„CAPTAIN MARVEL“ von Anna Boden & Ryan Fleck (Co-B + R; USA 2018; Co-B: Meg LeFauve, Nicole Perlman, Geneva Robertson-Dworet; nach den gleichnamigen MARVEL-Comics; K: Ben Davis; M: Pinar Toprak; 124 Minuten; deutscher Kino-Start: 07.03.2019).
Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug
Mit CAPTAIN MARVEL geht aktuell nicht nur das erste (!) Solo einer weiblichen MARVEL-Figur, sondern auch das 21. Superhelden-Abenteuer im MCU (= Marvel Cinematic Universe) an den Start. Als vorletzte Auskopplung der sogenannten Phase 3, bevor diese dann in AVENGERS: ENDGAME finalisiert wird. Phase 1 dieses Comic-Universums hatte sich in der Vergangenheit mit der Vorstellung der einzelnen Charaktere beschäftigt und Phase 2 mit deren Weiterentwicklung. Wie es in Phase 4 danach (aber sicher m i t CAPTAIN MARVEL) weitergeht, ist durch bisher unbetitelte Projekte nur wage zu erahnen. Und doch, kurz vor Ende, wird MARVEL „innovativ“: Die Ausgestaltung ihrer „Hausmarke-Heldin“ überlassen sie – völlig überraschend – einem primär TV-erfahrenem, (eher) unbekannten Regisseuren-Team und setzten, vor wie hinter der Kamera, auf ungewohnt viel Frauen-Power. Wie die von Drehbuchautorin NICOLE PERLMAN, die mit GUARDIANS OF THE GALAXY (s. Kino-KRITIK) recht erfolgreich war. Stets vor Augen: den Konkurrenten DC, mitsamt seiner charmanten WONDER WOMAN (s. Kino-KRITIK), der es filmisch die Stirn zu bieten gilt. Den ersten „Sieg“ im Rennen errang MARVEL 2012 vor Gericht, als DC dazu verurteilt wurde „seinen“ gleichnamigen „Captain Marvel“ in „Shazam!“ umzubenennen. Dieser erscheint 2019 übrigens auch in unseren Kinos.
Nicht zuletzt deswegen muss das mächtigste MARVEL-Pferd im Stall vorher gut in Position gebracht werden. Hübsch ausstaffiert von WALT DISNEY mit 152 Millionen Dollar-Budget. War der erste Captain Mar-Vell in den Heften ursprünglich ein Mann, setzt man dieses hübsche Sümmchen jetzt auf seine emanzipierte Nachfolgerin CAPTAIN MARVEL… alias Vers… alias Carol Danvers: ehemalige U.S. Air Force Pilotin und nach einem explosiven Unfall Auch-Trägerin einer übermächtigen Kree-Alien-DNA. Was sie zu einer diplomatischen Hybrid-Brücke zwischen menschlich-„schwachen“ Emotionen und der eiskalt-„harten“ Kampfkunst dieser hochentwickelten Fremdspezies macht. Ihre körperbetonten Waffen: Fliegen, überdimensionale Muskelkraft und Energiefontänen, die sie aus ihren Händen abfeuern kann.
Erzählt wird ein Prequel zu allen anderen bisherigen MARVEL-Werken. Das verwirrt zunächst, da CAPTAIN MARVEL uns jüngst von S.H.I.E.L.D.-Boss Nick Fury (SAMUEL L. JACKSON) in AVENGERS: INFINITY WAR (s. Kino-KRITIK) als Rettungskommando präsentiert wurde. Diesbezüglich liefert der Film kaum Antworten. Stattdessen werden Grundmotive des Avengers-Comics „Kree-Skrull-Krieg“ des Autoren Roy Thomas aus dem Jahr 1972 bemüht, welche die Handlung zurück in die 1990er Jahre befördern. Und ab: ins Weltall. Dort ist Carol (BRIE LARSON) Mitglied einer Spezialeinheit namens Starforce. Zusammengesetzt aus einer außerirdischen Über-Rasse, besagten Krees, befindet sich die Truppe in einem galaktischen Konflikt mit den Skrulls. Einem anderen, extraterrestrischen Volk von Gestaltwandlern, das sich die Erde als Ziel gesucht hat. Schlimmer: deren Anführer Talos (BEN MENDELSOHN) hat in seiner menschlichen Form längst die Anti-Terrororganisation S.H.I.E.L.D. infiltriert. Dort arbeitet Nick Fury (Avengers-Veteran SAMUEL L. JACKSON; stark verjüngt und „repariert“) als gelangweilter Schreibtischhengst. Als ihm Miss Danvers nach einem Fehlschlag quasi vor die Füße fällt, bringt der brodelnde Weltraum-Zwist den gemeinsamen Kampf in Schwung: gegen undurchsichtige Skrulls, verschwommene Erinnerungen und Selbstzweifel, die Carol (noch) davon abhalten, ihre volle Energie als CAPTAIN MARVEL zu entfesseln.
Die klassische Heldenreise greift erfreulicherweise auch menschliche Themen wie die Freundschaft zwischen Carol und Nick auf. Eine locker-unterhaltende Hommage an Buddy-Cop-Film wie „Lethal Weapon“ (1987; R: Richard Donner) oder „Bad Boys“ (1995; R: Michael Bay). Gefeiert wird somit das Action-Kino der 90er Jahre, dessen knallharte Typen wie Arnold Schwarzenegger modern das Ruder an eine gleichberechtigte Mitten-in-die-Fresse-Lady übergeben. Übrig geblieben auf männlicher Wow-Ebene ist lediglich BEN MENDELSOHN, mit seiner coolen Leistung als Rumsfeld-liker Skrull-Anführer Talos. Dass die Bedrohung durch ihn letztlich mit Humor genommen werden kann, ist der bodenständigen Nostalgie zu verdanken. In den „Ring of Fire“ steigt derweilen zu einem launigen Soundtrack „Oscar“-Preisträgerin BRIE LARSON („Raum“/2016). Umgeben von fast schon zwanghaft konstruierten Kulissen, die uns das thematisierte Jahrzehnt übertrieben um die Ohren hauen, beschreitet sie gottgleich und unbesiegbar ihren Weg. Zwar fernab von Latex-verhüllten-Hypersphären-Drüber-Girlies – aber dennoch zu perfekt. Unnahbar. Kühl. Blond. Fesselnde Emotionalität: Fehlanzeige. Positiver Nebeneffekt: keine nervige Liebesgeschichte! So fühlt sich das emanzipierte MCU aber auch irgendwie reifer an. Letztlich komplementiert. Und das sollte es sein, denn das heiß ersehnte „Endspiel“ steht vor der Tür.
Bis dahin lehnen wir uns entspannt zurück und genießen, ohne viel Anspruch, dieses Action-Unterhält-Irgendwie-Ok-Power-Princess-Katzen-Movie. Moment… Katze?! Der Wohlfühlfaktor des Films heißt: Goose – die außerirdisch-süßeste Fell-Versuchung seit es Superhelden-Haustiere gibt. (= 3 „Carrie“-PÖNIs… für eine energiegeladene Dame, die Thor zeigt, wo der Hammer hängt).