DIE EISERNE LADY

DIE EISERNE LADY“ von Phyllida Lloyd (GB/Fr 2011; 104 Minuten; Start D: 01.03.2012); die am 17. Juni 1957 geborene britische Regisseurin war vor allem an der Oper und am (britischen) Theater „klassisch“ erfolgreich tätig und wurde dort mit ihrer „Hit“-Inszenierung des ABBA-Musicals „Mamma Mia!“ berühmt. 2008 übernahm sie auch die filmische Adaption des Musicals (mit Meryl Streep in der Hauptrolle), und diese war bis Jahresende der bis dato kommerziell erfolgreichste Kinofilm in Großbritannien. „Funktionierte“ dann auch weltweit und mutierte zu einem globalen Leinwand-Volltreffer. 2009 war der Film „Mamma Mia!“ dann auch die meistverkaufte DVD in England. Dies sollte man wissen, wenn man das zweite Leinwand-Werk dieser Regisseurin wertet. Das sich der früheren britischen Premiereministerin MARGARET THATCHER nähert.

„Maggie“ Thatcher: Am 13. Oktober 1925 in Grantham/Lincolnshire als Margaret Hilda Roberts geboren. Die Eltern betrieben einen Kleinkrämerladen. Der ebenso stolze wie selbstbewusst-konservative Vater prägte sie. Ihm „es recht“ zu machen, war die Vorlage für den Aufstieg. Chemie-Studium mit Stipendium in Oxford. Dreijährige Arbeit als Chemikerin, dabei Mitwirkung an der Erfindung des Softeises. Zugleich aktives Mitglied in der Konservativen Partei. 1951 Heirat mit Denis Thatcher, einem wohlhabenden Unternehmer. Studium der Rechtswissenschaft, Anwältin für Steuerrecht. Am 15.August 1953 Geburt der Zwillinge Carol und Mark. 1959 wurde sie als Kandidatin der Konservativen für den Wahlkreis Finchley, im Norden Londons, ins Unterhaus gewählt. Ab 1961 Parlamentssekretärin im Ministerium für Sozialversicherungen. 1970 Kultus- und Wissenschaftsministerin im Kabinett von Edward Heath.

DER verlor 1974 die Wahlen in England. 1975 gewann sie gegen IHN die Kampfabstimmung in der Partei und wurde zur Parteivorsitzenden gewählt. Ein Jahr darauf kam Mrs. Thatcher zu ihrem Spitznamen, als sie in einem Kommentar von „Radio Moskau“ zur „Iron Lady“ ernannt wurde, nachdem sie in einer Ansprache die „bolschewistische Sowjetunion“ scharf attackiert hatte. In der Parlamentswahl vom 3. Mai 1979 führte sie ihre Partei zum Sieg und war tags darauf (als Nachfolgerin von James Callaghan) die erste Premiereministerin in der Geschichte Großbritanniens. „Überstand“ drei Wahlen und dankte schließlich am 22.November 1990 „unter Druck“ ab. Als Regierungschefin wie auch als Parteivorsitzende.

Mitte 2008 wurde bekannt, dass Margaret Thatcher unter fortgeschrittener Demenz leidet. Ihre Tochter Carol thematisierte dies in einem Buch. Dort war zu lesen, dass ihre Mutter an schlechten Tagen bisweilen denke, immer noch die Landes-Chefin zu sein. Zudem befinde sie sich manchmal auch im Glauben, dass ihr 2003 verstorbener Ehemann Denis noch lebe.

London heute. Der Film beginnt mit einem Blick. Auf eine ältere Frau. Beim Milch-Einkauf im Laden. Die Frau bewegt sich etwas unsicher. Schlurft dann nach Hause. Wo „man“ entsetzt ist: Sie ist schon wieder ausgebüxt. Die ehemalige Premiereministerin. Hoch in den Achtzigern, zerbrechlich und sich erinnernd. Mit ihrem „lebendigen“ verstorbenen Ehemann. An die vielen ereignisreichen Lebensjahre. Aber es sind keine „politischen“, sondern mehr die menschlichen Erinnerungen. Marke: Eine Frau geht IHREN Weg. Setzt SICH durch. In dieser von Männern dominierten Ober-Welt. Schafft es in die Macht-Zentrale. Wird selbst „zur Mächtigen“. Bestimmenden. Leitenden. Zur Regentin. Wer vor allem eine „direkte Biographie“ erwartet, wird enttäuscht. Wer auf einen Polit-Film hofft, der die „harten Entscheidungen“ der „Maggie“ Thatcher beleuchtet, kommt auch nicht auf seine Denk-Kosten. Stattdessen „Häppchen“: Die Straßenschlachten aufgrund ihrer resoluten Sparpolitik; der „gewonnene“ Kampf mit den mächtigen Gewerkschaften; der siegreiche Falkland-Krieg. Und immer wieder ihre „heißen“ Verbal-Duelle mit der mächtigen Herren-Konkurrenz „dort oben“. Im Inner-Circle. Am Ende klammert sie, vermag nicht „loszulassen“ und wird gestürzt.

Episodenhaft argumentiert der Film. „Die Eiserne“: Heute, bedächtig, verwirrt, aber immer noch voller Eigensinn, damals, der ewige, aufreibende, engagierte Kampf in die Chefetage. Der Partei und der Regierung. Mit zwangsläufig vielen privaten Defiziten. Sowohl in der Ehe wie in der Kindererziehung. Mit Andeutungen an den Ehe-Frust ihres Gatten und vor allem an die Enttäuschungen ihrer „verlassenen“ Kinder. Viele interessante Schlaglichter, aber ohne „Fleisch“. Struktur. Folgen. Vom eigentlichen Charakter, von den tatsächlichen Visionen einer bärbeißigen Regierungslady, von den „richtigen“ oder „bösen“ Folgen ihrer „konsequenten“ Entscheidungen gibt es nur Anrisse. Aber kaum erkenntnisreiche oder gar tiefe Aussagen. Weder zum privaten „Innen“ noch zum politischen „Außen“. Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser mächtigen Polit-Gigantin ihrer Zeit und Epoche findet nicht statt. Dabei wurde „Maggie“ Thatcher ebenso geschätzt wie – von Links – regelrecht gehasst. Aufgrund der „monumentalen“ gesellschaftlichen Konsequenzen ihres Handelns. Ihrer „unpopulären“ Entscheidungen. In Großbritannien. Und für die Welt (die Deutsche Wiedervereinigung, die sie „so“ ablehnte, findet erst gar nicht statt). Die politische Bedeutung der Margaret Thatcher wird nicht erkundet. Stattdessen – oberflächliche Momentaufnahmen hasten durch ihr Leben. Motto: Eine spannende FRAU startet durch. Über viele Jahrzehnte. Fleißig, mutig, couragiert. Leidenschaftlich. Zäh. Besessen. Standhaft. „Ihr“ Land zu führen. Zu herrschen. Zu Be-Herrschen. Mit melancholischen „Flimmer-Schüben“. Es menschelt halt. Unverbindlich.

Aber – auch sehr atmosphärisch. Weil „technisch“ brillant: Mit Wochenschauclips, nostalgischen Motiven von einst und kalten Bildern vom Heute (Kamera: ELLIOTT DAVIS); in einer furiosen Montage „zwischen den Jahren“. Dazu: Das erstklassige Produktionsdesign von SIMON ELLIOTT („Eine zauberhafte Nanny“), diese schrecklich-schönen, gouvernantenhaften Kostüme von CONSOLATA BOYLE („Immer Drama um Tamara“) sowie der angenehm-auffällig „kommentierende“ Score von THOMAS NEWMAN („The Help“). Und mittendrin, immer SIE:

Die Königin. Der Schauspielkunst. Denn was diesen Zwitter von Film „rettet“ und adelt, heißt MERYL STREEP. Und wurde soeben mit ihrem 3. „Oscar“ für diese grandiose darstellerischen Präsenz und Leistung verdient belobigt. Geehrt. Umjubelt. Verdient gefeiert. Denn WIE diese 61jährige Ausnahme-Künstlerin wieder einmal in eine Rolle körperlich, also äußerlich (verdienter „Oscar“ auch für ihre Make Up-Spezis J. ROY HELLAND & MARK COULIER & MARESE LANGAN), und innerlich, also seelisch, schlüpft, ist verblüffend, phantastisch, unaufdringlich-toll, charismatisch. Meryl Streep spielt nicht, sie IST Margaret Thatcher. Bewegt sich in Mimik, Ton und Gestik absolut „deckungsgleich“. Mit diesem berühmten, arrogant gehauchten Thatcher-Ego-Gestus, ihrem Sprachduktus, diesem versnobt wirkenden Näseln. WIE Meryl Streep als Nr. One-Lady auftritt, mal als unerbittliche, mal als verwirrte Power-Frau, ist von sagenhafter Ausstrahlung. Von überragender, souveräner Charakter-Präsenz. Ist ergreifend, mitreißend, vehement laut wie leise, definitiv nachvollziehbar. Eine GANZ GROßE Leinwand-Performance. Viele Filme gibt es nicht, in denen eine Schauspielerin GANZ ALLEIN eine vermaledeite Inszenierung SO brillant dominiert. Führt. Lenkt. Leitet. Ganz „reich“ macht. Ganz ganz reich.

Während „Oscar“-Preisträger JIM BROADBENT („Iris“), dies sollte auch unbedingt erwähnt sein, als Denis Thatcher ihr ebenbürtiger Antwort-Partner ist. „Die eiserne Lady“ aber ist DAS Meryl-Streep-Kino-Ereignis (= 4 PÖNIs).

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