PÖNIs: (4/5)
„DER ZEUGE“ von und mit Bernd Michael Lade (B + R + HD; D 2021; K: Guntram Franke; M: Michael Kobs /auch Schnitt; 97 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.03.2023);BEDEUTSAM-SCHWIERIG. Titel = „DER ZEUGE“ von und mit BERND MICHAEL LADE (B + R + HD; D 2021; K: Guntram Franke; M: Michael Kobs/auch Schnitt; 97 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.03.2023). Bitte sitzenbleiben. Denn einfach macht es einem diese Dramaturgie nicht. Motiv: Das dialektisch erzähle Drama basiert auf realen Gerichtsprotokollen und stellt durch einen verblüffenden erzählerischen Kunstgriff die Frage nach Schuld und Unschuld im faschistischen Vernichtungsapparat des Nationalsozialismus ins Zentrum des Films. Der aufs Denken, Mitdenken, Mitfühlen und auf die unglaubliche, entsetzliche Wut und Trauer setzt und „so“ eine enorm-nachhallende Wirkung erreicht.
Deutschland, kurz nach dem 2. Weltkrieg. Der Veranstaltungsort ist karg und nüchtern. Unverkleidete, fensterlose Betonwände weisen auf einen großen Keller hin. Als jahrelanger Häftling der KZs Buchenwald, Lichtenburg, Esterwegen, Sachsenhausen und Flössenburg erlebte Carl Schrade (BERND MICHAEL LADE) die Gräueltaten der Nazis aus nächster Nähe. 1934 war er von den Nazis verhaftet worden; verbrachte als sogenannter Berufsverbrecher insgesamt elf Jahre in unterschiedlichen Lagern. Jetzt soll der ehemalige Juwelenhändler als Kronzeuge der Anklage vor einem Gericht aussagen, um seine Peiniger hinter Gitter zu bringen. Auf der Anklagebank sitzen SS-Männer, NSDAP-Funktionäre und Ilse Koch (LINA WENDEL), die Frau des berüchtigten KZ-Kommandanten Karl Koch. Die Liste ihrer menschenverachtenden Verbrechen ist lang, die Liste der Ausreden und Rechtfertigungen beinahe noch länger. An der Schuld besteht kaum ein Zweifel. Aber woher stammt Carl Schrades umfassendes Wissen über die Abläufe in der Lagerverwaltung und wie überlebte er mehr als zehn Jahre in den Lagern?
Die Bilder wechseln. Von Farbe zu Schwarz-Weiß. Je nachdem ob Carl Schrade oder die Täter sprechen. (Die Richter reden nicht; drücken ihre Sprache über ihre Gesichtsemotionen aus). Und – der Film ist zweisprachig. MARIA SIMON spielt die Gerichtsreporterin, die die Aussagen der Angeklagten übersetzt: „Hier ist euer Bestimmungsort in einem Deutschen Konzentrationslager. Ja, das ist die Rede, die ich da immer vorgelesen habe“. „Yes, this is the speech I was always reading out loud“ / „Ich war ein gehorsamer SS-Soldat. Wenn schon in Teufels Küche, dann nur als Koch“.
Als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller entwirft Bernd Michael Lade, geboren am 24. Dezember 1964 in Ost-Berlin und bekannt geworden als Dresdner „Tatort“-Kommissar Kain von 1992 bis 2007, ein spannendes Gedankenexperiment, basierend auf realen Gerichtsprotokollen, die zu dem Erinnerungsbericht von Carl Schrade führten, der 2015 in Deutschland erschien. In einer die Zuseher direkt ansprechenden Art offenbart der Film die Mechanismen, die zur systematischen Ausbeutung und schlussendlichen Vernichtung von Millionen Menschen in den Konzentrationslagern führten.
„Der Zeuge“ sollte auch zur ständigen Begleitung des schulischen Geschichtsunterricht gehören (= 4 PÖNIs).