OF FATHERS AND SONS – DIE KINDER DES KALIFATS

„OF FATHERS AND SONS – DIE KINDER DES KALIFATS“ von Talal Derki (D/USA/Syrien/Libanon/NL/Katar 2014-2016; K: Kahtan Hassoun; M: Karim Sebastian Elias; 99 Minuten; Original mit deutschen Untertiteln; deutscher Kino-Start: 21.03.2019); wenn wir „es“ in den Nachrichten hören, in der „Tagesschau“ kurz sehen, können wir es „aufnehmen“, aber sicherlich nicht vertiefend begreifen. Durch bzw. über diesen „ausführlichen“ Dokumentarfilm ist ein thematisches Näherkommen möglich. Und wichtig. Erschütternd wie spannend. Stichwort: Die authentische Tief-(Ein-)Sicht in das Dasein von Islam-Kriegern. Fanatischen islamistischen Fundamentalisten. Vor ihrem (Wohn-)Ort. Motto Wie ticken DIE?

„Of Fathers And Sons – DIE KINDER DES KALIFATS“ lief auf über 100 Festivals, wurde vielfach ausgezeichnet und war „Oscar“-nominiert.

Sein Name: Talal Derki. Er wurde am 24. Juli 1977 in Damaskus geboren. Studierte Film-Regie in Athen und machte dort auch seinen Abschluss. Seit 2014 lebt er in Berlin. In seinem abendfüllenden Dokumentarfilm erzählt er vom Alltag einer Großfamilie im salafistischen Norden Syriens, in der Provinz Idlib. Diese Region wurde von einem Ableger von al-Quaida kontrolliert. Talal Derki kehrte – gemeinsam mit seinem Kameramann Kahtan Hassoun – mit falscher Identität als Kriegs-Fotograf und Sympathisant hierher, in sein Heimatland. Und wollte im Detail ergründen, was die Menschen hier bewegt, den mörderischen Glaubenskrieg als unbedingten, irdischen Dauerzustand herbei-zu-sehnen. „Of Fathers And Sons – Die Kinder des Kalifats“ wurde zwischen Sommer 2014 und September 2016 gedreht. Während dieser Zeit verbrachten die beiden Filmemacher mehr als 300 Tage mit der einheimischen Familie Abu Osama. Bestehend aus 2 Ehefrauen und zwölf Kindern. Vorwiegend Jungs. „Sie wussten nichts über mich. Ich habe alle Informationen zurückgehalten, es gab keine Fotos von mir beim Alkohol trinken oder mit Mädchen. Und es gab ja auch noch keine Artikel von mir über den Dschihad. Ich gab außerdem einige Interviews im Arabischen Radio und in Fernsehprogrammen, die die Opposition unterstützten. Die Kämpfer dachten, ich würde sie unterstützen…“ (Talal Derki, zitiert im Presseheft).

Koranstudium anstatt Mathematikunterricht. Kampftraining anstatt Fußballtraining. Militärische Disziplin anstatt jugendlicher Rebellion. Dies ist der Alltag für Ayman (12) und Osama (13), der wie ein junger Lino Ventura ausschaut. Die beiden Brüder wachsen in der Familie Abu Osama auf, dem al-Nusra-Rebellenführer-hier, dessen größter Traum die Errichtung eines „fairen“ Kalifats ist, eine islamische Gesellschaft unter den Gesetzen der Scharia. Ayman und Osama, auf die sich viele Filmblicke richten, sollen baldmöglichst zu furchtlosen islamischen Gotteskrieger erzogen werden. Deshalb werden sie unbarmherzig gedrillt. Motto: das heilige Töten des Feindes. So jedenfalls will es ihr Vater, so ist ihr Alltag ein- bzw. ausgerichtet. Kind-Sein in unserem herkömmlichen Sinne ist hier unmöglich. Die extremen und aggressiven Großfantasien der Erwachsenen lassen ihnen keinen Spiel-Raum. Kinder werden als Menschenmaterial für den Jihad gezeugt, betrachtet, weggegeben: „Für jeden Toten kommen 1000 neue Kinder nach“.

Regisseur Talal Derki lässt die Gefühle und Zustände hinter den Handlungen und langatmigen, selbstgefälligen Erläuterungen des Vaters spürbar werden. Er ermöglicht intime Einblicke in eine für uns abgeschottete, ambivalente Welt und lässt zugleich ahnen, welchen hohen Preis vor allem die Kinder hier, an diesem Bürgerkriegsort, bezahlen müssen. Im Berliner Monatsmagazin „Indiekino Berlin“/Ausgabe März 2019 lese ich gerade: „Am Ende verliert sich Osamas Geschichte im Krieg. Im Wedding wäre dieser Junge mit den markanten Zügen vielleicht Fußballer geworden“.

Oder: Französischer Filmschauspieler (= 4 PÖNIs).

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