PÖNIs: (5/5)
„DIE VERLEGERIN“ von Steven Spielberg (Co-Produzent + R; USA 2017; B: Liz Hannah, Josh Singer; K: Janusz Kaminski; M: John Williams; 117 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.02.2018); das liberale Hollywood beginnt zu reagieren. Indem es eine wahre amerikanische Geschichte aus der 1970er-Epoche erzählt und die Gegenwart meint. Und attackiert. Also die derzeit laufende schlimme „Trump-Ära“. Am Schluss des Films ist der Beginn eines weiteren amerikanischen Polit-Erdbebens zu konstatieren: Der folgenreiche Einbruch im Watergate-Haus der Demokraten; an dessen Ermittlungsabschluss der unrühmliche Abgang von Präsident Nixon stehen wird. Wer will, sollte sich sozusagen auch die berühmte „Fortsetzung“ von „The Post“ (Originaltitel) anschauen, den Polit-Spannungs-Klassiker „Die Unbestechlichen“ von Alan J. Pakula aus dem Jahr 1976, mit Dustin Hoffman und Robert Redford als Reporter sowie Jason Robards als „Washington Post“-Chefredakteur Ben Bradlee.
Wir lernen spannende „Geschichts“-Menschen kennen. Wie Daniel Ellsberg (MATTHEW RHYS), den 1931 in Detroit geborenen loyalen Beamten im US-Verteidigungsministerium, den man heutzutage als einen „erstklassigen Whistleblower“ bezeichnen würde. Der diesbezüglich viele weltweite Aufmerksamkeit bekommen bzw. erreichen würde. Die Kurzversion: Sein Verteidigungsminister damals, Robert S. McNamara (BRUCE GREENWOOD), hat eine mehrere tausend Seiten umfassende Studie anfertigen lassen, aus der klar und deutlich hervorgeht, dass – obwohl immer mehr Soldaten nach Vietnam entsandt wurden – ein Sieg in diesem Konflikt unmöglich sei. Das jahrzehntelange Engagement der Vereinigten Staaten von Amerika in Vietnam wird mit dieser Studie ad absurdum geführt. Viele vorherige Präsidenten – wie auch die Demokraten Kennedy und Johnson – haben diesbezüglich das amerikanische Volk belogen und Soldaten weiterhin in den sicheren Kriegs-Tod geschickt, und der aktuelle Präsident Nixon tut dies auch gerade und ebenso umfangreich. Natürlich ist diese Studie – „United States – Vietnam Relations, 1945-1967: A Study Prepared by the Department of Defense“ – unverzüglich als „streng geheim“ klassifiziert worden und wird unter Verschluss gehalten. Daniel Ellsberg, der ebenso brillante Analytiker wie redlicher Bürger, ist der Meinung, dass diese Studie über einen Dauer-Krieg, der so viele Opfer forderte und weiterhin fordert, in die Öffentlichkeit gehört. Also schmuggelt er sie heraus aus dem amtlichen Giftschrank und stellt sie der „New York Times“ zur Verfügung. Diese renommierte landesweite Zeitung wird nach der ersten Veröffentlichung vom Weißen Haus umgehend verklagt, weitere Veröffentlichungen dieser so genannten „Pentagon Papiere“ unter Androhung hoher Strafen untersagt.
Die „Washington Post“ ist zu jener Zeit ein regionales Blatt. Angeführt von Katharine „Kay“ Graham (MERYL STREEP), die zwar seit dem Tod ihres Ehemannes an der Spitze des Verlags steht, doch von ihrer weitgehend männlichen Umgebung eher lächelnd-akzeptiert, denn ernst genommen wird. Ihre Zeitung steht kurz vor dem Börsengang, deshalb wird ihr mehr als einmal – sinngemäß – geraten: Qualität und Wirtschaftlichkeit sollten stets Hand in Hand gehen. Als die „Washington Post“ die „Pentagon Papers“ erreichen, stehen Kay Graham und ihr engagierter Chefredakteur Ben Bradlee (TOM HANKS) vor der verzwickten Entscheidung: veröffentlichen, ja oder nein. Bradlee besteht auf die in der Verfassung garantierte Pressefreiheit und will die Geheimpapiere sofort drucken lassen. Doch an dieser Meinungsstelle treten auch Anwälte, Ratgeber und Es-gut-meinende-„Freunde“ in den Diskussionsring. Pochen auf rechtliche wie vor allem finanzielle und auch politische Gründe, auf keinen Fall „etwas“ oder gar mehr zu veröffentlichen. Kay Graham, die mit den McNamaras befreundet ist und bislang als Chefin eher zögerlich-unsicher auftrat, hat eine, im wahrsten Sinne, schwerwiegende Entscheidung zu fällen. Nach ihrem Votum wird nichts mehr so sein wie vorher.
Eine Hymne. Auf die Bedeutung der Pressefreiheit. Die derzeit von Donald Trump mit Füßen getreten wie abscheulich verunglimpft wird. Von wegen: Fake-News. Seine Hass-Tiraden sind das politische Spannungs-Futter und die liberale Denk-Basis für Steven Spielberg und seinen, im vorigen Jahr innerhalb von nur neun Monaten hergestellten historischen Gegenwartsfilm. Der sich auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA von damals bezieht, wo es eingangs heißt: „Im ersten Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigen Staaten der Gründerväter wurde der freien Presse jener Schutz gewährt, den sie benötigt, um ihre essenzielle Aufgabe in unserer Demokratie wahrnehmen zu können. Die Presse soll den Regierten dienen, nicht den Regierenden… Nur eine freie, uneingeschränkte Presse ist in der Lage, Täuschungsmanöver der Regierung aufzudecken. Die Verantwortung der freien Presse besteht in erster Linie in der Pflicht, die Regierung davon abzuhalten, die Bürger zu täuschen und sie in ferne Länder zu schicken, wo sie durch Krankheiten oder feindliche Geschosse umkommen“.
Zudem: Ein formidables Emanzipations-Drama. Eine „eigentlich“ mächtige Frau der Siebziger-Kerle-Jahre wird solange abgekanzelt, bis sie sich ihrer Position wie ihrer Meinung wie ihrem Mut und vor allem: ihrer = Macht = bewusst wird. Und entsprechend handelt. Natürlich ist dafür die dreifache „Oscar“-Preisträgerin MERYL STREEP absolut „passend“; ihre 21. „Oscar“-Nominierung als Katharine Graham (*1917 – †2001) ist völlig berechtigt. Ihr Erstmals-Film-Partner, der zweifache „Oscar“-Star TOM HANKS („Philadelphia“; „Forrest Gump“), duelliert sich mit ihr argumentativ prächtig.
Sehr unterhaltsam, dabei politisch brisant, weil weltweit hochaktuell, auch hierzulande; macht viel Sinn und bereitet ein grandioses Denk-Vergnügen; „DIE VERLEGERIN“ ist der großartige Film zur rechten Zeit. Enthält: Must See-Bedeutung (= 5 PÖNIs).