesprochen dämliche Stasi-Figuren, die mit dem Ludger – jetzt ein beruflicher Schnüffler – heimlich, also unauffällig, in der Prenzlauer Berg-Szene herumwildern sollen. Und immer mal wieder kurz tritt auch DETLEV BUCK als herumlungernder Straßenpolizist Horkefeld mit einem Kontrolleurs-Wort in Erscheinung: AUSWEIS. Ist das saukomisch. „Mehr“ allerdings fällt mir nicht ein, den Rest dieses völlig uninteressanten und Karacho-langweiligen Films habe ich leider vergessen. Gut, dass ich im Besitz der Mai-Ausgabe des Magazins „epd film“ bin, wo auf Seite 80 die Kollegin Britta Schmeis am Kritikende ihres Verrisses festhält: „Vielleicht liegt es an den vielen verschiedenen Fassungen, Überarbeitungen und Nachdrehs, dass die STASIKOMÖDIE keine eigene, stringente Dynamik entwickelt. Erste Rohfassungen waren schon im März 2020 beim Testpublikum durchgefallen. Vielleicht ist es auch das ewig gleiche Personal – Schüttauf als Stasischergen hat man nun schon häufig genug gesehen -, das nicht mehr überrascht, oder auch die verklärende Ostalgie, die 30 Jahre nach dem Mauerfall einfach nicht mehr funktioniert. Was bei SONNENALLEE vor gut 20 Jahren originell erschien, ist inzwischen nur noch ein müder Abklatsch“ (= 1 PÖNI; für das gerettete Ampel-Kätzchen zum Filmstart sowie für die Mittendrin-Song-Ausschnitte des stimmungsvollen „The Kinks“-Klassikers „Death of a Clown“).
5.) SIND SO KLEINE HÄNDE. Titel = „BETTINA“. Von LUTZ PEHNERT (B +R; D 2019/2020; K: Anne Misselwitz; Thomas Lütz; Andreas Deinert; M: BETTINA WEGNER; 107 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.5.2022). Das Filmporträt über BETTINA WEGNER, geboren 1947 in Westberlin. Aufgewachsen in Ostberlin, mit 36 Jahren ausgebürgert, seither „entwurzelt“. Der Werdegang der Liedermacherin gehört zu den spannendsten Lebensläufen des 20.Jahrhunderts. Es ist der Weg von einem Kind, das Stalin glühend verehrt, über eine hoffnungsfrohe Teenagerin, die mit ihren eigenen Liedern eine Gesellschaft mit-bauen möchte, hin zu einer beseelten Künstlerin mit einer unerschütterlichen humanistischen Haltung. So heroisch das klingt, so irre und aberwitzig, mühevoll und traurig, hingebungsvoll und vergeblich ist es in den vielen Dingen des Lebens, die zwischen den Liedern eine Biografie ausmachen. Bettina Wegners Leben ist zugleich die Geschichte eines Jahrhunderts; es steckt in ihren Knochen, ihrer Seele, ihren Gedanken – in ihren Liedern (Salzgeber / Presse). (= 4 PÖNIs).
6.) TV-TIPPS: Am kommenden MONTAG, 23. Mai wird das TV-Heimkino ab 21.50 Uhr bei ARTE mit dem chinesisch-französischen Spielfilm „ASCHE IST REINES WEIß“ bestens bedient (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). „Einer der besten und wichtigsten Filmemacher der Welt“, nannte das Magazin „New Yorker“ den Autoren Regisseur JIA ZHANG-KE. Am kommenden MITTWOCH, 25. Mai präsentiert ARTE ab 22.10 Uhr mit „DER WERT DES MENSCHEN“ von Stéphane Brizé einen exzellent-wütenden französischen Spielfilm (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Thema – s. Titel; in der Hauptrolle: VINCENT LINDON.
7.) Geboren wurde er am 23. März 1943 im griechischen Agria bei Volos, sein bürgerlicher Name lautete: Evagelos Odysseas Papathanassiou. Unter dem Namen VANGELIS explodierte er zu einem brillanten Weltmusiker. Vangelis war ein griechischer Komponist und zugleich einer der Pioniere der elektronischen Musik. Sein Musikstil war vielfältig und reichte von der New-Age-Musik bis zum Dark Ambient. Zu seinen bekanntesten Cinema-Kompositionen gehört die 1982 mit dem „Oscar“ ausgezeichnete Musik zum Film „Die Stunde des Siegers“ („Chariots of Fire“) sowie gehören u.a. die Filmmusiken zu „Blade Runner“; „1492 – Die Eroberung des Paradieses“ und „Die Bounty“. Am letzten Dienstag, 17. Mai 2022 ist er in Paris verstorben. Natürlich möchte ich an diesen begnadeten Künstler musikalisch erinnern. Meine mit viel Trauer umwehte Lieblings-Erinnerungsmusik ist deshalb jetzt: „1492: Conquest of Paradise“:
Wünsche eine liebevolle Woche.
HERZlich: PÖNI PÖnack
email: kontakt@poenack.de