„A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT“ von Ana Lily Amirpour (B + R; USA 2013; K: Lyle Vincent; M: Federale Radio Tehran, Bei Ru Farah, White Lies, Kiosk, Free Electric Band, Darush; schwarz-weiß; 99 Minuten; Start D: 23.04.2015); es existiert beziehungsweise wird durch diesen wunderbar “speziellen Film” prächtig reanimiert: DAS PURE HERRLICHE CINEASTISCHE KUNST-KINO!
Wobei die Drehbuch-Autorin, Mit-Produzentin und Regisseurin im Presseheft gleich die genre-klare Steilvorlage gibt und nennt: „Es ist, als hätten Sergio Leone und David Lynch ein gemeinsames Baby und dafür Nosferatu als Babysitter bestellt“. ANA LILY AMIRPOUR. 1980 in England geboren, danach mit der iranischen Familie nach Florida ausgewandert und später gen Kalifornien gezogen. Kunsthochschule, Studium Theater, Film und Fernsehen. Sie arbeitete als Malerin, bildende Künstlerin und tourte als Front-Frau einer Indie-Rock-Band durch die USA. Landete schließlich in Los Angeles, um Filme zu drehen. Ihre Kurzfilme liefen auf internationalen Festivals. 2010 entstand „A Girl Walks Home Alone At Night, True Love“ und erhielt auf dem Festival von Mailand den Publikumspreis. Ihr Kurzfilm „Pashmaloo“ hatte 2011 Welturaufführung bei der Berlinale und wurde von ARTE eingekauft. Ihr Langfilm-Debüt, basierend auf eigenem Comic, ist zwar im Iran angesiedelt, wurde aber gänzlich in der Stadt Taft – in der kalifornischen Region Kern County – gedreht.
DIE als verruchte iranische Geisterstadt „Bad City“ herhalten muss. Wo – schon alleine wegen der „zutreffenden“ Schwarz-Weiß-Bilder -tatsächlich nachts alle Katzen grau wirken. Als der junge Arash (ARASH MARANDI) seine Katze aus irgendeinem Bretterverschlag herausholt und nach Hause bringt. Wo sein Wrack von Vater herumplärrt und nach neuer „Nahrung“ verlangt. Daddy ist ein Heroin-Junkie. Nörgelt nur nervend. Bedarf ständigen Nachschub. Was teuer ist und den großen fiesen Drogen-Boss und Frauenhändler Saeed auf den Plan ruft (DOMINIC RAINS, sieht prächtig aus, wie genarbte Grütze), der den geliebten Ford Thunderbird des Jungen als Honorar übernimmt. Arash ist wütend. Zieht auf den düsteren, fast menschenleeren Straßen herum. Begegnet einer in einem schwarzen Tschador verhüllten jungen Frau (SHEILA VAND), die sich gerade „sattgefuttert“ hat. An Saeed. Denn die wortkarte junge Frau mit den Turnschuhen ist ein Vampir. „The Girl“ genannt. Das Mädchen. Welche Nacht für Nacht durch die Gegend streift, um sich behutsam nach „Mahlzeiten“ umzuschauen. (Manchmal ist sie aber auch mit dem Skateboard unterwegs). Jedenfalls – Arash, nicht ahnend, wen oder was er vor sich hat, verliebt sich in die junge Frau. Die aussieht wie die düstere Version einer Jungfrau Maria; die unter ihrem schwarzen Kleidergewand ein gestreiftes T-Shirt trägt, das mit enormen Nouvelle Vague-Erinnerungen behaftet ist = weil es dem von Jean Seberg in Godards „Außer Atem“ sehr ähnelt. Und: „The Girl“ steht auch auf coole Musik. Poster von Rod Stewart und den Bee Gees hängen in ihrer Wohnung an der Wand. Doch wie soll das funktionieren: ER, der James Dean von Bad City, mit seiner Dean-Tolle und Lederjacke, und SIE, das sanfte Dracula-Mädel. Das Schatten-Wesen. Politisch (ironisch-lächerlich) korrekt-heute: Die Neon-Vampirin.
In dieser Stadt der Unheimlichkeiten. Wo die Straßenschilder in persischer Schrift leuchten. Und vom Fernsehen auch nur „persisches“ ´rüberkommt. Während die Musik nach den New Wave-Klängen der Achtziger kratzt oder mit Morricone-Charme tönt oder den Rock ‚n‘ Roll hofiert. Was – warum – wie: Beeindruckend. Ungewöhnlich. Augen-prickelnd. „A Girl…“ lockt phantastisch. Ist atmosphärisch und brillant-einfallsreich auf originelles, uriges Happening getrimmt. Artikuliert eine faszinierende, zeitlose Wahn-Zeit, in der alles möglich ist: Von minimalistischen Stummfilmbewegungen in Zeitlupe bis hin zu einem bizarren, hintersinnigen Ästhetik-Spiel um Horror und Melancholie. Und femininer Emanzipation. In einer unwirtlichen Region. Umweht von einiger Gotham- und Sin City-Aura. Sowie verblüffend empfindungs-reich. „A Girl Walks Home Alone At Night“ verbrüdert sich filmspielerisch mit lakonischen Kumpanen im Geiste wie Aki Kaurismäki, Jim Jarmusch oder britischen Hammer-Klassikern und süffisantem „Morricone“-Western-Geschmack. Ist wunderbar Schwarz-Weiß atmend. Als stimmungsvolle Performance.
Ein cineastisches Juwel zeigt sich hier. Prächtig. Prädikat: Kult (= 4 ½ PÖNIs).