„GENUG GESAGT“ von Nicole Holofcener (B + R; USA 2012; K: Xavier Pérez Grobet; M: Marcelo Zarvos; 93 Minuten); ihr Stiefvater war der Produzent Charles H. Joffe (1929 – 2008), der viele Filme von Woody Allen produzierte („Der Stadtneurotiker“, „Manhattan“; „The Purple Rose of Cairo“), und so „trieb“ sich Nicole Holofcener in ihrer Jugendzeit viel am Set herum, wo die Meisterwerke des New Yorker Genies entstanden. Bei dessen „Eine Sommernachts-Sexkomödie“, war sie 1982 als Produktionsassistentin dabei, und für „Hannah und ihre Schwestern“, 1986, nahm sie Schnittaufgaben wahr. Nicole Holofcener hat in New York Film studiert und abgeschlossen, danach bei einigen TV-Serien (wie „Sex and the City“ und „Gilmore Girls“) Regie geführt und Fernsehfilme gedreht. Seit 1996 ist sie im Kinogeschäft und schuf – stets als Drehbuchautorin UND Regisseurin – die Spielfilme „Walking and Talking“ (Debüt), „Lovely & Amazing“ (2001) sowie – zuletzt – „Freunde mit Geld“ (2006) und „Please Give“ (2010).
Mit „Enough Said“ (Originaltitel) hat sie nun ein wunderbar trockenhumoriges Independent-Meisterwerk hergestellt, das sich ihren Vorbildern Woody Allen oder Robert Altman pointiert nähert. Dabei im Blick- und Mittelpunkt – ein „komisches“ Paar. In den nicht mehr ganz jungen Jahren. Also um die Ende vierzig. Eva (JULIA LOUIS-DREYFUS), schlank und sportlich, ist als therapeutische Masseurin unterwegs und gerade dabei, den Wegzug ihrer Tochter aufs College zu verkraften. Die geschiedene, alleinerziehende Mutter händelt ihr Leben mit viel guter Energie. Albert, ein korpulenter Charme-Bolzen und Archivar beim Fernsehen (JAMES GANDOLFINI), nimmt den ebenfalls bevorstehenden „Abgang“ seiner flügge gewordenen Tochter eher locker. Man begegnet sich auf einer Party und es ist keineswegs ´Liebe auf den ersten Blick´. Doch ihre Vitalität und seine warmherzige, offene Authentizität passen einfach verblüffend spaßig zueinander als dass man dies verstreichen lassen darf. Also kabbelt man sich mit Bemerkungen über Blasen an den Füßen oder mit Informationen über Amalgamfüllungen im Gebiss vergnügt zusammen. Zumal Albert mit seiner lebenslockeren Selbstironie ihre Beziehungsbedenken schnell verwischt. Eine alterskluge Zweisamkeit geht an den verheißungsvollen Start. Wäre da nicht Marianne (köstlich introvertiert: CATHERINE KEENER). Eine offensichtlich reiche Lifestyle-Poetin, die in ihrem feudalen Eigenheim schon mal erwähnt, davon schwärmt, dass sie täglich mit Joni Mitchell telefoniert. Und überhaupt (sehr) viel plappert, wenn Eva sie als neue Kundin/Patientin und dann enge Freundin besucht. Zum Beispiel über ihren ekligen Ex-Ehemann, einem übergewichtigen Tölpel „mit Paddel-Händen“, der unglaublich nervende Marotten pflegte. Klar, es handelt sich eindeutig um Albert. Was Eva aber für sich behält und „so“ immer mehr über ihren Neuen erfährt. Nicht gerade Gutes, versteht sich. Das originelle und reichlich emotionale Kuddelmuddel nimmt seinen aberwitzigen Verlauf. Übrigens auch Drumherum, bei den weiteren Beteiligten (u.a. mit der einmal mehr herrlichen TONI COLLETTE). Einschließlich der doch eigentlich so abnabelungswilligen Töchter.
Eine hübsche Geschichte, in der die unangestrengte Genauigkeit alltäglicher Schwächen von gestandenen Leuten imponiert. Hier läuft eine funktionierende, also ebenso temperamentvolle wie schmissige wie amüsant-leise Screwball-Komödie ab. Geadelt durch beschwingte Worteskapaden mit Woody Allen-Eloquenz und durch zwei pikobello passende, großartige Hauptdarsteller. JULIA LOUIS-DREYFUS, die einst in der berühmt-berüchtigten „Saturday Night Live“-TV-Show anfing, mit der Figur der Elaine Benes in der TV-Serie „Seinfeld“ populär wurde und derzeit mit der HBO-Serie „Veep – Die Vizepräsidentin“ wieder zu bewundern ist, Gewinnerin von vier „Emmy Awards“, den Fernseh-„Oscars“, und einem „Golden Globe Award“, glänzt hier als herrlich „unordentlicher“, liebenswert- neurotischer weiblicher Clown. Zum Umarmen wie zum Anranzen vortrefflich geeignet. ER aber ist die eigentliche Überraschung JAMES GANDOLFINI, der ewige Mafiosi (durch den TV-Serien-Hit „Die Sopranos“) und brutaler Angstverbreiter (zuletzt neben Brad Pitt in einem überragenden Viertelstunden-Auftritt als psychopathischer Killer in „Killing Them Softly“). ER, der am 19. Juni 2013 in Rom während eines Kurzurlaubs im Alter von 51 Jahren an einem Herzinfarkt starb und in seiner letzten Leinwand-Rolle als nun Charmeur vom Dienst brillant glänzt. Mit besonnener Blick-Körpersprache und sensiblem Timing. Was für ein Potenzial, was für ein Juwel von riesigem Menschen-Darsteller. Offenbart James Gandolfini. Noch einmal große Anteilnahme, Begeisterung und staunendes Vergnügen. Gandolfini zeigt sich berührend locker, erstaunlich wie vortrefflich ruhig, ist überwältigend als kantiger, reifer Gefühlskomödiant. Beide sind ganz zweifellos DAS PAAR DES KINO-JAHRGANGS 2013.
„Genug gesagt“ ist eine wunderschöne Beziehungskomödie. Ein menschelnder Spaß, der so RICHTIG gut tut (= 4 ½ PÖNIs).