DIE FLÜGEL DER MENSCHEN

PÖNIs: (4/5)

„DIE FLÜGEL DER MENSCHEN“ von Aktan Arym Kubat (Co-B + R; Kirgisistan/D/Fr/NL/Japan 2016; Co-B: Ernest Abdyjaparov; K: Khasan Kydyraliyev; M: Andre Matthias; 89 Minuten; deutscher Kino-Start: 28.12.2017); nachdem sich die großen Hollywood-Blockbuster in den Kinos festgesetzt haben („Star Wars 8“; „Jumanji 2“), können in der letzten Woche des Jahres 2017 filmische Entdeckungen am Kino-Rand mehr wahrgenommen werden. Wie dieses feine melancholische Filmstück aus einer Region, die selten einmal in den filmischen Blickpunkt rückt: KIRGISISTAN, oft auch Kirgistan oder Kirgisien genannt, der zentralasiatische Binnenstaat (mit rund 5,5 Millionen Einwohnern), der seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig ist. Der international bekannteste Filmemacher von dort ist der 1957 geborene AKTAN ARYM KUBAT, seit er 2010 mit seinem dritten Spielfilm „Der Dieb des Lichts“ viel renommierte Festival-Aufmerksamkeit und zahlreiche Auszeichnungen bekam (so nahm ihn das New Yorker „Museum of Modern Arts“ 2011 in sein Programm auf; außerdem war der Film offizieller Kandidat Kirgisistans für die Auslands-„Oscar“-Nominierungen 2011).

Sein neuer Film, Originaltitel „Centaur“ – im Frühjahr im Berlinale-„Panorama“ gelaufen und dort mit dem Preis des Internationalen Verbandes der Filmkunsttheater bedacht -, basiert auf einem heimatlichen Sprichwort: „Pferde sind die Flügel des Menschen“. Im Mittelpunkt steht der etwa 60-jährige Sohn eines Pferdehirten, der sich als Nachfahre des nomadischen Reitervolkes seines Landes sieht, den heimischen Traditionen verbunden fühlt und deshalb von den ländlichen Mitbewohnern Zentaur genannt wird: nach jenem Mischwesen aus Pferd und Mensch aus der antiken Mythologie. Früher hat Zentaur in seinem Bergdorf als Vorführer in einem Kino gearbeitet, seit das Kino von den Missionaren in eine Moschee umgewandelt wurde, arbeitet er auf dem Bau. Seine Familie besteht aus seiner russischstämmigen, taubstummen Ehefrau Maripa (ZAREMA ASANALIEVA) und ihrem gemeinsamen fünfjährigen Sohn Nuberdi. Nicht nur das Kino ist hier in Vergessenheit geraten, auch die alten Mythen sind für die meisten Dorfbewohner nichts als verlorene Erinnerungen. Zentaur sieht die rasanten modernen Entwicklungen in seiner Region und die damit einhergehenden Veränderungen mit Sorge. Die mythischen Verbindungen zur Natur und zu den Tieren, insbesondere zu den Pferden, will er nicht akzeptieren. Deshalb schleicht er nachts unbeobachtet in die Reitställe der reichen Oligarchen – die inzwischen die Ton- und Rechtslage bestimmen und mit den alten Sitten nichts am Hut haben – und klaut deren Edel-Pferde. Reitet sie im Schatten der Nacht zurück in die Wildnis. Natürlich kann das auf Dauer nicht gut-gehen, für Zentaur brechen schwierige Zeiten an.

Der Zentaur-Hauptdarsteller – der Regisseur selbst: AKTAN ARYM KUBAT – erinnert in seinem Äußeren, mit seinen langen wallenden Haaren, dem „freiheitsliebenden“ listigen Pokerface und seinem schlaksigen Gang, an einen Charles Bronson-Rebellen aus draufgängerischen Hollywood-Filmen der Siebziger. Zudem birgt er etwas von einem asiatischen Don Quijote in sich, tapfer gegen Windmühlen antretend, der dauerhafte, aber im Grunde vergebliche subversive Kampf gegen die zerstörerische Zivilisation-hier. Zudem, die kritische Sicht, sich gegen fundamentalistische Diktat- und Diktatur-Strömungen aufzulehnen, besitzt enorme Gedanken-Qualität. „Die Flügel der Menschen“, entstanden inmitten betörender kirgisischer Landschafts-Schönheit, -Wildheit und -Ursprünglichkeit, entspricht zwar nicht (mehr) unseren sonstigen „flotten“ Kino-Sehgewohnheiten, reizt aber gerade dadurch, sich „auf das Fremde“ einzulassen, grandios wirken zu lassen.

Aus der (gewiss-weiten) Ferne grüßen gedanklich wie rebellisch Sydney Pollack & Robert Redford mit ihrem ähnlichen angesiedelten Western-Drama-Klassiker „Der elektrische Reiter“ von 1979: Egal wie, es ist immer wieder lohnend – und filmisch spannend -, sich für gute Werte einzusetzen: Zentaur sei Dank (= 4 PÖNIs).

 

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