CHINA „kann“ durchaus auch HOLLYWOOD. Denken, Planen, Ausführen. Also gigantisches „Chinawood“-Kino herstellen. Vorletzter imposanter Beweis – Ende April 2011. Da tauchte hierzulande von dort ein pracht-voller Film-Knaller und –Knüller auf, der zwar für den Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig im Jahr davor gut genug war, aber hierzulande keine Chance für die KINO-Auswertung bekam. Obwohl dessen visuell gewaltige Bilder geradezu nach der riesigen Leinwand riefen. Erstmals lernten wir einen chinesischen Historien-Ermittler kennen, der gut in der Tradition von solch bekannten Experten wie Hercule Poirot oder Sherlock Holmes auftrat (ich weiß, obwohl DIE ja erst viel später „waren“): In„Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen“ von Tsui Hark.
Was es mit diesem speziellen asiatischen Detektiv auf sich hat, woher seine literarischen Wurzeln stammen und wer der Regisseur ist, der ihn so wuchtig filmisch adaptierte, dazu verweise ich auf meinen damaligen Heimkino-Kritiktext. Nun steht – endlich – die aufwändige Fortsetzung an. Halt: stimmt so nicht ganz. Denn der zweite Film-Spaß um Detective Dee ist ein Prequel. Das heißt, er führt die einstige Story nicht weiter, sondern erzählt von „vorher“. Aus jener Zeit, als der talentierte „Kriminalist“ jung war. Und als Denker und Lenker gerade erst anfängt, für das Reich der Tang-Dynastie erfolgreich tätig zu sein. War die Handlung im ersten Film im Jahr 689 vor Christus angesetzt, so blicken wir jetzt auf das Jahr 665:
„DETECTIVE DEE UND DER FLUCH DES SEEUNGEHEUERS“ von Tsui Hark (Co-B + R; China/Hongkong 2013; Co-B: Chang Chia-Lu; K: Choi Sung Fa; M: Kenji Kawai; 134 Minuten; deutsche Heimkino-Veröffentlichung: 22.05.2014).
Die Hauptstadt des Tang-Reiches ist Luoyang. Und dort ist der Teufel los. Der Kaiser und vor allem seine bärbeißige Gattin Wu Zetian (CARINA LAU/sie spielte schon im ersten „Detective Dee“-Movie die Kaiserin und erhielt für ihren Part den „Hong Kong Film Award“ als „Beste Darstellerin“) müssen erleben, wie fast ihre gesamte Flotte von einem unbekannten Feind zerstört wird. Die Gerüchte besagen, von einem Seeungeheuer. Zehn Tage gibt sie ihrem Hofermittler Yuchi Zhenjin (FENG SHAOFENG), um DAS aufzuklären. Und den oder die Schuldigen zu bestrafen. Sonst rollt sein Kopf. Über das kaiserliche Parkett. Zur selben Zeit taucht der junge Dee Renjie (MARK CHAO) hier auf. Entsandt von einem fernen Minister, um der in der Hauptstadt Überhand nehmenden Bürokratie und Korruption Einhalt zu gebieten. Natürlich ist Detektiv Dee alles andere als willkommen. Selbst das Minister-Papier schützt ihn nicht vor höfischen Attacken. Vorerst. Doch dann erweist sich seine Scharfsinnigkeit, seine Kombinationsgabe und sein analytischer Weitblick als wertvoll. Für die Ermittlungen in Sachen wahre Feinde, Ungeheuer-lichkeiten sowie ver- und zerstörenden, gemeinen Maskeraden.
Wobei eine geheimnisumwitterte wie schöne Kurtisane (ANGELABABY / so steht es bzw. sie tatsächlich im Nachspann) eine weitere wie begehrliche Rolle in diesem Taumel um Intrigen- und Machteskapaden spielt. Wo bisweilen die herkömmlichen Gut-Böse-Konstellationen ganz schön durcheinander geschüttelt werden. Und Detective Dee es mit bedrohlichen Käferparasiten ebenso zu tun bekommt wie mit gefährlichem Vogelzungen-Tee. Beharrliche Tee-Trinker können möglicherweise bei und letztlich mit diesem Film (ACHTUNG: Auch den NACHSPANN „genießen“…) ins Grübeln kommen.
Wer einen 3D-Player besitzt, kann noch mehr schwelgen als die 2D-er Zusehenden. Wenngleich auch schon FÜR DIE die Augenverwöhnung immens ist. Schon am Anfang, mit den Motiven der riesigen Flotten-Schiffe, wenn Unmengen von Holzplanken durch die Luft wirbeln; wenn die See im besten wahnsinnigsten Sinne „stänkert“, besser – tobt; wenn sich eine Spitzendynamik entwickelt, die eben nicht zum plumpen Selbstzweck verkommt, sondern als kraftvolles symbolisches Erzählinstrument begeistert. Schaut an, bersten diese Bilder, wie dieses autoritäre Gehabe und dieses traditionsbewusste Herrschaftsgebilde ins Wanken gerät. Wie die Allmächtigen keineswegs allmächtig sind. Und wie die doch von Götter gegebenen traditionellen System-Handhabungen plötzlich ausgehebelt werden. Wenn mächtige Feinde sich daranmachen, für neue Regel-Maßstäbe zu sorgen. Die stolze, harsche Kaiserin hat Glück, solch einen fähigen „Schnüffler“ wie Detective Dee zu den Ihren zählen zu können. Dabei hätte er allen Grund, auszusteigen. Denn wie DER lange Zeit „amtlich“ behandelt wird…
Mit-Drehbuch-Autor und Regisseur TSUI HARK, heute 63, ist ein Fan von zum Beispiel den Indiana Jones-Filmen von Steven Spielberg. Und eifert ihnen prächtig nach, ohne sie je auch nur annähernd zu kopieren. Was in seinem – historischen – Umfeld auch gar nicht möglich wäre. Viel lieber schafft er sein eigenes „Indy“-Refugium. Mit einem listig-unterkühlten „Diener-Polizisten“ in seiner bedingungslosen Helfer-Mentalität; mit diesen die Augen streichelnden und die Sinne betörenden pompösen Bauten, mit diesen sagenhaft ausgefeilten choreographischen Schwert- und Metallkämpfen; mit dieser phantastischen Artistik, die immer phänomenaler wird. Und mit einem prächtigen Trick-Bombardement, das seinesgleichen sucht. Marke: Wenn Fische fliegen, ein Pferd (mit Reiter) unter Wasser herumsaust, eine Art „Godzilla“-Monster abhebt. In einer selbstverständlichen Präzision, die überwältigt. Dazu diese farbenprächtigen Gewänder und Kostüme, die beredt ihre eigene faszinierende aristokratische Zeitsprache ausdrücken. „Nur um mich in den Kostümen zu sehen, lohnt sich bereits der Kauf des Tickets“, erklärt Carina Lau schmunzelnd im Bonus-Interview. Klar, denn sie trägt in jeder Szene ein anderes. Immer voluminöseres. Augenschmaus pur.
Natürlich, „Young Detective Dee – Rise of the Sea Dragon“, so der Originaltitel, spielt schelmisch – thematisch an „Die Schöne und das Biest“ wie auch an die tolle Ami-TV-Serie „Lie To Me“ (= wenn Augen-Blicke zu deuten sind) an. Versetzt sich dabei musikalisch in launig-bombastische John Williams-Stimmung, mit Vangelis-Touch und klotzt mit Ennio Morricone-ähnlichen Hymnen. Ist eine emotionale Thriller-Oper als überwältigende Fantasy-Orgie (keine Kinder-Angst: freigegeben ab 12 Jahren).
Dieser chinesische Märchen-Gig ist ein Hit. Leider, darf man sagen, „nur“ für das Kino Zuhause. „Detective Dee und der Fluch des Seeungeheuers“ wäre – ebenso wie sein Vorgängerfilm – auch auf der großen KINO-Leinwand ein starkes Unterhaltungserlebnis!!!!! (= 4 1/2 PÖNIs).
Anbieter: „Koch Media“