DIE VERGESSLICHKEIT DER EICHHÖRNCHEN

PÖNIs: (3,5/5)

„DIE VERGESSLICHKEIT DER EICHHÖRNCHEN“ von Nadine Heinze und Marc Dietschreit (B + R; K: Holly Fink; M: Daniel Sus; Can Erdogan; 109 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.7.2021);


ERSTAUNLICH
LISTIG UNTERHALTEND. Titel = „DIE VERGESSLICHKEIT DER EICHHÖRNCHEN“. Von NADINE HEINZE und MARC DIETSCHREIT. D 2020; 109 Minuten. Lief im Januar 2021 auf dem Filmfestival Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken. Um Geld für ihre Familie daheim in der Ukraine zu verdienen, kommt Marija (EMILIA SCHÜLE) nach Deutschland. In seiner alten Villa soll sie sich rund um die Uhr um den an Demenz erkrankten Curt (GÜNTHER MARIA HALMER) kümmern. Landet aber im zwischenmenschlichen Minenfeld einer deutschen Familie, deren fragile Dynamik sie nun, weitgehend unfreiwillig, gehörig durcheinander bringt. Curts Tochter Almut (ANNA STIEBLICH), die in den letzten Jahren für ihn gesorgt hat, fühlt sich von ihrem Vater nicht genügend wertgeschätzt, ihr Kontrollwahn  hält sie aber davon ab loszulassen. Curt wiederum beginnt, Marija für seine früh verstorbene Frau Marianne zu halten, und wähnt sich zunehmend in längst vergangenen Zeiten. Marija ihrerseits lässt sich auf das skurrile Spiel ein und wird mehr und mehr zu Marianne. Zurückversetzt in das Lebensgefühl der 70er Jahre entwickelt der alte Herr eine ganz neue, ungeahnte Lebensfreude. Als dann auch noch Almuts Bruder Philipp (FABIAN HINRICHS) defizitär auftaucht, als profitgeiler, krankhaft-eifersüchtiger Porsche-Fahrer herum-tönt und sich der hübschen Marija nähert, beginnen die Dinge rasant wie komplett aus dem Ruder zu laufen. Das soziale Spannungsfeld bekommt mehr und mehr kriminalistische Züge.

Mit „Die Vergesslichkeit der Eichhörnchen“ haben Nadine Heinze und Marc Dietschreit ein empathisches Familiendrama mit reichlich hintergründigem, doppelbödigem Humor geschaffen. Nichts ist klar, nicht einmal die eigenen Vorurteile, und wer wie wer-war und wirklich ist, ist eben nicht auf den ersten Blick deutbar. Und wenn sich Wahrheiten offenbaren, die bislang nicht ausgesprochen wurden, wenn Brüche und Verletzungen zu Tage treten, die bislang unter der Oberfläche versteckt wurden, dann mischen sich nun – je nach Stimmungs- und Deutungslage – Trauer, Rührung und reichlich Wut. Mit formidabel piksenden Zwischentönen. Zudem: „Das Paar“ EMILIA SCHÜLE und GÜNTHER MARIA HALMER vermag stark zu punkten zwischen herber Schroffheit und liebenswürdig-subversivem Schalk. Endlich einmal ein deutscher Spielfilm, der interessant gut zu unterhalten weiß (= 3 1/2 PÖNIs).

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