ZETTL

ZETTL“ von Helmut Dietl (Co-B+R; D 2011; Co-B: Benjamin von Stuckrad-Barre; 109 Minuten; Start D: 02.02.2012); natürlich sollte es DIE “Kir Royal”-Fortsetzung – Arbeitstitel: “Berlin Mitte“ – werden, mit erneut Franz Xaver Kroetz als Alt-Klatschreporter „Baby Schimmerlos“. Aber DER stieg im Frühjahr 2009 wegen „künstlerischer Differenzen“ aus. So dass neu gedacht, geschrieben und geplant werden musste. Schließlich begannen die Dreharbeiten zu dieser mit 10 Millionen EURO budgetierten Produktion im April letzten Jahres. Erste Szene: Die Beerdigung von Baby Schimmerlos. In BERLIN. Am Grab zwei alte Lebens- und Weggefährten: Mona (SENTA BERGER) und Herbie Fried, der nun im Rollstuhl platzierte Fotografen-Freund (DIETER HILDEBRANDT). Die „Restlichen“ wurden „bestellt“. Eingekauft. Auch der Pfarrer-Schauspieler. Damit’s ein wenig „pompös“ ausschaut. Wenn Baby dahingeht. Man palavert ein wenig, die alten Zeiten, damals war’s, dann taucht Zettl auf. Ein Neuer. Zugezogener. Marke „Schlimmer netter Filou“. Motto: „Unschlagbar charakterlos“ (Untertitel) . Stammt auch aus München (MICHAEL HERBIG). Max Zettl will im NEUEN BERLIN Karriere machen. Bisher ist er „nur“ Chauffeur, aber mit seinen Kontakten…und Verbindungen…, vermag er „was zu bewegen“. Sagt er. Dermaßen überzeugt überträgt ihm ein schwerreiche wie stinkperverser Schweizer Unternehmer (ULRICH TUKOR) den Chefposten eines neuen Regional-Magazins: „The New Berliner“. Dem „New Yorker“ nachempfunden. Berlin ist doch jetzt auch Weltmetropole, also darf Frank Sinatra im Hintergrund schon mal sein „New York, New York“ tönen. Danach wird es episodenhaft wild.

Es treten auf:
Ein dahinsiechender Bundeskanzler-Alki (GÖTZ GEORGE); ein opportunistisches Gefälligkeits-Nuttchen (schnutig-harmlos KAROLINE HERFURTH); eine Regierende Berliner Bürgermeisterin, die eigentlich ein Kerl ist (DAGMAR MANZEL) und nach dem bald freien Bundeskanzler-Job hechelt; ein stets geiler ostdeutscher Ministerpräsident (HARALD SCHMIDT, schwäbelnd und mit Halbglatze); eine stets bekifft-besoffene TV-Promi-Talkerin namens Jacky Timmendorf (DAS Ereignis: SUNNYI MELLES); der käufliche „Leibarzt“ für alle (GERT VOSS) und…und…und das Personal mit den „üblichen Verdächtigen“ wie eben dieser Jungspund-Dynamiker Zettl sowie Mona und Herbie, die aber irgendwann die Berliner Schnauze voll haben und in ihr „liebes“ München zurückkehren.

Dort lebt jetzt auch wieder Helmut Dietl. Der am 22. Juni 1944 in Bad Wiessee geborene Autor und Regisseur hat fürs Deutsche Fernsehen und für das Deutsche Kino viel Gutes getan. Mit TV-Serien-Klassikern wie „Der ganz normale Wahnsinn“ (12 Episoden/1979; mit Towje Kleiner), „Monaco Franze –Der ewige Stenz“ (10 Episoden/1983/mit Helmut Fischer und seiner „Spazl“-Gattin Ruth Maria Kubitschek) sowie natürlich mit der grandiosen sechsteiligen ARD-Reihe „KIR ROYAL“ von 1986 (mit eben Kroetz, Hildebrandt + Senta Berger). Die Münchner Schickeria und Möchtegern-Gspusi-Gesellschaft aus der Sicht des einheimischen Klatschkolumnisten Baby Schimmerlos. Köstlich. Hinterfotzig. Mit „erkennbaren“ Realfiguren-Verweisen. Ein Klassiker der pointierten Gesellschaftssatire. Danach eroberte Helmut Dietl die Leinwände. Mit DEM deutschen Satire-Kinofilm der 90er Jahre: „Schtonk!“ sowie mit DER Münchner Medien-Satire „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“, die mit 3,2 Millionen Besuchern zu den erfolgreichsten Kinofilmen des Jahres 1997 zählte. Und bei der wieder Pointen-Funken des „Kir Royal“-Drehbuch-Paares Helmut Dietl & Patrick Süskind („Das Parfüm“) süffisant zündeten.

„Late Show“ von 1999 dagegen, eine scharfe, bemüht provokante Anmache auf das private TV, schwächelte dann, während Dietls 2005er orpheusische Beziehungskomödie „Vom Suchen und Finden der Liebe“ mäßig war und total floppte. Danach jahrelange Funkstille, die Recherche in Berlin-Mitte. Dietl zog hierher, um d e n Hauptstadtfilm in Angriff zu nehmen. Doch DER plustert sich nur begrenzt auf und ist ziemlich verhunzt. Über-vergagt. Die Figuren sind nie „echt“, „nahe“, wirklich identifizierbar, sondern Pappkameraden, die albern bekloppt sind. Und kaum lustig. Nur manchmal pointiert blitzen. Ansonsten ihre wurschtigen Statements abliefern, sprachlich dabei viel fremdeln (schwäbisch, bayerisch, schweizerisch), was dialektisch eher mühselig denn komisch anzuhören ist. Und die sich zu oft auf nur fadem Stammtisch-Niveau bewegen. Kreuzen. Herumtönen. Was als zynische Abrechnung mit dem Polit-Milieu in der Mitte-Hauptstadt angelegt ist, werkelt sich zur uninspirierten, beliebigen Stationsklamotte hoch. Hier ein kurzer schmucker (Fabrik-)Anhalt, dort die intime Berliner Panorama-Keule. Harmlos charmelos. Mit vielen Egal-Äußerungen. Bewegungen. Reaktionen. DIESE Typen hier sind überhaupt nicht „wahr“. In all ihrem arroganten, selbstherrlichen, säuischen Auftreten. Besitzen die  Beliebigkeit von  gefälligen Marionetten. Und (viel) zu wenig von Provokation. In der Sprache, in der Denk-Seele, im Herumeilen.

Aber ich habe doch drei Jahre „dort“ verbracht, habe recherchiert mit meinem Co-Autoren und weitaus „Schlimmeres“ erlebt, höre ich in diesen Tagen Helmut Dietl sagen. „Wenn ich das alles erzählen würde, was ich wirklich weiß, das würde mir kein Mensch glauben“ (dpa-Interview). „Ich finde es einfach komisch, wie sich diese Leute verhalten in ihrer Machtgier, in ihrer Sexgier“. Wieso aber hat er dann nicht von diesem WIRKLICH Toll-„Schlimmen“ erzählt?, möchte ich erwidern. Wenn ich angeblich so viel thematisches „Fleisch“ habe, dann brate ich es doch als Denker und Lenker genüsslich und pointiert aus. Und süffisanter. Und nicht so oft-plump. Wie hier. Oder? Natürlich überholen gegenwärtig, und dieses „gegenwärtig“ besteht schon eine ganze lange schwarz-gelbe Koaltionsperiode, die täglichen Nachrichten die Satire massig. Zuletzt, natürlich: „Dieser“ Bundespräsident. Dietl aber liefert „dazu“ leider nur bissig-laue Spaß-Fiktion aus dem Berliner Polit-Nirwana.

Kann aber „wenigstens“ in einigen Figurenteilen mit einem glänzend aufgelegten Star-Ensemble wuchern: Michael Herbig verlässt zunehmend „Bully“ und WIRKT als angeberischer Schmalspurschnüffler und schließlich Regierungssprecher („Sie können am besten lügen“); Senat Berger und Dieter Hildebrandt zuzusehen und zuzuhören, macht sowieso Laune; Harald Schmidt parodiert witzig einen „nutzlosen“, also ehrgeizigen und notgeilen Polit-Schwaben-Proll; GÖTZ GEORGE mimt seinen abgestürzten Bundeskanzler mit exquisiter Kälte-Häme. Bei denen blitzt der gemeinte gemeine Spott mitunter dietl-zünftig durch. Doch BERLIN, diese kecke, aggressive, unschöne, viel wunderbar unkultivierte, draufgängerische freche Hauptstadt, so scheint es, hat ER einfach nicht begriffen. „Gepackt“. Umsetzen können. Weil: Viel zu „ungemütlich“? Vielleicht. Letztlich. Natürlich befindet sich Helmut Dietl heute längst wieder in seiner Heimstätte. Dem gemütlichen München. Und begibt sich demnächst vielleicht dann mal nach Hannover. Von dort, so scheint es, stammt her und bewegt sich ja auch so eine „komische“ Gesellschaft, verbreitet sich übers Land, tobt sich „rüde“ wie „separat“ aus. Mit vielen urigen Polit-„Clowns“. Und feinen fiesen Knallköpfen. Deshalb: SEINE Pöbel-Themen gehen beileibe nicht aus, ganz im Gegenteil. Mach’s noch einmal, Helmut. Beziehungsweise weiter. Und vor allem – schneller, Dietl. Das (Kino-)Land braucht deine – eigentlich – lustige, intelligente Häme.

Komisches Fazit also: Ich mag den Film „Zettl“ nicht, finde ihn aber gut. (Will ihn irgendwie gut finden, weil wir haben ja so wenig „dieser Art“ satirisches „Schweine“-Kintopp…..) (= 3 PÖNIs).

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