Es bedeutet inzwischen keine filmische Neuigkeit mehr, ist aber dennoch immer wieder hinweisenswert: Der internationale DOKUMENTARFILM hat längst sein trockenes Nischendasein verlassen. Findet sich, siehe zum Beispiel bei Michael Moore, in den Kino-Charts sowie in den Gewinnerlisten beim „Oscar“ („Bowling for Columbine“/2003) und bei der „Goldene Palme“ von Cannes („Fahrenheit 9/11“, 2004) wieder. Ein weiterer dokumentarischer Spitzenfilm aus den USA hat es bedauerlicherweise nicht in unsere Lichtspielhäuser geschafft, hatte kürzlich deutsche Uraufführung „per Scheibe“. Dabei lief er im Vorjahr im offiziellen Programm bei den Filmfestspielen von Cannes und bekam in diesem Frühjahr (2011) den „Oscar“ als „Bester Dokumentarfilm“. Titel:
„INSIDE JOB“ von Charles H. Ferguson (Co-B+R; USA 2009/2010; Co-B + Schnitt: Chad Beck, Adam Bolt; 104 Minuten; Original mit Untertiteln; Kommentator: MATT DAMON; DVD-Veröffentlichung: 5.5.2011).
„Die Weltwirtschaftskrise von 2008 hat Millionen von Menschen ihre Ersparnisse, ihre Arbeitsplätze und ihr Zuhause gekostet. Und so kam es dazu“, heißt es eingangs im Film des Politik-Wissenschaftlers, Software-Unternehmers, Schriftstellers und Filmemachers CHARLES H. FERGUSON. Der schon bei seinem ersten US-Dokumentarfilm „kritische Flagge“ zeigte: „No End In Sight“ beschrieb 2007 die politischen Fehlentscheidungen der Bush-Administration in puncto Irak und wurde mehrfach preisgekrönt: Neben einer „Oscar“-Nominierung erhielt der Regisseur u.a. den „Preis der Filmkritiker“ von Los Angeles und den „Spezialpreis der Jury“ auf dem „Sundance Festival“. Hier nun befasst(e) er sich ausführlich wie komplex mit den vielen Fehlentwicklungen, die zur amerikanischen wie weltweiten Finanzkrise ab 2007 führten. Und da „Fehlentwicklungen“ keineswegs „automatisch“ daherkommen, sondern von Menschen und ihren Entscheidungen herbeigeführt wurden wie werden, werden neben den vielen zerstörerischen Auswirkungen vor allem auch DIE genauer und detailliert vorgestellt, DIE diese ausgelöst haben: Manager, Nadelstreifen-Großpersonal, oberste Entscheider in Wirtschaft UND Politik.
„Wikipedia“ = Die Finanzkrise begann im Frühjahr 2007 als US-Immobilienkrise. Sie war Folge eines spekulativ aufgeblähten Wirtschaftswachstums und einer weltweiten kreditfinanzierten Massenspekulation. Äußerte sich weltweit zunächst in Verlusten und Insolvenzen bei Unternehmen der Finanzbranche. Ihren vorläufigen Höhepunkt hatte die Krise im Zusammenbruch der amerikanischen Großbank ‚Lehman Brothers‘ im September 2008. Mehrere Staaten mussten große Finanzdienstleister (wie AIG, UBS und die Commerzbank) durch staatliche Fremd- und Eigenkapitalspritzen unterstützen, um sie nicht auch in die Insolvenz treiben zu lassen. Die Krise übertrug sich in der Folge in Produktionssenkungen und Unternehmenszusammenbrüchen auf die Realwirtschaft. Viele Unternehmen, wie der Autohersteller General Motors, meldeten Konkurs an und entließen Mitarbeiter. Die ohnehin hohe Verschuldung vieler Staaten stieg krisenbedingt stark an. Mehrere Länder der Eurozone konnten ihre Zahlungsfähigkeit nur durch internationale Hilfskredite aufrechterhalten (Euro-Krise 2010). Im April 2009 schätzte der Internationale Währungsfonds (IWF) die weltweiten Wertpapierverluste infolge der Finanzkrise auf vier Billionen US-Dollar = „Wikipedia“.
„Inside Job“ liefert die Fakten in 5 Kapiteln: Wie es dazu kam. Die Spekulationsblase (2001-2007). Die Krise. Verantwortlichkeit. Wo wir jetzt stehen.
Blickt zuallererst auf Island. Motto: Die Finanzwelt kam an die Macht und zerstörte das Land. Mehr oder weniger. Vereinfacht gesagt – durch die einst us-politisch gewollte Aufhebung der Regulierung, also der Kontrollen der Banken konnten DIE beginnen, sich als „die eigentliche Macht“ auf dem Planeten breitzumachen. Erst dort, dann nebenan, natürlich vor allem im US-Zuhause, dann global. Um sich profitabel „auszutoben“. Um Geld als „Massenvernichtungswaffen“ herzustellen, zu propagieren, anzubieten, einzusetzen. „DIE FINANZINDUSTRIE HAT DER GESELLSCHAFT DEN RÜCKEN ZUGEKEHRT“, bilanziert hier der prominente Star-Kommentator Matt Damon. Ein ums andere Mal. Hat unser politisches System verdorben. Hat die Weltwirtschaft in eine Krise gestürzt, in eine Krise stürzen lassen. „Mit enormen Kosten haben wir die Katastrophe verhindert und rappeln uns wieder auf. Aber die Männer (= im Bild) und die Institutionen, die die Krise verursacht haben, sind immer noch an der Macht“.
Haben sich, mitunter, an ihr noch – stark – bereichert/bereichern können.
„Und das muss sich ändern. Sie werden uns erzählen, dass wir sie brauchen und dass das, was sie tun, zu kompliziert für uns zu verstehen ist. Sie werden uns erzählen, dass es nie wieder passieren wird. Sie werden Milliarden ausgeben, um gegen die Reform anzukämpfen. ES WIRD NICHT EINFACH WERDEN (= Freiheitsstatue im Bild). ABER EINIGE DINGE SIND DAS KÄMPFEN WERT!“
„Inside Job“ ist spannend, aufregend wie ein Thriller. Ist ein REAL-THRILLER. Präzise recherchiert. Erklärt. Mit vielen Details, Hintergrundinformationen, Klarsichtgedanken. Und stellt die – vor allem – Männer vor, die daran mitgewirkt haben, die für die Krise verantwortlich sind. Politisch, ökonomisch, moralisch. Bzw. umgekehrt. Lässt sich von denen Zusammenhänge aus ihrer Sicht erklären. Wenn sie denn für „Stellungnahmen“ zu erreichen/bereit waren. Viele waren aber auch zu feige, sich den kritischen Fragen zu stellen. Duckten sich lieber ab. Um sich nicht „zu verbrennen“. Denn es geht ja weiter. Auch mit Vielen von Ihnen. Dem ewigen gleichen Fachpersonal.
Lakonisch reihen Charles H. Ferguson & sein Team Fakten an Fakten. Bemühen sich, die Verbindungen, Fehlhaltungen, Zusammenhänge dieser „Verbrechen“ zu beschreiben, zu analysieren. Zu erklären. Dabei wird eine unglaubliche und in demokratischen Gemeinwesen eigentlich nicht für möglich/denkbar gehaltene kriminelle Energie von ungeheurem Ausmaß sichtbar. Spürbar. Erfahrbar. Und zwar „durch die Bank“. Von GANZ OBEN bis hinunter zu den vielen Mitläufern. Mitverdienern. Mitspekulanten. Sich Mitbereichernden. Eine „Symphonie des Schreckens“, nennt Fritz Göttler in seiner DVD-Rezension in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 23. Mai 2011 diesen vorzüglichen Wut-Film. Über diese verantwortungslose Chef-Blage und ihre fassungslose ewige Gier. Denn, das Fazit von Kapitel 4 ist ernüchternd: „Keiner der im Film Befragten zeigt sich bereit, Verantwortung zu übernehmen“. Und am Ende von Kapitel 5 („Wo wir jetzt stehen“) heißt es abschließend ernüchternd: „Am Beginn der nächsten Krise. Denn an den wirtschaftspolitischen Schalthebeln der Macht in den USA, in Barack Obamas Administration, sitzen – wieder – genau jene, die die letzte Krise verursacht und zu verantworten haben“.
Ein DVD-Film wie „INSIDE JOB“ ist ein Muss für jeden denkenden, fühlenden, handelnden und betroffenen Menschen dieser Tage. Also für Uns-Alle! „Inside Job“ fördert die zunehmende Empörung. Und zerstört die – auch geistige – Gleichgültigkeit. Aufgabe. Resignation. Ist ein toller Mutmacher-Film! Herausragend.
= 5 PÖNIs plus. = (hätte es beim Kinostart gegeben)
Anbieter: „Sony Pictures Home Entertainment“