WIND RIVER

PÖNIs: (4,5/5)

„WIND RIVER“ von Taylor Sheridan (B + R; USA 2016; K: Ben Richardson; M: Nick Cave, Warren Ellis; 107 Minuten; deutscher Kino-Start: 08.02.2018); der 47-jährige amerikanische Autor TAYLOR SHERIDAN hat mit zwei Drehbüchern Furore gemacht, denn ihre Verfilmungen wurden zu kinematographischen Schätzen: sowohl „Sicario“, inszeniert von Denis Villeneuve (2015/s. Kino-KRITIK) wie auch „Hell or High Water“, adaptiert von David Mackenzie (2016/s. Kino-KRITIK/“Oscar“-Nominierung für das „Beste Originaldrehbuch“). Jetzt hat er sich an seinen ersten eigenen Regie-Spielfilm gewagt, natürlich auch nach seiner eigenen Drehbuch-Vorlage. Und wieder gibt es – seit der Welturaufführung am 21. Januar 2017 beim renommierten „Sundance Festival“ – weltweit viel Publikumszuspruch und Kritiker-Lob. Zum Beispiel im letzten Frühjahr bei den Filmfestspielen in Cannes, wo der Film innerhalb der „Forums“-Sektion „Un Certain Regard“ präsentiert und Taylor Sheridan mit dem Regie-Preis („Prix de la mise-en-scène“) ausgezeichnet wurde.

„Dies ist das Land der Schafe“: Wir befinden uns in einer der kältesten Natur-Regionen der Welt: im verschneiten ländlichen Wyoming. Wo im Winter die Temperaturen schon mal auf minus 30 Grad und mehr fallen. Hier, im Indianer-Reservat, offiziell: „Wind River Indian Reservation“, zu leben, zu überleben, ist alles andere als gemütlich. Und selbstverständlich. Die junge Frau, die wir eingangs durch diese Landschaft „unangemessen“ bekleidet und auch noch barfuß hetzen sehen, hat keine Chance. Cory Lambert (JEREMY RENNER), der örtliche Jäger und Fallensteller (für zum Beispiel hungrige Pumas), findet ihre Leiche am nächsten Tag. Cory ist die junge Frau bekannt, Natalie Hanson (KELSEY ASBILLE), sie ist die Tochter einer befreundeten Familie aus dem Reservat, und mit dem Fund ihrer Leiche kommen auch eigene schlimme Erinnerungen für den stoischen, wortkargen Fährtenleser auf, wurde doch seine eigene Tochter vor drei Jahren auf ähnliche Weise ermordet. Seitdem leben er und seine indianische Ehefrau getrennt. Cory, in seinem der Landschaft angepassten weißen Tarnanzug, sieht aus wie ein Teil dieser weißen Ödnis; und er ist auch ebenso kompromisslos, wenn es um die Jagd und den Schutz der Menschen hier geht. Obwohl kein Polizist, muss er fortan der ermittelnden jungen FBI-Frau Jane Banner (ELIZABETH OLSEN) helfen, denn sie ist hierfür weder kompetent noch erfahren. Man hat sie einfach aus dem 800 Meilen entfernten warmen Las Vegas, wo sie in Ausbildung ist, hierher delegiert, für diesen im „im Grunde unbedeutenden amtlichen Vorfall“. Um so mehr bedarf sie der konsequenten Unterstützung von Cory Lambert und des örtlichen Stammes-Polizeichefs Ben Shoyo (GRAHAM GREENE/“Der mit dem Wolf tanzt“). Während sich das Wetter rapide verschlechtert, beginnen die Ermittlungen. Die sich eigentlich als nicht sonderlich verzwickt erweisen, doch den Fall letztlich „rechtlich“ „zu klären“, wird eine Mords-Aufgabe.

Ein Schnee-Western mit Thriller-Geschmack und hausgemachten amerikanischen Interessen. Was anderswo, in einer „zivilisierteren“ Gegend, umfangreich wie sorgfältig (auf-)geklärt werden würde, müsste, stößt hier auf nur begrenztes amtliches Interesse. Unterschwelliges Motto: Die Interessen dieser „abgefuckten Loser“ in und aus den Reservaten verdienen keine respektvolle (Be-)Achtung. Diese Sauf- und Rauf-Gemeinschaft gehört an den letzten Aufmerksamkeits-Platz innerhalb unserer „America First“-Gesellschaft. Raunzt es aus jedem Bild, jeder Bewegung, aus jedem kühlen Satz. Irgendwie Verlorene machen sich auf die Spuren von Verlorenen. Die man hierher, in eine Niemandsland-Gegend, einfach so verfrachtet hat, ohne ihnen irgendwelche Perspektiven zu bieten. Was zwangsläufig zu einem gegensätzlichen „Paradies“ führt: Sozusagen Mensch gegen Mensch in der brutalen Gewalt-Schleife. Mit dem Nachspann-Fazit: „Es gibt Vermisstenstatistiken für alle Bevölkerungsgruppen mit Ausnahme von amerikanischen Ureinwohnerinnen. Niemand weiß, wie viele von ihnen vermisst werden“. Der „mit-fühlende“, unauffällig-auffällige Score von Nick Cave & Warren Ellis begleitet dies mit beeindruckenden Score-Klängen.

JEREMY RENNER („Arrival“) bleibt als cooler Hund auf der rächenden Charles Bronson-Fährte („Chatos Land“); ELIZABETH OLSEN (3 x als Scarlet Witch = Wanda Maximoff bei den „Avengers“ zugange) profiliert sich als profundes Team-Mitglied in diesem Kerle-Kosmos. Während Kamera-As BEN RICHARDSON („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“; „Beasts of the Southern Wild“) visuell exquisit die eindrucksvolle, atmosphärische Landschaft in das spannende Nerven-Geschehen mit-einbindet; als emotionalen Naturalismus, der eindrucksvoll Wirkung zeigt. Existenzielle Denk- und Frage-Spuren provoziert: Wie überleben eigentlich Menschen in einem Land, das nicht für sie geschaffen ist und in dem sie/auf dem sie keine zivile Chance haben? „Ich bin müde, den Kampf des Lebens zu führen“, äußert sich einmal der Vater von Natalie, dem getöteten Mädchen.

„WIND RIVER“ ist bemerkenswert-klug, großartig-spannend, tief bewegend (= 4 1/2 PÖNIs).

 

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