„JUST THE WIND“ von Bence Fliegauf (B+R; Ungarn/D/Fr 2011; K: Zoltán Lovasi; M: B. Fliegauf, Tamás Beke; im Original mit deutschen Untertiteln; 87 Minuten; Start D: 18.07.2013); ich weiß, wir sind müde. Nach Feierabend. Wollen die verbleibende Tages- bzw. Abendzeit lieber „nicht so anstrengend“ verbringen. Mit „was Leichtem“. Am besten. Und liebsten. Doch nun kommt DIESER FILM. Der alles andere ist als „locker“. DER RICHTIG, also Kopf-GUT weh tut. Der „die Birne“ mächtig malträtiert. Erheblich herausfordert. Und auch noch: DEN man nicht danach einfach abhakt. Vergessen kann. Um zur nächsten Tagesordnung überzugehen. Ganz im Gegenteil: „Csak a szél“, übersetzt „Nur der Wind“, der jetzt in den deutschen Kinos unter dem englischen Titel „Just The Wind“ läuft, haut gedanklich so zu, dass die innere Wut, der fassungslose Zorn, „danach“ immens ist. Er lief im Wettbewerb der 62. Berlinale im Februar 2012 und „entging“ nur knapp dem Hauptpreis, dem „Goldenen Bären“. DEN er absolut verdient gehabt hätte. Stattdessen gab es den „Silbernen Bären“. Als „Großer Preis der Jury“. Im September 2012 wurde der Film dann offizieller Kandidat Ungarns für den diesjährigen Auslands-„Oscar“.
Menschen werden drangsaliert. Menschen werden gehasst. Menschen werden verfolgt. Weil sie anderen Menschen nicht „passen“. Menschen werden gedemütigt. Menschen werden diskriminiert. Menschen werden gejagt. Und getötet. Hier: Weil sie ROMA sind. Und in Ungarn leben. Wo Faschisten und Rassisten Jagd auf sie machen. Bei nächtlichen Überfällen wurden bisher vier Familien umgebracht. „Just The Wind“ spielt an einem Tag im Leben einer Roma-Familie. Vom Tagesanbruch bis zur Nacht. Es ist ihr letzter Tag, die fünfte Roma-Familie wird bald eliminiert. Werden. „Just The Wind“ ist kein Stück fiktives Kino, sondern wurde von tatsächlichen Vorkommnissen inspiriert. Der Vorspann schon verweist auf Schreckliches hin: Zwischen 2008 und 2009 kam es in Ungarn zu gewalttätigen Übergriffen auf Roma. 16 Häuser wurden mit Molotowcocktails attackiert, 63 Schüsse wurden aus Schrotflinten abgegeben, sechs Menschen starben. Hinrichtungen. Wurden praktiziert. Offensichtlich von „Nachbarn“.
Mutter, Tochter, Sohn. Der Großvater. Der Vater befindet sich in Kanada, will seine Sippe nachholen, sobald genügend Geld verdient wurde. Es ist erbärmlich eng. In der Hütte. Man pellt sich ´raus. Die Mutter zur (Doppel-)Arbeit, das Mädchen zur Schule. Der Junge streunt herum. Friedlicher Wald, friedlich scheinende Sonne. Dennoch ist DA diese permanente Unruhe. Dieser bedrückende Zustand von bedrückender Anspannung. Von permanenter Angst. Dennoch „passiert“ nichts. Zwei Polizisten unterhalten sich. Am Tage vorher ist eine Roma-Familie ermordet worden. Es war die falsche, sagt der eine Polizist wie selbstverständlich, denn die waren ja „anständig“, sauber, „hatten sogar ein Bad“. Der Tag vergeht weiter. Indem man die Menschen Mari, Anna und Rió sowie den Großvater näher kennenlernt. In der Bewegung. Über ihre Gesichter. Die ständig „schuldvoll“ „nach unten“ gerichtet sind. Von wegen – der ständig misstrauischen Seele. Bei der Arbeit, in der Schule, im betäubenden Suff des kaputten Großvaters, im Wald. An einem kleinen See. In der Moment-Ruhe. Wieder Zuhause. In der Nacht passiert es. Sie kommen und vernichten. Einfach so. Einfach. So.
Empörung? Zu harmlos. Schreien? Wohin? Aufbegehren? Wie? Wut ablassen? Wo? Das Denken fiebert. Fassungslos. Kein Happy End(e) möglich. Diese verdammte Realität.
Dieses Es-ist-doch-nur-ein-Film-Beruhigen ist hier nicht möglich. Weil den Verstand ausschalten = geht auch nicht. Nichts geht und gelingt hier außer: Zuschauen. Zuhören. Zu empfinden. Mitzuempfinden. Aufzupassen. Dass WIR nicht dermaßen verrohen. Mögen. Sehen wir uns den Film an. Und erinnern wir uns an ihn. Oft. Öfters. Das kann erschütternd gut sein. Und tun (= 4 ½ PÖNIs).