PÖNIs: (3/5)
„DER JUNGE KARL MARX“ von Raoul Peck (Co-B + R; Fr/D/Belgien 2016; Co-B: Pascal Bonitzer; K: Kolja Brandt; M: Alexei Aigui; 118 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.03.2017); als er „den Herrschaften“ zu agitatorisch geworden ist in Zeitungs-Wort und Aus-Sprache, lassen sie ihn einbuchten. Danach geht anno 1844 der 25-jährige Karl Marx (AUGUST DIEHL) mit seiner Ehefrau Jenny (VICKY KRIEPS) und der kleinen Tochter ins Exil nach Paris. Dort lernt er den zwei Jahre jüngeren Fabrikantensohn Friedrich Engels (STEFAN KONARSKE) kennen und schätzen. Sie sind Polit-Brüder im humanen Geiste. Gemeinsam saufen und raufen sie, verfassen fortan Streitschriften, inspirieren Gleichgesinnte und organisieren Zusammenkünfte, um für die bevorstehende industrielle Revolution eine Art theoretischen Sockel zu formulieren. Mittels dem dann endlich für soziale Gerechtigkeit öffentlich gestritten und gekämpft werden kann. Ihr Anspruch: Diese ungerechte Oben-Unten-Welt nicht nur theoretisch, sondern auch „tatsächlich“, also grundlegend, zu verändern = zu verbessern. 1847 gründen sie schließlich in London den Bund der Kommunisten und verfassen das Kommunistische Manifest, das 1848 publiziert wird.
Der Historien-Spielfilm des aus Haiti stammenden und seit 2004 als Präsident der Pariser Filmhochschule „La Fémis“ tätigen RAOUL PECK, der 1992 mit dem (vielfach preisgekrönten) Film-Essay „Lumumba – Tod des Propheten“ international bekannt wurde, hat ein solides Biopic über die zwei berühmten Visionäre geschaffen, denen starke Ehefrauen zur Seite standen. Das für fast 10 Millionen Euro hergestellte Polit-Drama ist sehr sorgfältig und aufwendig rekonstruiert, funktioniert gedanklich wie emotional aber viel zu brav. Ausgenommen der Anfang, wenn eine Gruppe von Menschen aller Altersklassen im Wald nach abgefallenen Ästen als Brennholz sucht und von knüppelnden Reitern der Obrigkeit brutal niedergeschlagen wird. Währenddessen ist aus dem Off die Stimme vom jungen Marx zu hören, der aus einem seiner Zeitungsartikel von 1843 liest, in dem er auf den Widerspruch zwischen der Rechtswahrnehmung des Volkes und dem geltenden Gesetzestext verweist: Was von Bäumen abgefallen ist, darf „vom Volk“ aufgehoben und verwertet werden und ist eben nicht Diebstahl vom Besitz der Herrschaft. Anstatt mit dieser Reflektion im Verhältnis von Abhängigkeiten weiterzumachen, entwickelt sich der Film danach mehr zu einer durchaus interessanten, aber nicht sonderlich spannenden Lichtspiel-Streitschrift: zwei engagierte Heißsporne als Weltverbesserer im altbacken aussehenden und viel zu sehr theoretisierenden Duell-Bemühen um notwendige Veränderungen.
Statt subversive Energie, nur gut gemeinter, bissiger Vorkämpfer-Charme gegen Elend und Ausbeutung. Ein viel zu braver, theoretischer Film, dessen „Traute“ überschaubar bleibt. Die geschilderte Empörung bleibt optisch in einer Art Schockstarre stecken, inmitten des formidablen Kostümfundus und der enormen Ausstattungspracht. Während die beiden Hauptakteure ihre Statements ordentlich „vortragen“.
„Der junge Karl Marx“ ist ein wort-wuchtiger Film, mit zu vielen kraftlosen Ausrufungszeichen und zu wenig wirkungsvollem, nachhallendem Explosiv- und Wut-KINO im Zeitalter von Globalisierung und Neonationalismus. Für die schulische Geschichts- und Ökonomie-Diskussion derweil sicherlich geeignet (= 3 PÖNIs).