SHOPPEN

„SHOPPEN“ vom Münchner Debütanten Ralf Westhoff (B + Co-P + R; D 2006; K: Helmfried Kober; M: Michael Heilrath; 91 Minuten; deutscher Kino-Start: 03.05.2007).

RALF WESTHOFF, Jahrgang ´69, Studium der Wirtschaftswissenschaften, freier Radioreporter, Nachrichtenredakteur; Autor, preisgekrönter Kurzfilmer (u.a. Friedrich-Wilhelm-Murnau-Preis, Kurzfilm-Förderpreis beim Max-Ophüls-Festival + Preis für den „besten Kurzspielfilm“ beim Internationalen Filmfestival von Melbourne für „Der Plan des Herrn Thomaschek“/2002). In 20 Tagen entstand im Juni 2006 – während der Fußball-WM – sein Debüt-Spielfilm, der seine Uraufführung bei den 40. Hofer Filmtagen im letzten Oktober hatte, wo er zum Publikumsfavoriten avancierte.

Thema: Ach Gott, die Liebe. Die wahre. Große. Ewige. Die einzigartige. Beziehungsweise die Suche danach. Nach d e m Partner. Nach dem Traumprinzen/der Traumprinzessin. Nach schließlich d e m Pendant. Wer will schon EINSAM sein/bleiben? Aber: Wo/wie/wen oder was suchen/finden/festhalten? Mitten in d e r Single-Großstadt; München. Zudem: Die Konkurrenz ist enorm. Hört sich thematisch ziemlich uncool, fade wie natürlich und vor allem deutsch-filmisch bekannt/blöde/verbraucht/verbrannt an (wie „Suche impotenten Mann fürs Leben“, so in dieser klamaukig-verklemmt-peinlichen Art). Und dann DAS: „SPEED-DATING“ heißt das moderne Such-Stück, lautet die neue „Zauberformel“. Wie bitte???: SPEED-DATING. Niemand hat mehr Zeit, viele sind nach stressiger Tages-Arbeit zu geschafft, um sich noch auf die „herkömmliche“, traditionelle Suche zu begeben (Disco/Kneipe…), die Gefühle/Wünsche/Träume, zwischen Bangen/Hoffnung/Resignation, PASSIERT DA überhaupt noch was??? Also eben: SPEED-DATING: Ist NATÜRLICH aus den Staaten herüber geschwappt, „die neue amerikanische Sitte“: 18 paarungswillige Solisten, 9 Männer/9 Frauen, zwischen 25 und 40, treffen sich zum Fließband-Schnuppern/-Flirten; kommen in einem großen, kargen Raum zusammen, sitzen sich gegenüber, um sich in kurzen, auf 5 Minuten festgelegten Einzelgesprächen „kennenzulernen“. Sich originell wie optimal „zu verkaufen“, um beim Gegenüber Neugier zu erwecken. Wenn die Stoppuhr klingelt, wird weitergerückt, wird der Gesprächspartner gewechselt. Speed-Dating. Der Schnelldurchlauf in Sachen Gefühle/Sicht/Identität.

Du meine Güte. Was könnte DAS in die filmische Hose gehen: Visuell gibt´s nischt, dafür unendliches Gequatsche/Gelaber. Doch RALF WESTHOFF schafft daraus eine Art KÖSTLICHEN Spagat zwischen Woody Allen + „Harry & Sally“: Sein Film zeigt sich unglaublich amüsant, frech, pointiert; führt clever Verletzlichkeit, Unnahbarkeit, Selbstbewusstsein vor; besitzt die TEMPOREICHE, spannende, atmosphärische, fortwährend neugierige wie augenzwinkernde Balance zwischen Anteilnahme, Dicht-Dran-Sein an den Personen und eigenem Wieder-Erkennungseffekt. Ohne dabei zu denunzieren oder mit Klischees zu triefen, trifft er einen emotionalen wie gesellschaftlichen Zeit-Nerv: Eine erwachsene Generation mit vielen Defiziten, möchte gerne KIND(isch) bleiben, weiter“spielen“ und doch nicht alleine-sein/-bleiben.

Mit dabei/als Außenansicht: Der selbstzufriedene Schönling (der sich „als Designerstück“ bezeichnet und sein Gegenüber „als Schnäppchen“); der Workaholic (der gleich eine Liste mit Fragen mitgebracht hat, die er abhakt); das frustrierte Scheidungsopfer; die traurige Krankenschwester; die Schönheit (mit genau DIESEM „Problem“); die zickige Emanze; der Öko-Fanatiker; die penetrante Quatsch-Liese (aus Brandenburg)…; Westhoff gibt/schenkt jeder Figur authentische PERSÖNLICHKEIT, Charisma, Typen-Charme; ganz unangestrengt, ziemlich kribbelnd, herzhaft-nah. Legt ihnen „Sprache“ in den Mund, die intelligent-antörnt, komisch ist, „Wirkung“ zeigt. Dass dies funktioniert, hat aber natürlich/zuallererst mit diesem GROßARTIGEN Ensemble zu tun: Westhoff hat es geschafft, völlig unverbrauchte, neugierig-machende, richtig gute, SPANNENDE Klasse-Akteure zusammenzubringen: Klassisch ausgebildete (Bühnen-)Schauspieler, die ihr Handwerk BLENDEND beherrschen und ihre jeweilige Type vortrefflich wie überzeugend vorzuführen verstehen. Selten waren in einem deutschen Film Darsteller SO AUFREGEND-anregend wie hier. Denn DIE verstehen es tatsächlich, allesamt, glaubwürdige Charaktere zu entwickeln, denen man gerne wie respektvoll zuhört/zusieht.

Ein erstaunlicher, SEHR unterhaltsamer neuer deutscher Beziehungs-Film (= 4 PÖNIs).

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