TAKE SHELTER – EIN STURM ZIEHT AUF

TAKE SHELTER – EIN STURM ZIEHT AUF“ von Jeff Nichols (B+R; USA 2011; 120 Minuten; Start D: 22.03.2012); mit seinem Debütfilm „Shotgun Stories“ legte der am 7. Dezember 1978 in Little Rock/Arkansas geborene Schriftsteller, Drehbuch-Autor und Regisseur 2007 einen fulminanten, auf vielen internationalen Festivals gefeierten Leinwand-Start hin. Als faszinierendes Familien-Drama mit Western-Geschmack. Sein nunmehr zweites Werk ist ein ebensolches kinematographisches „Kraftpaket“. Das auch bereits auf zahlreichen internationalen Festivals (Cannes, Deauville, Hamburg, Zürich) hofiert wurde und tief in die aktuelle amerikanische Seele hineinblickt. In die arg verunsicherte Seele einer „ordentlichen“ amerikanischen Mittelstandsfamilie. Aus dem Mittelwesten der USA. In einer Kleinstadt nahe Ohio. Wo die „großen“ dramatischen Amerika-Gegenwartsthemen wie Banken-, also Geldkrise, Arbeitslosigkeit, Immobilienkonkurse und Umwelt-, sprich Naturkatastrophen bisher praktisch „woanders im Land“ stattfanden. Allerdings – die allgemeine existenzielle Verunsicherung der Menschen ist irgendwie ständig „zu riechen“. Merkbar zu spüren.

Die harmonische Familie LaForche ist ein „melancholisches“ Beispiel dafür. Bestehend aus Mann, Frau und kleiner Tochter. Die taub ist. Deshalb haben die Eltern die Gebärdensprache erlernt. Demnächst aber soll Hannah operiert werden. Über die bestehende Krankenversicherung. Die Curtis LaForche dank eines großzügigen Arbeitgebers für die Familie besitzt. Curtis ist Bauarbeiter. Sein Leben beginnt sich gerade existenziell in richtig feste Bahnen zu entwickeln, mit der geliebten Familie und dem guten wie festen Job, als sich die Lebensbedingungen dieser kleinen familiären Zelle merklich zu verändern beginnen. Der Grund sind diese seltsamen und zunehmenden nächtlichen Alpträume von Curtis. In denen „außergewöhnliche“, bedrohlich aufziehende Wolken und „merkwürdiger Regen“ eine Panik-Rolle spielen. Ebenso wie diese gewalttätigen anonymen Angreifer, die aus dem Nichts attackierend auftauchen. Riesige Vogelschwärme ziehen plötzlich am Himmel „eigenartige Runden“. Curtis verändert sich. Ohne sich seiner Frau zu erklären. Vernachlässigt die Arbeit und beginnt, einen größeren Schutzbunker im Garten zu bauen. Mit dem Geld, das eigentlich für die OP seiner Tochter gedacht war. Ehefrau Samantha, eine gestandene, „mitsprechende“ Gattin, fühlt sich schlimm übergangen. Zumal sich Curtis zwischenzeitlich auch um psychologische Hilfe bemüht hat. Ohne ihr auch davon etwas zu sagen. Seine Angst: Seine Mutter ist schon im Alter von Mitte 30 an paranoider Schizophrenie erkrankt und nun auf ständige Heimbetreuung angewiesen. Befindet sich in seinen Genen „auch so was“??? Oder mit anderen Worten: Ist Curtis LaForche ein düsterer Prophet oder ein pathologischer Irrer??? „Hast du den Verstand verloren?“, fragt ihn besorgt seine Frau.

Was passiert hier? Wirklich? Sind die bedrohlichen Träume des Antihelden hier tatsächlich „Nur-Spinnereien“? Oder ist an denen tatsächlich „was dran“??? Jeff Nichols hat quasi einen plausiblen Horrorfilm in der sozialen Realwelt eines verstörten Mannes angesiedelt. Und inszeniert. Irrationale Motive inmitten rationaler Existenz-Sorgen. Was ist wahr? Was tut sich hier wirklich? Auf? Wieso scheint ein bisher so festes Familien-Fundament plötzlich so vehement ins Wanken zu geraten? Die hypnotischen Bilder von Kamera-Tüftler ADAM STONE signalisieren ergreifende „apokalyptische Untergangsstimmungen“ ebenso wie die sensiblen Klänge von (Musik) DAVID WINGO ständige leise Schauersignale setzen. „Take Shelter“, also „Zuflucht“, ist ein erstklassiges atmosphärisches Psycho-Drama und eine packende Film-Metapher für die vorhandene amerikanische Heute-Unruhe in der Mittelschicht. Mit der Beobachtung, berechtigt oder „nur“ vorgemacht? Yes we can oder yes we can not, das ist die spannende Frage. Hier und gegenwärtig wohl überhaupt. „Drüben“. Und an vielen anderen Orten der Welt. Und mit Sicherheit mittlerweile auch hier. Bei uns. Im Ländle.

Ein grandioser Schauspieler-Film. Der 37jährige MICHAEL SHANNON ist ja spätestens seit seinem fulminanten Auftritt als „bekloppter Nachbar“ von Leonardo DiCaprio/Kate Winslet in „Zeiten des Aufruhrs“ (2008/„Oscar“-Nominierung) ein Geheimtipp in Sachen „gestörte/verstörte Typen“ im besseren US-Kino. Attraktiv großgewachsen tritt er als feinfühliger wie konsequenter Mentalist auf, der die „wahren Signale“ der Zeit früher aufnimmt. Erkennt. Und demzufolge für „die Anderen“ völlig unverständlich und egoistisch-verkrampft-verbissen handelt. Den traumatischen Seelen-Ballast im markanten Gesicht ständig mit-herum“schleppend“. Ein faszinierender Darsteller-Bursche. Der ein bisschen hübsch-„gefährlich“ ausschaut wie ein moderner BORIS KARLOFF („Frankenstein“). Und hervorragend „Seele“ auszudrücken versteht. Ohne dafür viele Worte zu benötigen. Ein körpersprachliches Multi-Talent. Mit Genie-Charme. An seiner Seite entwickelt die derzeit vielbeschäftigte JESSICA CHASTAIN (die Ehefrau von Brad Pitt im Cannes-Gewinner „The Tree of Life“ / kürzlich in „The Help“/“Oscar“-Nominierung) als Ehefrau Samatntha fesselnde bodenständige Sogwirkung. Ein brillantes Darsteller-Paar. In einem wunderbar bewegenden wie suggestiven Zivilisationsdrama. Das spannend unter die Haut kriecht. Mit beeindruckend wie wunderbar vielem klugem Denk-Potenzial (= 4 PÖNIs).

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