Man muss sich das einmal vorstellen, da haben wir einen deutschen Film aus dem Jahr 1996, der mit bislang insgesamt 20 (!) internationalen Festival-Preisen der weltweit am häufigsten ausgezeichnete Film ist. Der in diesem Jahr in Hollywood sogar für den “Golden Globe“ nominiert war und den hierzulande fast niemand kennt. Sein Titel: „Lea“ von Ivan Fíla (B+R; D/Tschechien 1996; 100 Minuten; Video-Veröffentlichung: 02.10.1998). Es ist der Debüt-Spielfilm des 40.jährigen Prager Autoren-Regisseurs, der seit 1977 in der Bundesrepublik lebt und hier lange Zeit als Dokumentarist arbeitete. Als ein Jahr nach Entstehen sich endlich ein Tübinger Kleinverleiher bereitfand, seinen Film “Lea“ doch noch in die Kinos zu bringen, blieb er dort – trotz glänzender Kritiken – fast gänzlich unbeachtet. Jetzt kommt diese Co-Produktion, die ihre Welturaufführung vor 2 Jahren auf dem Festival von Venedig hatte, bei uns auf Video heraus, und es bleibt zu hoffen, dass sie wenigstens hier die gebührende Beachtung findet. “Lea“ erzählt die Leidensgeschichte einer jungen Slowakin. Sie verweigert durch traumatische Kindheitserlebnisse – der alkoholisierte Vater erschlug vor ihren Augen die geliebte Mutter – die Sprache. Ein Mann taucht auf. Er ist wohlhabend wie grob und kalt. Der Restaurator aus dem Bayerischen Wald kauft Lea von den Stiefeltern ab. Sie geht zwangsläufig mit, zieht sich aber auch immer mehr zurück. Flüchtet in Tagträume und findet in der eigenen Poesie wenigstens etwas Erfüllung. Erst reagiert der Mann wie gehabt störrisch, böse, gefühllos. Doch dann entdeckt der ehemalige Söldner, der seine erste Frau während der Hochzeitsreise bei einem Autounfall verlor, nach und nach Geistes- und Seelenverwandtschaft zu seiner neuen Ehefrau. Beide Sonderlinge kommen sich langsam näher. Der Film “Lea“ ist ein bitteres und ein melodramatisches Gleichnis: Über die Werte und Gefühle in einer zwischenmenschlich-hartherzig gewordenen Zeit und Welt. Dabei spekuliert er natürlich nicht auf ein simples Happy-End, sondern versteht sich als poetischer, gefühlvoller Gedanken-Vermittler. “Lea“ lebt in allererster Linie von der Haupt- und Titeldarstellerin LENKA VLASÁKOVÁ. Die 25-jährige Pragerin muss man einmal mit und in dieser Rolle gesehen und erlebt haben: Es ist ein Ereignis von Gefühl, Kraft und Würde! Mit ihrem Trauer-schreienden Blick und mit ihrer unglaublich dichten, eindringlichen und sehr berührenden Körper-Sprache überzeugt sie mit jeder stummen Geste/mit jeder Bewegung. Ihr Partner Christian Redl als Holzklotz mit spätem Herz hält vorzüglich mit ihr mit. Dazu: Die beeindruckenden Bilder des “Kolya“ – Kameramannes Vladimir Smutny und ihre metaphernreichen Sprache und Stimmung. Kurzum: Der Film “Lea“ ist ein kleiner Gigant, der sich dem Zeitgeist und modischen Avancen spannend, sinnlich und nachdenklich widersetzt und zum humanen wie cineastischen Erlebnis wird (= 4 1/2 PÖNIs). Anbieter Video: “Arthaus/Kinowelt Home Entertainment“. |
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