PÖNIs: (2,5/5)
„DIE SCHÖNE UND DAS BIEST“ von Bill Condon (USA 2017; B: Stephen Chbosky, Evan Spiliotopoulos; M: Alan Menken; L: Howard Ashman, Tim Rice; K: Tobias A. Schliessler; 130 Minuten; deutscher Kino-Start: 16.03.2017).
ACHTUNG! Diese Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug bezieht sich auf die englische Originalversion.
Die 1991 erschienene, gleichnamige Zeichentrickverfilmung von Walt Disney gehört heute zu DEN Klassikern des Genres (s. Kino-KRITIK). Die zugehörigen Lieder wurden in den darauffolgenden Jahren sogar so erfolgreich, dass die 1994 folgende Musicalumsetzung nur eine logische Folge war. Wen wundert es da, dass ein dermaßen finanzorientiertes Produktionsstudio diese erfolgreiche Kuh 2017 nun (nach CINDERELLA, DSCHUNGELBUCH und MALEFICENT) auch noch als Realverfilmung melken möchte? Niemanden. Es wäre ja im Grunde auch nichts dagegen einzuwenden, wenn eine Neuinterpretationen des Altbewährten dabei eigene Wege gehen und nicht jede einzelne Szene des Originals nachäffen würde. Ständige Vergleiche beider Versionen würden somit ausbleiben.
Der grundlegende Inhalt hat sich jedoch nicht verändert. Belle (EMMA WATSON), eine fortschrittliche „Feministin“, ist gefangen im Kleinbürgertum ihres mittelalterlichen Dorfes. Dabei ist sie mit einer Schönheit gesegnet, die den selbstverliebten Platzhirsch Gaston (LUKE EVANS) auf den Hochzeitsplan ruft. Der emanzipierten jungen Dame reicht aber ein einfaches Hausfrauendasein natürlich nicht aus und so landet sie letztlich durch mehrere Schicksalsweisungen in einem verwunschenen Schloss. In diesem leben ein Hofstaat aus sprechenden Haushaltsgeräten sowie ein mürrisches Biest (DAN STEVENS). Einst egoistischer Hausherr und Prinz, der mitsamt seinen Dienern von einer Fee (quasi als Erziehungsmaßnahme) verflucht wurde. Er soll nun lernen, dass wahre Schönheit von innen kommt und Glück darin besteht, selbstlos zu lieben.
Eine Warnung vorweg: Es wird gesungen – und das pausenlos. Anstatt aber auf die bewährten Musicalsongs zurückzugreifen, werden zwei neue unnötige Lieder hinzugedichtet, die so banal sind, dass sie auch die gesangsunbegabten Hauptdarsteller singen können. Deren Stimmen schmettern demnach künstlich-flach und mechanisch-zurechtgerückt durch den Kinosaal. Ebenso kalt wie die gesamte Animation, die per se ja eigentliche „Dinge“ beleben soll. Sie tut hier aber ironischerweise genau das Gegenteil. Einst so lustige Figuren wie der Kerzenleuchter Lumière (EWAN MCGREGOR) wirken folglich nur noch emotional-tot beziehungsweise erschreckend-real-hart. Ohne komische Mimik und ohne warme Ausstrahlung, lassen sie das Schloss damit wenig familiär wirken. Dass in diesem Ambiente zwischen dem Biest und der Schönen keine echte Magie entstehen kann, ist logische Konsequenz.
EMMA WATSON, sonst eigentlich ganz niedlich, reicht als Belle in ihrer Ausstrahlung nicht im entferntesten an die Wärme und Zartheit ihrer gezeichneten Vorgängerin heran und DAN STEVENS als monströser Schlossbesitzer gleicht in seiner Erscheinung eher einem Mischwesen aus Ziege und Labrador, das sich sehr gezwungen durch seine herzlos inszenierten Nebenbei-Avancen hangelt. Die kindlichen Freudensprünge der Dienerschaft über die schüchternen Flirterfolge der beiden, die 1991 noch prägend waren für diese Charaktere, werden lieblos schachmatt gesetzt. Als dann noch DIE ikonische Liebesszene des Vorbildes in desaströsen Walzerversuchen und harten Neuklängen des Titelsongs endete, wollte die Disneyprinzessin in mir nur noch kotzen – Entschuldigung: sich übergeben. Auch EMMA THOMPSON kann diesen Moment übrigens nicht retten, wirkt das animierte Gesicht ihrer eigentlich so mütterlich-bemühten Teekanne Madame Pottine ebenso flach wie das Dekolleté der Schönen.
Mindestens genauso nervig sind die neu eingeschobenen Inhalte der Geschichte, welche den Figuren angeblich Tiefe verleihen sollen. Stattdessen zerstören sie diese in ihren einst so charmanten Grundzügen. Gaston (LUKE EVANS), eigentlich „nur“ arroganter (Schürzen-)Jäger und Testosterongockel des Dorfes, wird beispielsweise zum heldenhaften Kriegsveteran aufgepumpt und Paris bekommt eine Rolle, die so unnütz ist wie die Überlange des Filmes, die durch solche Bla-Bla-Ausschweifungen künstlich erzwungen wird. Ebenso anstrengend flimmert die hochtrabende Technik über die Leinwand. Anstelle von frivolen Servietten, die als Cancan-Tänzerinnen im Kult-Hit „Sei hier Gast“ damals das Bein schwangen, drehen sich nur noch gesichtslose Tücher durchs Bild und das neckische Hausmädchen Babette, wird zum Schwanen-Wischmopp verplumpt. Auch das eigentlich recht hochkarätige Ensemble und das prunkvolle Set-Design retten diesen Film letztlich leider nicht… und dabei wollte ich ihn wirklich mögen!
„Märchen schreibt die Zeit…“ 2017 gleicht DIE SCHÖNE UND DAS BIEST aber leider nur noch einer seichten Persiflage seines 1991 so bezaubernden Vorbildes! Dieser Film wird sicher sein Publikum finden, aber ich persönlich hoffe, dass viele Eltern ihren Kindern dennoch weiterhin das Original nahe bringen werden.
Leider geht das Leinwandschlachten der Zeichentrick-Ikonen auch in den nächsten Jahren weiter. Hoffen wir, dass es mit MULAN oder DUMBO (von TIM BURTON) besser wird (= 2 ½ „Carrie“-PÖNIs; … und liebe Disneystudios, lasst doch bitte die Hände von ARIELLE, ja?!).