PÖNIs: (4/5)
„AUS DEM NICHTS“ von Fatih Akin (B; Co-Produzent + R; D 2016; Co-Autor: Hark Bohm; K: Rainer Klausmann; M: Josh Homme; 106 Minuten; deutscher Kino-Start: 23.11.2017); eine deutsche Familie. Aus bzw. in Hamburg. Katja (DIANE KRUGER) ist mit dem Kurden Nuri Sekerci (NUMAN ACAR) verheiratet. Ihr sechsjähriger Sohn heißt Rocco. Aus dem Nichts zerbricht diese Familie, als Ehemann und Sohn bei einem feigen Bombenanschlag auf das Büro von Nuri umkommen. Weil diese multikulturelle Ehe in den Augen der voreingenommenen, wie immer auf dem rechten Auge eher blinden Ermittler zumindest „verdächtig“ erscheint, wird die fassungslose, verzweifelte, wütende Katja dann auch von den Medien „in die Mangel“ genommen. Zudem lassen sie taktlose Verwandte noch tiefer in die Außer-Sich-Depression rutschen. Dann, sozusagen, „Entwarnung“. Ein Neonazi-Paar wird verdächtig, den Anschlag begangen zu haben. Die vorliegenden Beweise sind erdrückend. Der Prozess folgt. Doch ein geschickt lavierender Täter-Anwalt (teuflisch gut: JOHANNES KRISCH) vermag die eigentlich eindeutigen Beweise peu à peu zu zerpflücken. Für Katja ist es kaum noch auszuhalten.
Ein deutscher Spielfilm, der sich – endlich einmal – an aktuelle hiesige Gesellschaftsthemen herantraut. Der sich spannend einmischt in die grauslichen, fürchterlichen, entsetzlichen NSU-Verbrechen und ihre bestialischen Schadens-Folgen. Der davon bildgewaltig erzählt, wie es Menschen „geht“, die innerhalb der herrschenden Bürokratie „Opfer“ genannt, „behandelt“ und dann als solche „abgehakt“ werden. Welche Schmerzen, welche Empörung, welche Wut, welcher Aufschrei, welche Machtlosigkeit, welches Sich-Abfinden-Müssen sie in ihrem Weiter-Leben empfinden, darüber klagt der Film vehement und stark nachhallend. Dabei macht es auch nichts, dass Drehbuch-Autor und Regisseur Fatih Akin („Gegen die Wand“; „Soul Kitchen“; „Tschick“), 44, mitunter „zu viel Papier“ merkbar reden lässt und auch das Einbeziehen der Internationale der Nazis als eigentlich weitere bedeutsame Hauptgeschichte unverständlich bleibt, weil nur schnell mal – also überflüssig – nebenbei erwähnt, so dass dieser bedeutsame politische Strang verwässert. Egal: Denn die verblüffende, unter die Haut gehende und nie mehr aus den Gedanken weichende = konsequente = Schluss-Pointe übertüncht das einige Zuviel an Stoff. An Verarbeitungswillen und -wollen.
SIE ist großartig. Dank einer überragend wie wohl so noch nie sensibel-kraftvoll auftretenden und fulminant überzeugenden DIANE KRUGER als leidende, empörte Katja, deren Sinn und Handhabung nach entschlossener Rache gewaltig (und verständlich) ist. Für ihre außerordentliche Darbietung wurde Diane Kruger im Frühjahr bei den Filmfestspielen von Cannes mit dem „Darstellerpreis“ verdient geehrt.
„Aus dem Nichts“ vertritt Deutschland bei der Auslands-„Oscar“-Auswahl für 2018.
Und: auch hier wieder: Nach der „regulären“ Kino-Auswertung gehört dieser (An-)Spannungsstreifen „AUS DEM NICHTS“ unbedingt in das „Kino für Schulen“-Programm. Als imponierender, brandaktueller, wichtiger deutscher Geschichtsunterricht (= 4 PÖNIs).