„MORE THAN HONEY“ von Markus Imhoof (Co-B, Co-Pr + R, Schweiz/D/Ö 2009-2012; Co-B + Regie 2. Unit: Kerstin Hoppenhaus, K: Jörg Jeshel, Mikro-K: Attila Boa; Betreuung der Bienen: “Bienenflüsterer” Peter Hopfgartner; Sprecher: Robert Hunger-Bühler; 95 Minuten; Start D: 08.11.2012); ein Drittel von allem, was wir essen, gäbe es nicht ohne Bienen, verlautet es eingangs. Das thematische Motto für diesen außergewöhnlichen Dokumentarfilm. Der nicht schulmeisterlich belegen, erklären will, sondern besonnen. Wie faszinierend. Und vor allem – plausibel. Der renommierte, heute 72jährige Schweizer Filmemacher, der in Berlin lebt und Mitglied der dortigen „Akademie der Künste“, der „Deutschen Filmakademie“, der „Europäischen Filmakademie“ sowie der „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“ ist, wurde „überregional“ mit seinen Spielfilmen „Das Boot ist voll“ („Oscar“-Nominierung 1981), „Die Reise“ (1986) sowie „Flammen im Paradies“ (1997) bekannt. Hier nun folgt der Enkel einer Schweizer Imkerfamilie seinem Großvater: „Blumen können nicht einfach über die Wiese laufen und sich umarmen, eben deshalb gebe es die Bienen“, begegnet den besorgniserregenden Spuren des mächtigen weltweiten Bienensterbens sowie einem ALBERT EINSTEIN zugesprochenem Satz: „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus“.
„Für diesen Film sind wir viermal um die Erde geflogen“: Mit ruhiger Präzision und spektakulären, faszinierenden Mikro-Aufnahmen, die das menschliche Auge nie SO NAH erfassen kann, die hier aber dem Betrachter direkte, „intime“ Einblicke in die perfektionierten sozialen wie „beruflichen“ Abläufe und Geschehnisse von Bienen-Gemeinschaften vermitteln, nähert sich das Team um Markus Imhoof beharrlich wie spannend seinem Anliegen. Und porträtiert zugleich diejenigen, die am meisten vom Dasein der Biene profitieren: die Menschen. Während ein Schweizer Berg-Imker das Sterben seiner Bienen mit traditionellen Mitteln (und persönlicher Trauer) abzuwehren versucht, ist die Apokalypse in China längst Realität: Weil dort einst Mao Tse-tung Spatzen ausrotten ließ, angeblich würden sie Menschen das Getreide wegfressen, entstanden über die Jahre immense Schädlingsplagen, wogegen mit „massiver Chemie“ vorgegangen wurde. Die Schädlinge starben, aber die Bienen auch. Heute wird dort mit Apfelpollen gehandelt, und mit diesen werden dann die Blüten von Menschenhand mit großen Wattestäbchen bestäubt. In den USA sind „Bienen“ für Großimker wie John Miller ein gigantisches Geschäft. Für ihn ist das Summen der Bienen der „Sound of Money“: „Wir sind Kapitalisten, wir wollen Wachstum, totale Weltherrschaft“. Deshalb werden massenweise Bienen per Post oder per Truck in viele Regionen gebracht, damit sie dort für den Menschen gewinnbringend „arbeiten“. Die Folgen: Riesige Verluste und die Feststellung: In ganz Nordamerika und China, inzwischen aber auch in Europa kann heute keine Honigbiene mehr ohne Medikamente leben.
Imhoofs Film erweist sich, je tiefer und welt-weiter er in sein Thema eintaucht, als modernes Lehrstück über den zerstörerischen menschlichen Umgang mit der Natur. Die Diagnose ist verheerend: Naturprodukte sollen, müssen „umfangreich“ dem Menschen zur Verfügung stehen, gleichzeitig aber tut der Mensch inzwischen alles, um dies zu erschweren. Die Biene steht im Zentrum dieses Widerspruchs, denn keinem anderen Tier wird heute so rigoros Quantität und Qualität abverlangt. „Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation, sie sterben am Menschen. Der aus Wildbienen gefügige Haustiere gemacht hat“. Und wenn tatsächlich irgendwann, vielleicht bald die letzte Biene ausgerottet sein sollte, stehen schon „Nachfolger“ aberwitziger weise in Gegenbewegungen parat: Auf einer Insel vor Australien werden gerade „resistente Bienen“ versuchsgezüchtet. Und auch aus Sao Paulo/Brasilien kommt „frohe Kunde“: Dort entkamen aus Laboren die sog. „Afrikanischen Bienen“. Die sich inzwischen viel vermehrt haben und „widerstandsfähiger“ zu sein scheinen als jede herkömmliche Naturbiene. Folglich gab man ihnen den Namen und Ruf „Killer-Bienen“. In den USA herrscht deshalb natürlich, wie vor allen „Einwanderern“, die Angst. Um diese unerwünschten Eindringlinge. Gleichzeitig ist man aber auch andererseits bemüht, wenn sie denn schon mal da sind, sie „vernünftig“ zu domestizieren. Ihre besonderen „wilden“ Fähigkeiten ökologisch nutzbar, benutzbar zu machen. Sich auf ihre „speziellen Fähigkeiten“ einzulassen. Sozusagen – WIR für sie, wir MIT ihnen, nicht sie NUR für uns. Umgekehrt. Ausschließlich. Wie bisher.
Also: Typisch Multi-Kulti – bald auch in der Bienen-Kultur? Damit „die Kette“ hält: Zwischen Natur = Tier und menschlicher Existenz???
Was für ein hochinteressantes, informatives, spannendes Abenteuer-Dokument. Ohne Belehrungsgeruch. Man braucht weder Bienen-Interessent noch Tieraktivist zu sein, um hieran seine hervorragende helle Info-Freude zu haben. So viel Vielfalt, Detail, visuelle Pracht und spannende Hypnose: Eine großartige tierisch-filmische Bestandsaufnahme. Um eine bedeutende Natur-Spezies. Ohne Geifer-Wut, sondern mit viel kluger, unterhaltsamer Kompetenz.
Als wunderbares Bee-Movie! (= 4 PÖNIs).