THE SECRET MAN

PÖNIs: (4/5)

„THE SECRET MAN“ von Peter Landesman (B; Co-Produzent + R; USA 2016; nach dem Buch „A G-Man’s Life: The FBI, Being ‘Deep Throat‘, and the Struggle for Honor in Washington“ von Mark Felt und John O’Connor/2006; Co-Produzent: Ridley Scott; K: Adam Kimmel; M: Daniel Pemberton; 103 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.11.2017); auch der Originaltitel lautet „umfangreich“: „Mark Felt: The Man Who Brought Down The White House“.

Inzwischen auch bei uns sprach-gebräuchlich: WHISTLEBLOWER; davor: Hinweisgeber, Enthüller. Oder auch: Skandalaufdecker. Es gab sie immer schon, die Aufklärer, die der Öffentlichkeit geheime, wichtige Informationen zukommen ließen. Um „unbearbeitete“ Fälle von erheblichem Machtmissbrauch, von Korruption, Datenklau, Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu machen. Carl von Ossietzky deckte 1929 in einem Artikel in der „Weltbühne“ verbotene Aufrüstung der Reichswehr auf. Er war 19, hieß Meier, ein Polizist der Stadtpolizei Zürich, der 1967 eine einheimische Polizei- und Justizaffäre an die Öffentlichkeit brachte und danach „vehement“ verfolgt wurde. Darüber existieren ein Buch und ein Film.

ER zählt zu den bedeutendsten Whistleblowern überhaupt: MARK FELT. Der am 17. August 1913 in Idaho geborene Felt ist im Frühjahr 1972 ebenso loyaler wie eiserner = patriotischer stellvertretender FBI-Direktor. Als sein Boss J. Edgar Hoover am 2. Mai 1972 stirbt, wird er für den Chef-Posten gehandelt. Doch überraschenderweise setzt Präsident Nixon einen Außenstehenden auf den ersten FBI-Führungsposten. Als am 17. Juni 1972 mit dem Einbruch in das Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate-Gebäude von Washington die Watergate-Affäre startet, wird Mark Felt (LIAM NEESON) nach und nach zu einer entscheidenden, anonymen Übermittlungs-Figur. Weil weder Regierung noch sein Chef an einer umfassenden Aufklärung „dieses unwichtigen Falles“ interessiert sind, sieht er sich in der nationalen Pflicht, hier ausgiebig nachzuhaken. Dabei gerät auch er immer mehr in den Verdächtigungsfokus.

Die „Washington Post“ ist mit ihren investigativen Reportern Bob Woodward (JULIAN MORRIS) und Carl Bernstein unterwegs, um täglich journalistisch „nachzugraben“ und nicht mehr aufzuhören; unter Mithilfe ihres hochrangigen Informanten, den sie in der Redaktion „Deep Throat“ nennen. Das End-Ergebnis ist bekannt. Richard Nixon, der 37. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, trat am 9. August 1974 (als erster und bislang einziger US-Präsident) vom Amt zurück. 2005 erst wurde Mark Felt als „Deep Throat“-Informant bekannt.

„The Secret Man“ hat einen unübertroffenen Themen-Vorgänger mit d e m Watergate-Klassiker: „Die Unbestechlichen“ von Alan J. Pakula aus dem Jahr 1976 (mit dem Reporter-Gespann Dustin Hoffman/Robert Redford). Der Autoren-Regisseur Peter Landesman, der 2013 mit seinem politischen Drama „Parkland – Das Attentat auf John F. Kennedy“ viel Beachtung fand, hält sich hier (zu) sehr an den trockenen Personen- und Tages-Fakten fest, bleibt dadurch emotional etwas zu unterkühlt; leistet sich nur einen gefühlsintensiven Nebenstrang: Die Tochter des Ehepaars Mark und Audrey Felt (= großartig: DIANE LANE) ist verschwunden, lebt seit Monaten in einer illegalen wie „aktiven“ Hippie-Kommune; die Eltern bemühen sich verzweifelt, sie aufzuspüren und zurückzuholen. Das allerdings wissen auch Mark Felts Konkurrenten in der Behörde wie im Weißen Haus.

LIAM NEESON und der aufrechte Gang. Nach diversen Einsätzen als brachialer Action-Held („96 Hours – Taken“) wirkt er hier als verbitterter, wütender Beamter in Maß-Form. Ein politischer Puritaner, den „solche Aktionen“ wie Watergate – und vor allem, wie diese offiziell behandelt, besser nicht-behandelt werden (sollen) – zutiefst anwidern. Ein Amerika-Gläubiger, -Höriger, ein Gerechtigkeits-Fanatiker, wird vom loyalen Entscheider zum extremen Verräter. Davon ERZÄHLT dieser Film ausgiebig. Ausführlich. Durch den stoischen Neeson-Felt ist knisternde Dauer-Spannung gegeben; obwohl das Ende bekannt ist. Aber das Wie und Wieso aus der Informanten-Sicht zu erfahren, birgt einen ungeheuren Reiz und bereitet – auch heute wieder – ein ziemliches Kopf-Vergnügen: „The Secret Man“ ist ein exzellenter Polit-Thriller (= 4 PÖNIs).

P.S.: Für einen wirksamen Schutz von Whistleblowern in ganz Europa hat sich das EU-Parlament am 24. Oktober 2017 mit Mehrheit ausgesprochen. Nach dieser Entscheidung ist jetzt die EU-Kommission gefordert, eine europaweite Regelung in die Wege zu leiten, die dann von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müsste. Auslöser für die Parlamentsentscheidung war ein Bericht über den völlig unzureichenden Schutz von Informanten in den europäischen Staaten. DAZU GEHÖRT AUCH DEUTSCHLAND, WO DIE GROßE KOALITION ZWAR DEN WHISTLEBLOWERSCHUTZ 2013 IN IHREN KOALITIONSVERTRAG GESCHRIEBEN, ABER NICHT UMGESETZT HAT.

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