DER MAURETANIER

PÖNIs: (5/5)

„DER MAURETANIER – (K)eine Frage der Gerechtigkeit“ von Kevin Macdonald (USA/GB 2019/2020; B: Michael Bronner, nach dem Guantanamo-Tagebuch von Mohamedou Ould Slahi; K: Alwin H. Küchler; M: Tom Hodge; 130 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.6.2021);

MUSS-FILM. Einführung: DIES IST EINE WAHRE GESCHICHTE. Thema: Wir leben frei. In Freiheit und Demokratie. Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ist das so. Soll das so sein. Sollte dies so sein. Herrschen. Doch die fürchterlichen Anschläge vom 11. September 2011 sorgten für undemokratische Rechtszustände. Stichworte: Verdächtige wurden ohne rechtlich fundierte Anklagen „behandelt“. Auf sich außerhalb der USA befindenden „amerikanischen“ militärischen Gefangenenlager. Wo hunderte Gefangene aus der ganzen Welt – wie in GUANTANAMO BAY auf Kuba – über Jahre ohne Anklage festgesetzt, verhört und gefoltert wurden. Um die Wahrheit über die zu ermitteln, die für diese entsetzlichen Angriffe vom 11.9.2011 verantwortlich waren. Sind. Davon handelt: „THE MAURITANIAN“.

Der am 28. Oktober 1967 im schottischen Glasgow geborene Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent ist der Enkel des ungarisch-britischen Drehbuchautors und Kult-Filmregisseurs Emeric Pressburger (1902-1988). Schuf die auch hierzulande vielbeachteten großartigen Filmwerke „Der letzte König von Schottland“ (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs) sowie „State of Play – Stand der Dinge“ (s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs). Sein aktuelles politisches Filmwerk lautet: Der Mauretanier – (K)Eine Frage der Gerechtigkeit“. 129 Minuten. Die USA, zwei Monate nach dem Terroranschlag auf das New Yorker World Trade Center, der als „9/11“ in die Geschichte einging. Die Stimmungslage ist hochgradig angespannt, die Nation sucht nach Schuldigen. Mit dem Mauretanier Mohamedou Ould Slahi (TAHAR RAHIM) scheint ein Drahtzieher gefunden zu sein. Er soll die Attentäter während seines Aufenthalts in Deutschland verpflichtet haben. Mehr Beweise als einen verdächtigen Anruf, den er erhalten hatte, braucht es nicht, um einen Menschen für 14 Jahre in Guantanamo Bay wegzusperren. Wo Mohamedou Ould Slahi mit brutalsten Methoden wochenlang verhört, gefoltert wird und gesteht. Und lebt dort weiterhin ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Währenddessen sich die US-Anwältin Nancy Hollander (JODIE FOSTER) und ihre Kollegin Teri Duncan (SHAILENE WOODLEY) in seinen Fall „einmischen“. Ohne selbst von der Unschuld des Häftlings mit der Nummer 760 überzeugt zu sein, übernehmen sie den Fall. Dabei müssen sie sich mit vielen Hindernissen befassen. Stapel von Aufzeichnungen durcharbeiten. Deren Lesbarkeit bzw. Deutbarkeit alleine sich als schwierig erweist – die Texte sind meistens geschwärzt. Gegenspieler ist der US-Staatsanwalt Stuart Couch (BENEDICT CUMBERBATCH), von dem erwartet wird, Indizien zu liefern, die Slahi weiter belasten. Aber schon bald wird deutlich – es gibt keine. Im Gegenteil: Die schonungslose Realität in Gunantanamo entblättert sich mehr und mehr: fensterlose Zellen, schaurige Methoden, von körperlicher und sexueller Misshandlung bis hin zur Drohung, seine Mutter zu inhaftieren. Diese Realität der unsagbaren Demütigungen hinterlässt auf beiden Seiten tiefe Spuren. Slahi führt als Häftling Tagebuch. Dieses wird eine immense Rolle bei der späteren juristischen Wertung spielen. (Und wir wissen, dass aus diesem Tagebuch später „Das Guantanamo-Tagebuch“ entstand, das ein internationaler Bestseller und Grundlage für diesen Film wurde).

Die Fakten: Nach dem Terroranschlag veranlasste George W. Bush die Errichtung des Gefangenlagers in der kubanischen Bucht. Das Ziel war der Schutz der Vereinigten Staaten vor Terroristen. Die Rechtslage der Gefangenen und die Verstöße gegen die Menschenrechte in Guantanamo führten international zu großer Kritik. Seit 2002 wurden hier insgesamt 779 Gefangene inhaftiert. Allein im Jahr 2003 versuchten 120 Häftlinge, sich das Leben zu nehmen. Der Film ist mehr als nur ein ästhetisch und erzählerisch starkes Werk, er ist zugleich ein wichtiger und brandaktueller Beitrag zu einem der dunkelsten Kapitel der USA, und ist längst noch nicht abgeschlossen. Noch immer warten 40 Menschen in Guantanamo auf einen fairen Prozess und ihre Freilassung. Barack Obama wollte zu seiner Amtszeit als US-Präsident die Fälle prüfen. Diese Strategie setzte sein Nachfolger Donald Trump vorübergehend aus. Heute ist Präsident Biden dafür zuständig. In den letzten Jahren hat das Ansehen der Vereinigten Staaten von Amerika – „America first“ – mächtig gelitten. Antidemokratische Auswüchse, der latente Rassismus, die exzessive Polizeigewalt, Guantanamo. Es wird auch über dieses tief-einwirkende, bedeutsame, emotional entsetzlich aufrüttelnde Spielfilm-Drama deutlich, wie sehr die rechtlichen und menschlichen Defizite das Markenzeichen U S A enorm beschmutzen (= 5 PÖNIs).

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