MARQUIS DE SADE

MARQUIS DE SADE“ von Roland Topor und Henri Xhonneux (B+R; Belgien/Fr 1989; 83 Minuten; Start D: 1990)

Frankreich im 18.Jahrhundert. Marquis de Sade sitzt im Gefängnis. Er ist wegen besonders schwerer Ausschweifungen und seiner Veröffentlichungen angeklagt. Im Film ist der Marquis gebildet, sensibel und ein Hund. Die Regisseure Topor und Xhonneux haben ihren Figuren Tiermasken aufgesetzt. Dadurch wird von Anfang an klar: Dieser Film ist Utopie! – Marquis, der arme Hund, erfindet erotische Geschichten im Gefängnis und führt philosophische Gespräche mit seinem
Geschlechtsteil Colin.

Die Welt, in der der Marquis lebt, ist dekadent und ohne Moral. Da ist z.B. der Geistliche Dom Pompero. Er ist ein echtes Kamel, das in Wirklichkeit an niemanden und nichts glaubt. Oder Ambert, der Gefängniswärter. Eine dreckige, linkische Ratte. Er kauft sich mit Leckereien wie Langusten körperliche Liebe von den Gefangenen Der Marquis ist bereit auf Amberts Liebesangebot einzugehen, um einem Zellennachbarn bei seiner Flucht zu helfen. Aber da spielt Colin nicht mit. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Die Regisseure Roland Topor und Henri Xhonneux sind große Verehrer des Marquis de Sade. Für sie ist der Marquis ein großer Philosoph und Kämpfer für die persönliche und sexuelle Freiheit. Roland Topor, der die Figuren entworfen hat, vergleicht sich in einem Interview mit Marquis de Sade:
“Ich habe festgestellt, dass die Leute sehr oft meine Zeichnungen und mich durcheinanderbringen Es gibt immer wieder Leute, die sagen: “Also dieser Topor, das muss ein Monster sein! Um sich sonntags zu vergnügen, erwürgt der sicher zwei Katzen!“ Sie bringen alles durcheinander. Vielleicht interessiert mich gerade deshalb de Sade“.

Im Film ist Marquis de Sade deshalb ein Mann, den man zu Unrecht mit dem identifiziert, was er schreibt. Die Regisseure versuchen außerdem in ihrem Film der Frage auf den Grund zu gehen: Befiehlt der Kopf dem Geschlechtsteil oder umgekehrt? Die Dialoge zwischen Marquis und seinem Schwanz Colin machen deutlich: Marquis, der Verstand ist würdevoll, überlegen und bevorzugt die platonische Liebe. Colin dagegen lebt für den Moment und ist bereit, sich für jede Frau aufzugeben. Die beiden sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Logische Folge: Am Ende des Filmes trennen sie sich voneinander.

“Marquis de Sade“ ist ein sehr ungewöhnlicher und sinneberauschender Film. Es gibt viel zu sehen, z.B. die phantastischen beweglichen Masken, die an Karikaturen erinnern oder die Trickfilmpassagen, die die Träume des Marquis darstellen. Die Dialoge sind witzig und bilderreich, oft spiegelt ein Satz eine ganze Lebenshaltung. Der Film ist anregend ohne voyeuristisch zu sein.
“Marquis de Sade“ ist voller Scharfsinn, Ironie, Witz und Anzüglichkeiten.

Ein Film, den man mehrmals sehen muss (= 4 PÖNIs).

 

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