Das Tivoli Kino

100 JAHRE KINO IN BERLIN/Das „Tivoli“ in Pankow („Filmriß“/16.04.1994)

Vor 99 Jahren, im Frühjahr 1895, gerieten in Berlin die Bilder in Bewegung. Die Brüder Max und Emil Skladanowsky begannen mit einer von ihnen selbst entwickelten Kamera im Garten der Gaststätte „Feldschlößchen“ in Pankow die ersten Aufnahmen zu machen. Der Sohn von Max Skladanowsky, Erich, schreibt über diese ersten deutschen Dreharbeiten: „Ein großer weißer Vorhang wurde aufgestellt, vor dem bekannte Varieté-Kräfte ihre charakteristischen Künste ausführten. Freiwillig und uneigennützig stellten sich die ausübenden Künstler im Interesse der Sache zur Verfügung. Der alte Gastwirt Sello und seine Kollegen verlangten nicht die geringste Ateliermiete, sondern halfen bei den Vorbereitungen der Aufnahmen noch wacker mit“.

Das „Feldschlößchen“ gibt es heute nicht mehr. Auf dem Grundstück an der Berliner Straße 27 im Bezirk Pankow steht nun ein Mitte der zwanziger Jahre erbautes Haus. In dem ist seitdem das Kino „Tivoli“ beheimatet. Es besteht aus 2 Theaterräumen und bietet fast 400 Besuchern Platz. Franz Stadler, Berliner Kino-Experte und Mitbegründer der deutschen Off-Kino-Szene, kam nach dem Mauerfall mit dem „Tivoli“ in Berührung

Das Interesse war geweckt. Nun aber wurde es „amtlich“: Stichwort „Besitzverhältnisse“; Stichwort: „Zuständigkeiten“. Zwar waren sämtliche Ostberliner Kinos bereits ausgeschrieben, aber nun ging es um die Neu-Formulierung: Ist „Kino“ ein Kultur- oder ein Wirtschaftsunternehmen? Franz Stadler ließ nicht locker und begann mit der Arbeit. Die hatte aber zunächst weniger mit „Film“ zu tun. Und der bauliche Zustand des Kinos ließ auch nicht gerade in großen Jubel ausbrechen…: Franz Stadler spürte instinktiv, wieder einmal genau am „richtigen Ort“ zu sein. Er krempelte die Ärmel hoch und begann mit „seinem“ Programm:

Das „Tivoli“ wurde von der Treuhand mit „roten Zahlen“ geführt. Bereits 1992 konnte Stadler „schwarze Zahlen“ bilanzieren. Und für 1993 ist sogar erstmals mit einem kleinen Gewinn zu rechnen. Franz Stadler schaffte es, das Kino-Interesse in dieser Berliner Region wieder kräftig zu wecken. Die Ursachen? Die Liebe zum Kino.Und zwar so sehr, dass sich eine Bürgerinitiative gründete. Ziel: Der Erhalt des Kinos „Tivoli“. Nun stand Franz Stadler nicht mehr alleine da.

„Die ersten 100 Jahre Kino in Berlin“ nennt sich der Verein, in dem sich namhafte Künstler wie Volker Schlöndorff und Frank Beyer, hochrangige Politiker wie Volker Hassemer sowie Historiker, Filmwissenschaftler und „normale“ Film- und Kino-Interessenten zusammengefunden haben. Der international anerkannte deutsche Autorenfilmer Wim Wenders hat dazu den Vorsitz übernommen. Mittlerweile hat der Verein bereits über 100 Mitglieder. Die Absicht und Aktivitäten des Vereins „Die ersten 100 Jahre Kino in Berlin“ umreißt der Theaterwissenschaftler Andreas Bossmann, der „echter‘ Pankower ist und der in der Nähe vom Kino „Tivoli“ aufwuchs. Während man in Frankreich, in Paris, bereits mit großer staatlicher Unterstützung am Kino-Jubiläumsfest 1995 bastelt, gibt es hier kaum oder gar keine Resonanz seitens der Politik, sprich: vom Kultursenator.

Besteht für die Wiege des deutschen Films, für das Kino „Tivoli“ in Berlin-Pankow. weiterhin Hoffnung?

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