MEDITERRANEO

Es ist jedes Jahr dasselbe. Ein paar Filme, die es sich leisten können, mit großem Werbe-Etat marktschreierisch an die Öffentlichkeit zu gehen, sind im Gespräch. Andere Filme, kleinere, die nicht so bombastisch tönen wollen oder können, haben dagegen Mühe, einigermaßen mitzuhalten und ans Publikum zu kommen. Dabei gibt es gerade bei denen oft die eine oder andere ebenso unterhaltsame wie cineastische Entdeckung zu machen. Neuestes Beispiel: Der italienische Film
MEDITERRANEO“ von Gabriele Salvatores (It 1991; 96 Minuten; Start D: 06.08.1992), der im Frühjahr in Los Angeles den“OSCAR“ als „BESTER  fremdsprachiger Film“ bekam.

“Mediterraneo“, das klingt nach einem schönen Urlaubsfilm, doch das ist er nicht. Obwohl er auf einer abgelegenen griechischen Insel spielt, geht es den 8 Männern, die 1941 dort landen, beileibe nicht um Ferien. Es ist Krieg, und sie haben den Auftrag, diese Insel im Ägäischen Meer im Namen von Mussolini und dem Faschismus zu besetzen. Man ist gut ausgerüstet, alles scheint klar, nur: Ein Feind ist nicht auszumachen. Man ist anscheinend ganz alleine auf der Insel. Und dann gibt es auch andauernd interne Streitereien und Spannungen, weil jeder für sich eine andere Auslegung von ‚Krieg‘ hat. Man zerklopft das eigene Funkgerät, und als am nächsten Morgen das Schiff zerstört ist, liegen sie nun ganz fest auf dieser…doch nicht verlassenen Insel. Kinder, Frauen und ein paar Alte leben hier, während die Jungen von den Deutschen verschleppt wurden. Gelähmt von der Hitze und dem trägen Lebensrhythmus auf diesem Paradies verwischen sich in der Folgezeit so langsam Auftrag und Absicht. Man kommt sich menschlich näher und beginnt, jeder nach seiner Façon, ein gemeinsames Leben. Irgendwann taucht “die Welt-draußen“ wieder auf, aber nur um mitzuteilen, dass der Krieg jetzt vorbei ist. Und die Männer müssen sich entscheiden: Nach Italien zurück oder hier weiterleben…

Der deutsche Regisseur Werner Herzog hat 1967 ein ähnliches Thema mit seinem Werk “Lebenszeichen“ verfilmt. Dominierte damals jedoch die intellektuelle Spurensuche nach der eigenen Soldaten-Identität, so geht der 40-jährige neapolitanische Regisseur Gabriel Salvatores in “Mediterraneo“ mehr emotional vor. Ihm geht es vorrangig nicht um die verbissene Anklage und Attacke gegen die Sinnlosigkeit von Krieg im Allgemeinen, sondern vielmehr darum, diesen in seiner schlimmen Absurdität bloßzustellen. Salvatores entwickelt eine Art “Volksstück“ um Werte wie: Gefühl, Humanität, menschliches Miteinander. “Mediterraneo“ erinnert manchmal an “Alexis Zorbas“, den griechischen Klassiker, in dem Anthony Quinn als sympathisch-ungestümer Arbeiter einen britischen Schriftsteller an die eigene Identität zurückführte. Ähnlich hier Stichwort Typen-Originalität und doch angesichts der täglichen Schreckensbilder aus unserer Welt auch hintergründig und nachdenklich stimmend. Wir haben, so heißt es hier, n o c h eine schöne Welt. Und auf ihr in Frieden zu leben, sollte allemal wichtiger und richtiger sein als Zerstörung, Hass und Tod.

“Mediterraneo“: Eine bitter-süße Komödie und Parabel über den Wunsch einer Generation, einer Gesellschaft den Rücken zu kehren, von der sie sich verraten und verkauft fühlt. Insoweit ist also “Mediterraneo“ auch ein sehr aktueller Film. Leider (= 4 PÖNIs).

 

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