KARLA

PÖNIs: (5/5)

100 PROZENT. Titel = „KARLA“ von Christina Tournatzés (D 2022/2023; B: Yvonne Görlach; K: Florian Emmerich; M: Alexander Rubin; 105 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.10.2025).      —– Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. —–     „KARLA“ feierte am 29. Juni 2025 auf dem Filmfest München im Wettbewerb NEUES DEUTSCHES KINO Premiere. Dabei wurde Christina Tournatzés für die Beste Regie und Yvonne Görlach für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass die Regisseurin sich an das Unsagbare gewagt habe. Außerdem gelinge es ihr, „bemerkenswerte Sensibilität und ausgeprägtes erzählerisches Gespür, klare Worte und gefühlvolle Bilder zu finden – und dem dunkelsten Abgrund Mut und Menschlichkeit entgegenzusetzen“. 

Und ich ergänze, dass ich außerordentlich angetan, sehr berührt und emotional enorm mitgenommen, sprich betroffen bin von der einfühlsamen Leistung der jungen darstellerischen Debütantin ELISE KRIEPS (als Karla). Deren stille Kraft und unerschütterliche Präsenz berührt tief. Ist ungemein wirkungsvoll.

Sowie, es gilt auch volle Aufmerksamkeit den beiden großartigen erwachsenen Akteuren RAINER BOCK (als Richter Lamy) und IMOGEN KOGGE (als Frau Steinberg). Mir ist es ein Anliegen, dies umgehend und sofort an die Kritikspitze zu setzen. Soviel Mitnahmekraft lässt einen bewegt durchatmen. Ständig.

Dieser Film zählt zu den besten, die sich in diesem Jahr im Kino präsentieren. Ihn zur tiefen Kenntnis zu nehmen, gilt vom ersten Leinwand-Moment an. Weil er, wie gesagt, einen sofort ein-, sprich mit-nimmt.

Und weil er sogleich verstört. Wir sehen ein junges Mädchen, die 12jährige Karla, wie sie über eine Wiese wegrennt. Wegrennt?: Vor wem? Und wohin? Warum?

Die 12jährige benötigt Hilfe. Vermag aber auf dem Polizeirevier, wohin sie sich begibt, nur wenig auszusagen. Besteht darauf, von einem Richter vernommen zu werden.

Hier die Sprache als quälenden Aufklärungsrhythmus zu begreifen, schmerzt. Permanent. Deutlich. Ist aber wichtig. Bedeutsam.

 

Die 12jährige Karla wächst 1962 in der Bundesrepublik Deutschland in einem Umfeld auf, das von Schweigen und Verdrängung geprägt ist. Sie wurde jahrelang von ihrem Vater sexuell missbraucht, woraufhin sie jetzt zur Polizei geht und Anzeige erstattet. Der Ermittlungsrichter Lamy ist bemüht, ihren Fall mit unkonventionellen Mitteln zu führen. Entschlossen, mühselig, findet Karla ihre eigene Stimme  – und setzt damit eine Veränderung in Gang, die weitreichender ist, als sie zunächst ahnt.

Nein, von Gefühlsduselei ist hier nichts zu finden. Hier dominiert vielmehr entsetzte, begleitende, aufwühlende, fassungslose EMPATHIE. Diese Geschichte würde man gerne als „erfunden“, also als „Kino-like“, bezeichnen, abhaken, wohlwissend, dass dies nicht geht. Nicht gelingt. Nicht gelingen kann. Weil die Geschehnisse gefüllt sind von tiefer Trauer, grausamer Wut, mit ekelhaften Zuständen. Ohne Kitsch und Pomp. Mit klaren, so fürchterlichen Fakten. Deren Bilder unaufdringlich aufhellen. Nachhaltig wirken.

„KARLA“ ist ein kraftvolles, sensibles Werk über Zivilcourage, Selbstermächtigung – und das Recht, (an-)gehört zu werden. Ein Kinofilm, der wehtut. Wehtuen muss und darf (= 5 PÖNIs).

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