WO DIE WILDEN MENSCHEN JAGEN

PÖNIs: (4/5)

„WO DIE WILDEN MENSCHEN JAGEN“ von Taika Waititi (B; Co-Prod. + R; Neuseeland 2015; nach dem Roman „Wild Pork and Watercress“ von Barry Crump/1986; K: Lachlan Milne; M: Lukasz Buda, Samuel Scott, Conrad Wedde; 101 Minuten; Heimkino-Veröffentlichung: 27.03.2017); der 1975 im neuseeländischen Wellington geborene TAIKA WAITITI ist maorischer Herkunft. Neben seinen Tätigkeiten als Autor, Regisseur und Produzent ist er in seinem Heimatland auch als Maler, Fotograf, Musiker und Komiker populär unterwegs. Sein Kurzfilm „Two Cars, One Night“ (2003) bekam zahlreiche Preise und wurde für den „Oscar“ nominiert. 2005 erhielt er auf der Berlinale für seinen Kurzfilm „Tama tu“ den „Jury-Spezialpreis“. Im Februar 2014 fand Taika Waititi auf der Berlinale mit seiner Horror-Komödie „What We Do in the Shadows“ viel Anklang, und diese erreichte auch danach beim Kino-Start – unter dem Titel „5 Zimmer Küche Sarg“ – hierzulande respektablen Außenseiter-Zuspruch. Sein neuester Film, Originaltitel: „Hunt for the Wilderpeople“, hatte seine Welturaufführung am 22. Januar 2016 auf dem renommierten „Sundance Festival“ und Ende März 2016 in den einheimischen Kinos. Bei uns ist er kürzlich „nur“ fürs Heimkino herausgekommen, wo er jetzt als superbe Entdeckung voll-gut durchgeht.

Er ist 13, der Vater unbekannt, die Mutter hat ihn einst „dem Amt“ überlassen, er strandete im Heim, wo er als Aufsässiger auffiel. Ricky Baker (JULIAN DENNISON), ein dicklicher Boy mit Maori-Abstammung, der so genannte „Haikus“ schreibt, Kurzgedichte über zum Beispiel Maden und Pisser. Die genervte Frau vom Jugendamt, Paula (RACHEL HOUSE), jedenfalls hat von „diesem Bengel“ die Faxen dicke. Bringt ihn zu einer abgelegenen Farm, wo die neue Pflegemutter Bella (RIMA TE WIATA) und ihr Partner, der mürrische Hector „Hec“ Faulkner (SAM NEILL), den aufmüpfigen Jungen als „Tante & Onkel“ auf- und vor allem „um“-erziehen sollen. Und tatsächlich, dank der eher „normalen“ Art mit ihm umzugehen, was so viel bedeutet wie weniger Befehle, mehr Eigenverantwortung, zum Beispiel bei seinem Hund, den sie ihm schenken und den er Tupac nennt, öffnet sich der Junge nach und nach. Doch als Bella unerwartet stirbt, „fordert“ das Amt Ricky „zurück“. Was der Junge aber auf gar keinen Fall möchte. Viel lieber will er sich „Onkel Hector“ anschließen, der sich zur privaten Trauerbewältigung und überhaupt für einige Zeit allein in den Wald zurückzuziehen beabsichtigt. Wir ahnen es: natürlich schließlich doch MIT Ricky. Zwei ungleiche Partner, die nun von der einen dicken-aggressiven Hals habenden herrischen Amtsfrau Paula und der Polizei gejagt werden. Mit unterschiedlichen Vorwurfs-Begründungen. Was die Medien in Bewegung setzt. So dass auch die Öffentlichkeit mehr und mehr von diesem „eigenwilligen Paar“ und ihren geschickten, absurden Flucht-Abenteuern erfährt.

Schon mit seiner Independent-Groteske „Eagle vs Shark – Liebe auf Neuseeländisch“ huldigte 2007 der Autoren-Regisseur dem „Speziellen“, sprich dem Süffisant-Unnormalen und dem Pfiffig-Exzentrischen. Hier erzählt er, vor und inmitten einer grandiosen Neuseeland-Natur (gedreht wurde im Gebirge der Waitakere Ranges und dem Volcanic Plateau auf der neuseeländischen Nordinsel), eine Abenteuer-Hymne auf Freundschaft und Toleranz, verbunden mit dem individuellen Wunsch nach persönlicher Freiheit. Abseits der „Formularen“-Zivilisation. Zugleich kann dieser wunderbare-intensive Blick auf die unberührte Schönheit von Natur auch als kritischer Hinweis verstanden werden, diese einzigartige Umwelt als prächtiges Weltkultur-Monument ja so phantastisch-unberührt zu lassen. Wie so oft in Filmen mit dieser wirkungsvoll-tiefen atmosphärischen „Busch“-, also Wald-Prägung: Wenn man sich diese erhabene Kulisse anschaut, stört eigentlich nur die Spezies „Mensch“: Der sie betritt, sich in ihr aufhält, sie „benutzt“ und eigentlich bei jeder „Berührung“ ein Stück mehr vernichtet.

„Wo die wilden Menschen jagen“ ist ein sanft-rebellischer Emotionsfilm. Als exzellentes Familien-Filmdrama mit viel lakonischer Spannung und atmosphärischem Drive. Der „kleine Bengel“, Ricky, gespielt vom 2007 geborenen Maori JULIAN DENNISON, ist erfrischend-listig-kess ohne zu übertreiben und altklug zu wirken und vermag mit seinem erwachsenen neuseeländischen Profi-(„Hollywood“-)Kollegen SAM NEILL („Jurassic Park“/deutsche Stimme: Wolfgang Condrus) als Onkel „Hec“ angenehm wie unangestrengt-cool mitzuhalten. Beide sind körpersprachlich stark und glaubhaft und lassen diesen kleinen pointierten Film um das mögliche menschliche Miteinander auch bei unterschiedlichsten Ansichten zu einem großen Unterhaltungsjuwel aufblühen (= 4 PÖNIs).

Anbieter: „Sony Pictures Home Entertainment“.

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