THELMA UND LOUISE

So etwas gibt es also doch noch. Auch für professionelle Kinogänger. Einladung zu einer Pressevorführung. Titel des Films:

„THELMA UND LOUISE“ von Ridley Scott (USA 1990; B: Callie Khouri; K: Adrian Biddle; M: Hans Zimmer; 130 Minuten; deutscher Kino-Start: 24.10.1991).

Was sagt der bzw. das? Erstmal nichts. Beim Namen des Regisseurs kommt schon mehr Neugier auf. Ridley Scott, der hat immerhin Spitzenfilme wie “Die Duellisten“, sein Regie-Erstling, und natürlich “Blade Runner“ (s. Kino-KRITIK) gemacht, der mittlerweile Kult-Status genießt. Weitere Filme von Ridley Scott: “Legende“, “Der Mann im Hintergrund“ und “Black Rain“. Nun also “Thelma und Louise“, Und da ist es dann wieder: Dieses so lange vermisste Kribbeln, diese wunderbare Gänsehaut, diese Freude über einen hervorragenden Film, der alles um Längen schlägt, was es in letzter Zeit zu sehen gab. Es gibt wenige Filme, die bei Erstansicht solche Emotionen hervorgerufen haben.

Einer davon hieß vor 22 Jahren “Easy Rider“. Thema: Zwei junge Männer gehen auf die Suche nach Amerika, Und finden es nicht. Heute sind es zwei Frauen, eben Thelma und Louise. Die wollen sich zunächst nur ein schönes Weekend genehmigen. Wollen zu Freunden irgendwo aufs Land. Thelma hat das öde Eheleben mit Darryl satt. Einem Langweiler, der sie wie Dreck behandelt. Ihr ist zwar nicht wohl zumute, dennoch: Sie will dieses Wochenende, sie will diese kleine Aussteiger-Freude. Louise ist Kellnerin im Coffee-Shop. Louise ist älter als Thelma und macht sich keine Illusionen mehr. Ihr Freund Jimmy – ganz nett, aber ein bisschen auf den Kopf gefallen ist der Typ schon. Da kommt so ein Weekend gerade recht. Mal Luft tanken, mal die Seele baumeln lassen. Es geht los. Unterwegs bekommt Thelma erste Abenteuer-Lust. Man kehrt in eine Pinte ein, trinkt, tanzt, vergnügt sich ein bisschen… doch dann kommt es knüppeldick.

Ein Cowboy-Typ hält sich für den Größten, will die schnelle Nummer, und wenn nicht freiwillig, dann mit Gewalt. Gesagt, getan. Thelma ist in Schwierigkeiten, Louise hilft ihr. Schießt den bulligen Schweinehund nieder. Mit ihrem türkisfarbenen Thunderbird fliehen die Frauen in die Nacht. Begeben sich auf einen Trip durchs Land. Müssen sich ordnen, wollen nachdenken… und geraten dabei auf die schönste, aber auch schlimmste Reise ihres Lebens. Die Kerle zuhause, sie sind platt, Und die Polizei hechelt brav hinterher.

“Thelma und Louise“ ist nach “Easy Rider“ das wohl überzeugendste Road-Movie überhaupt. Oder: Es ist d a s definitive Road-Movie. Zwei Frauen, zwei starke Frauen, und ihr Weg durch Amerika. Waren damals Dennis Hopper und Peter Fonda auf ihrem “Born to be Wild“-Trip, so sind es heute GEENA DAVIS und SUSAN SARANDON. Die haben erst Angst, dann Mut. Und ziehen los. Übertölpeln erst sich und dann die Kerle. In Amerika haben sie darüber getobt, waren wütend, waren außer sich. Die Kerle. Warum? Weil sie es nicht gewohnt sind, auch mal eins auf die Nase und auch tiefer zu bekommen. Zwei Frauen bestimmen hier die Richtung und lassen die Boys ganz schön alt, doof und gemein aussehen. Und: Na-Und? Was haben denn Männer nicht im Laufe des Kinos schon alles mit Frauen angestellt? Nun gibt‘s die Retourkutsche. Wunderbar!

Dabei gehen Autorin Callie Khouri und Regisseur Ridley Scott nicht verbissen, sondern locker, lustig und mit viel Schwung, Stimmung und Köpfchen vor. “Thelma und Louise“ ist ein wunderbar komischer, temporeicher Film… bei allem Ernst. Er geht unter die Haut, hat phantastische, neue, Amerika-Bilder, ist ebenso intelligent wie witzig und spannend. Und: Auch solche Gedanken kommen auf, Wim Wenders saust jahrelang durch die Welt, um Bilder und Geschichten zu suchen: Ridley Scott geht 6 Monate ins Innere von Amerika und stellt sinnliche und betörende Bilder und Geschichten zusammen, bei deren Anblick Wenders neidisch werden muss.

“Thelma und Louise“, das ist d e r Film in diesem Herbst und darüber hinaus. Er ist ein Glücksfall, weil er auf ironische und lustvolle Weise die Anarchie und die Freiheit propagiert, und weil er von zwei tollen Frauen erzählt. Kino-Herz, was willst du mehr. Zudem: Es gibt beste Musik, wie es sich für ein Road-Movie der Spitzenklasse gehört. Interpreten wie Glenn Frey, B.B. King oder Marianne Faithfull heizen die unglaublich gute Laune noch mehr an. Was für ein Ereignis, was für ein toller, einfallsreicher, sinnlicher Film: “Thelma und Louise“ (= 5 PÖNIs).

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