Ganz weit hinten Kritik

GANZ WEIT HINTENvon Jim Rash + Nat Faxon (B + R; USA 2012; K: John Bailey; M: Rob Simonsen; 104 Minuten; Start D: 05.12.2013); ACHTUNG: AUFPASSEN! Beziehungsweise: NICHT VERPASSEN! Dies hier ist, gegen Ende des Jahres 2013, wieder so ein „Sleeper“-Movie = Ein unscheinbar daherkommender US-Streifen, der weder vom deutschen Titel (oder Original: „The Way Way Back“) noch von „seinem Geruch“ etwas Tolles vorab sagt. Vermittelt. Okay, wir kennen Steve Carell, Toni Colette, Sam Rockwell, aber ganz „abheben“ lassen DIE doch vorab eher nicht. Oder? (Ironische Einblicke in die Vorurteile eines Kritiker-Konsumenten.) Dass der Film marketingmäßig eher „lau“ daherströmt, hebt dagegen das Interesse. Schließlich ist immer noch dieser hinreißende Independent-Hit „Little Miss Sunshine“ – zum Beispiel – von 2006 in bester Erinnerung: „Ganz weit hinten“ wurde für auch nur 5 Millionen Budget-Dollar hergestellt. Und diese Regie-Debütanten? Sind auch nicht „ohne“ Ausrufungszeichen!:

JIM RASH, 43, und NAT FAXON, 38, bekamen im Vorjahr den „Oscar“ als Co-Autoren für das „Beste adaptierte Drehbuch“ zum Alexander Payne-Film (Regie + Co-Autor) „The Descendants“ (mit George Clooney). Beide sind seit Jahren in Hollywood als Schauspieler, Drehbuch-Autoren und Produzenten unterwegs und haben sich jetzt an ihren ersten eigenen Regie-Film getraut. Als „The Way Way Back“ seine Uraufführung beim diesjährigen „Sundance-Festival“ hatte, gab es Standing Ovations. Dies JETZT zur Kenntnis nehmend, bekommt „Ganz weit hinten“ einen völlig anderen „Anlauf“ als vorher. Kenntnisloser. Und in der Tat sei es vorab noch einmal betont: Soviel Klasse-Lächeln war schon lange nicht mehr im „kleinen Kino“. „Ganz weit hinten“ ist „ganz weit vorne“ ein Film zum Sehr-Mögen.

Was richten Erwachsene an, wenn sie ihre Kinder er- oder aufziehen? Besser – was können Erwachsene alles falsch anrichten, wenn sie ihren Nachwuchs so „hängen“ lassen wie es gerade mit dem 14jährigen Duncan (LIAM JAMES) geschieht? Schon die Eingangsszene irritiert bildlich. Man befindet sich auf dem Familien-Trip in die Ferien. Richtung Meer. In einem großen Auto darf Duncan ganz hinten, neben dem Gepäck, sitzen und auch nach hinten rausschauen. Im Rücken: Die Anderen. Seine Mutter Pam (TONI COLLETTE), deren neuer Freund Trent (STEVE CARELL) sowie dessen hochnäsige Pubertätstochter Steph (Zoe Levin). Duncan wird absichtlich gedemütigt. Wenn Trent ihn fragt, wie er sich denn auf einer Skala von eins bis zehn einordnen würde? Vielleicht eine sechs, antwortet der schüchterne Boy zögernd und wird sofort höhnisch abgestraft: „Für mich bist du höchstens eine drei“, urteilt der mögliche kommende Schwiegervater herablassend. Während Duncans Mutter schläft. Was soll das? Wie und wieso geht der Alte „so“ mit dem offensichtlich empfindsamen Jungen um? Was, einen kleinen Jux will er sich machen? Von wegen: Trent ist einer jener arroganten Erwachsenen-Scheißer, die Jungs in Duncans Alter „so“ für behandelbar halten. Von wegen „Macht-Spielchen“. Zeigen. Offenbaren. Wer der wahre Herr im (Familien-)Hause ist. Dass sich daraus keine Sympathie oder gar Zuneigung entwickeln kann, ist doch (wohl) klar. Verständlich. Dermaßen angepisst sucht sich Duncan am Ferienort „andere Abwechslung“, als mit „solch einem Kotzbrocken“ mit- ´rumzuhängen. Zumal sich auch die anderen Erwachsenen am Ort wie „bekloppt“ benehmen.

Sie heucheln hysterisch herum, lächeln künstlich, saufen sich die Hucke voll, strampeln tüchtig ihr übersteigertes Ego heraus. Blöde Witze, Joints und andauernd Alkohol, so sieht deren ständiges Vergnügen von Urlaub aus. Nichts für Duncan. DER landet zufällig in einem ganz und gar nicht modernen Vergnügungspark mit Namen „Water Wizz“ – tatsächlich – und findet dort Anklang. Bestätigung. Vorurteilslose Zuneigung. Wird dort überhaupt und gerne „zur Kenntnis genommen“. Zum Beispiel vom flippigen Bademeister Owen (ein sympathischer Clowndolli: SAM ROCKWELL), der die emotionalen Defizite des Jungen erkennt und reduziert. Duncan entwickelt langsames Selbstvertrauen. In sich und für den Rest der Welt. Was in der Familie natürlich zu noch mehr Konfrontationen führt. So dass sogar die lange Zeit unentschlossene Mutter konsequent eingreift.

Es ist seltsam schön. Da fungieren „ganz normale“ Menschen mit ihren „ziemlich unnormal- normalen“ Macken auf der Leinwand und man ist gebannt. Ob dieser menschlichen Anspannung. Zustände. Ohne lächerlichen Kleister im Gesicht und gesüßten Heldenposen, mit ganz gewöhnlichen Bewegungen. Der Spaß an diesem Film ist enorm, obwohl er alles andere als komisch ist. Sondern vielmehr angenehm. Unaufgeregt. Die unterhaltsame Anteilnahme ist enorm, weil das Darsteller-Ensemble in JEDEM Moment „identifizierbar“ wie glaubwürdig erscheint. Was dieses komödiantische Drama zu einem faszinierenden Erlebnisjuwel werden lässt. Es ist einfach urig, hier schmunzelnd mitzufiebern, weil man sich „in Personen“ erkennt. Und an diesen „Strampeleien“ des Duncan irgendwie mit- beteiligt ist. Auf welcher Seite, bei welchen Figuren auch immer. Will sagen – in „Ganz weit hinten“ empfindet und fühlt man sich gut „drin“. Das gute Erinnern danach wirkt jedenfalls erstaunlich lange. Auch über den sonst so (bisweilen lausig-) komischen Steve Carell („Der unglaubliche Burt Wonderstone“), der den kotzerischen Mut besitzt, mal einen arschigen Schwachmaten von Besserwisser-Dad vorzuführen. Ohne Übertreibung. Und deshalb so normal- gemein. Alle Achtung! Wie eingangs bereits annonciert: ANSEHEN. „Ganz weit hinten“ ist bestes US-Kino derzeit bei uns (= 4 PÖNIs).

 

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