WOMEN WITHOUT MEN

PÖNIs: (3/5)

„WOMEN WITHOUT MEN“ von Shirin Neshat (Co-B + R; D/Ö/Fr 2009; Co-B: Shoja Azari; nach dem gleich. Roman von Shahrnush Parsipur/1990; K: Martin Gschlacht; M: Ryūichi Sakamoto; 99 Minuten; deutscher Kino-Start: 01.07.2010); das ist der erste Spielfilm der 1957 im Iran geborenen und heute in New York lebenden international renommierten Fotografin und Video-Künstlerin. Die den gleichnamigen Roman der iranischen Schriftstellerin SHAHRNUSH PARSIPUR aus dem Jahr 1990 adaptierte. Der vollständig in Casablanca/Marokko gedrehte Streifen begibt sich auf eine iranische Zeitreise und blickt auf dortige politische wie gesellschaftliche Begebenheiten im Sommer von 1953. Als der erste demokratische gewählte Ministerpräsident Mohammad Mossadegh durch einen von den USA und von Großbritannien unterstützten Staatsstreich gestürzt und die Rückkehr des Schahs dadurch ermöglicht wurde.

Das Land befindet sich in Aufruhr, wir blicken auf vier Frauen, die in dieser Epoche für einen kurzen Moment das Gefühl individueller Freiheit erleben (wollen): Die traumatisierte Prostituierte Zarin (ORSOLYA TÓTH); die „leere“ Offiziersgattin Fakhri (ARITA SHAHRZAD); die neugierige Jugendliche Faezeh (PEGAH FERYDONI) und die politische Aktivistin Munis (SHABNAM TOLOUEI). Sie alle brechen aus „aus ihrem Herkömmlichen“, zeigen sich laut wie leise wie stumm auflehnend gegen das männerdominante gesellschaftliche Reglement und treffen schließlich an einem utopischen, mystischen Grün-Paradies außerhalb von Teheran, sozusagen zwischen Stadt und Wüste, zusammen: in einem offenen Haus inmitten eines verwunschenen Gartens. Eine Parallelwelt, die für einen kurzen, wichtigen Moment zur friedlichen Zuflucht wird. In schönster (Kleider-)Pracht und herrlicher Pflanzen-Blüte. Mit surrealen Gedanken wie feministischen Motiven (Verschleierung, Freizügigkeit, Tradition).

Ein Kunstfilm. Der ästhetisch grandios und farblich sinnlich wie bilderstark im Kontrast zwischen Schwarz-Weiß und zarthell-bräunlich (vom österreichischen Kameramann Martin Gschlacht) zusammengefügt wird. An alte, gefühlvolle Melodram-Kompositionen etwa eines Douglas Sirk („Was der Himmel erlaubt“/1955) erinnernd. Frauen in ihrer Seelen-Stärke und -Qual. Allerdings „übertreibt“ die Debüt-Spielfilmregisseurin ihre überbordende Visualität und kommt dadurch ihren Figuren selten charakternah. Man sympathisiert mit diesen Frauen, aber sie bleiben einem auch (viel zu) fremd. Shirin Neshat und ihre Co-Autorin Shoja Azari bemühen sich respektvoll von deren „vorsichtiger“ Emanzipation zu berichten, verhaspeln sich aber letztens in zu statischen, überfrachteten Polit-Metaphern-Bildern. Die allerdings brisante Aktualität inzwischen ausdrücken, denn natürlich erinnern sie auch an die Ereignisse im letzten Sommer, als im Iran tausende Menschen, darunter viele Frauen an vorderster Front, gegen die politischen Verhältnisse demonstrierten. Ein interessanter Film.

Der beim Venedig-Filmfestival von 2009 mit einem „Silbernen Löwen“ für die „Beste Regie“ prämierte Film beeindruckt in seiner provokanten Politik-Poesie. Und macht neugierig auf das nächste Filmwerk dieses spannenden Künstlerin Shirin Neshat (= 3 PÖNIs).

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