NIGHTWATCH (1995)

PÖNIs: (4/5)

Am 2. Februar 1995 lief hierzulande der dänische Thriller „NIGHTWATCH“ von Ole Bornedal in den Kinos an. Und war eine sagenhafte Überraschung. Ich habe damals – unter anderem – die Live-FRÜHKRITIK für „DeutschlandRadio Berlin/Ortszeit“ mit diesem Film verfasst. Weil gerade, in dieser Woche (am 16.05.2024), das Remake von „Nightwatch“ in die deutschen Lichtspielhäuser gekommen ist, liefer ich hierfür die komplette „Oldie-Kritik“ nach:

Gelungener SCHOCKER. Titel = „NIGHTWATCH – NACHTWACHE“ von Ole Bornedal (B + R; Dänemark 1994; K: Dan Lausten; M: Joakim Holbek; 107 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.02.1995). Es gibt doch immer wieder Überraschungen. Feine Überraschungen. Wenngleich das Wort ‚fein“ im Zusammenhang mit dem heutigen Film etwas unpassend ist. Aber der Reihe nach. Zunächst einmal: Was fällt uns alles zum Filmland DÄNEMARK ein? Richtig: Nicht sehr viel. Ein paar ulkige Sex-Klamotten in den 1960-ern, dann die komischen Abenteuer der am Stummfilm orientierten Olsen-Bande. „Babettes Fest“ von Gabriel Axel war Ende der 1980-erein kulinarisches Außenseiter-Werk. Und Lars von Trier sorgte mit seinen Filmen „The Element Of Crime“ und „Europa“ für einiges Aufsehen. Ansonsten? … warenI Kino und Dänemark kein Thema. Bis heute. Heute läuft in den bundesdeutschen Kinos ein dänischer Thriller an. „Nattevagten“ lautet der Originaltitel, bei uns wird er mit dem Titel „NIGHTWATCH – NACHTWACHE“ verkauft. „Nightwatch – Nachtwache“ wurde im Vorjahr beim Filmfest in Cannes entdeckt und war auf dem 1994-er Fantasy-Filmfest hierzulande ein Hit. In Dänemark haben ihn bis heute über 500.000 Besucher gesehen – ein Zehntel der dänischen Bevölkerung. Der Regisseur und Autor heißt OLE BORNEDAL. Er ist 35 Jahre jung und traut sich was. Nachdem er Anfang der 1980-er Jahre vergeblich versuchte, an der Dänischen Filmhochschule unterzukommen und danach auch als Lyriker scheiterte, fand er seine Berufung … beim Radio. Über 50 Reportagen und Hörspiele produzierte er dort. Danach wandte er sich Comedy- und Fernsehshows zu und wurde Leiter der Drama-Abteilung beim dänischen Fernsehen.

Dann machte sich der Hitchcock- und Polanski-Fan an seine erste Filmarbeit. „NIGHTWATCH – NACHTWACHE“ spielt dort, wo es eigentlich kaum Trabbel und Trubel geben sollte: Im Leichenschauhaus. Dorthin hat es den Studenten Martin (NIKOLAJ COSTER WALDAU) verschlagen. Ein leichter Job, ruhig verdientes Geld, denkt er. Doch schon sein Vorgänger, ein älterer Herr, macht so seltsame Andeutungen. Über merkwürdige Vorkommnisse von einst. Da war mal was … vor Jahren .. mit dem Leichen … und überhaupt: Diese rote Lampe darf und wird niemals aufleuchten. Und wenn doch, würde das bedeuten, die Leichen leben plötzlich wieder. Und das gibt es im realen Leben natürlich nicht. Was es aber sehr wohl im realen Leben gibt, ist – seit einiger Zeit – ein unbekannter Serienmörder. Doch an DEN verschwenden Martin und sein etwas überkandidelter Freund Jens (KIM BODINA) keinen Gedanken. Sie schließen vielmehr obskure Wetten ab. Weil ihnen „das normale Leben“ zu langweilig ist, sollen Action und Abwechslung das alltägliche Motto sein. Wenn sie geahnt, gewusst hätten, was sie damit anrichten …

Inspektor Wormer (ULF PILGAARD) taucht auf. Er muss die Leichen des Serienmörders abliefern und kümmert sich dabei auch noch gleich-„rührend“ um Martin. Der nun überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommt. Immer wieder geraten ihm die Ereignisse außer Kontrolle. Und dann passieren auch noch unerklärliche Vorfälle, die plötzlich IHN verdächtig erscheinen lassen. Und dann leuchtet auch noch die rote Lampe auf …..

„NIGHTWATCH – NACHTWACHE“: Ein komischer, ein böser, ein rabenschwarzer Film. Ole Bornedal spielt mit den Erwartungen der Betrachter und führt diese immer wieder genüsslich aufs Glatteis. Nichts ist vorhersehbar. Außerdem lässt er einen geradezu ausgeprägten Hang zu makaberen Scherzen erkennen und wird dann gegen Ende richtig gemein-gruselig. Die bei uns unbekannten Schauspieler spielen unbekümmert drauf-los. Sind alles andere als glatte Charaktere und schon gar keine Identifikationsfiguren.

Ein richtig schöner, überraschender Thriller. Für den Debütanten Ole Bornedal könnte er zum Sprungbrett für eine internationale Karriere werden. Hollywood hat schon angeklopft, hat bereits sich die REchte für ein Remake gesichert. Doch Bornedal hat abgewunken. Er bleibt zunächst Zuhause und bereitet ein zweites Spielfilmprojekt vor. Ein Drama über die Freundschaft eines Trauma-Opfers und eines Junkies. Es trägt den einfachen und umfassendsten Titel der Welt: „Das Gute und das Böse“. Man darf gespannt sein.

„Nightwatch – Nachtwache“ jedenfalls hat viel Neugier und Interesse auf DAS NEUE DÄNISCHE Spannungskino geweckt (= 4 PÖNIs).

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