T2 – TRAINSPOTTING

PÖNIs: (4/5)

„T2 – TRAINSPOTTING“ von Danny Boyle (GB 2016; Co-Produzent: Danny Boyle; B: John Hodge; nach dem Roman „Porno“ von Irvine Welsh/2002; K: Anthony Dod Mantle; M: u.a. Songs von Blondie, The Clash, The Prodigy und The Rubberbandits; 117 Minuten; deutscher Kino-Start: 16.02.2017); KULT-Film wird heutzutage schnell wie inflationär benutzt, verwandt, doch bei diesem britischen Oldie aus dem Jahr 1996 ist der Begriff aber so etwas von angebracht: „Trainspotting – Neue Helden“ (s. Kino-KRITIK) ist und bleibt unvergessen, weil so prächtig provokant, einmalig faszinierend-grandios-verblüffend-hautnah stinkend. Er ist definitiv der beste Briten-Film des 90er-Jahrzehnts.

2002 veröffentlichte der „Trainspotting“-Autor IRVINE WELSH auf 576 Roman-Seiten die Fortsetzung; mit dem Titel: „Porno“ (2004 hierzulande erschienen). Dennoch dauerte es noch über ein Jahrzehnt, um „die originale Crew“ wieder zusammen zu holen, damit es – endlich – auch auf der Leinwand weitergehen kann. Atmosphärische Störungen zwischen den inzwischen zu Weltstars aufgestiegenen Danny Boyle („Oscar“ 2009 für „Slumdog Millionär“; s Kino-KRITIK) und dem Schotten EWAN McGREGOR (der „Obi-Wan Kenobi“ in „Star Wars 1 bis 3“; zuletzt in der Philip Roth-Adaption „Amerikanisches Idyll“) sollen die Verzögerungsgründe gewesen sein.

Teil 1 sollte bekannt sein; sollte mitlaufen. Diese einstige „Uhrwerk Orange“-Achterbahnfahrt im Müll. Mit rabiatem Speed-Geschmack. Über zwei Jahrzehnte ist es her, dass der Junkie Mark Renton (EWAN McGREGOR) seinen Kumpels Simon „Sick Boy“ Williamson (JOHNNY LEE MILLER), Daniel „Spud“ Murphy (EWEN BREMNER) und Francis „Franco“ Begbie (ROBERT CARLYLE) die 16.000 Pfund aus einem Heroin-Deal klaute und verschwand. Sie waren damals eine verschworene Gemeinschaft. Bekennende Outlaws auf Edinburghs Straßen. Während die Erzeuger soffen, rauchten und Fernsehen als Lieblingsfeierabend- oder Ganztagsvergnügen auserkoren hatten, standen sie total auf: Heroin. Mit allen Drum-und-Dran-Folgen. Als es „zu viel“ und auch immer „bedrohlicher“ wurde, zog Mark die private Reißleine. Ende der Exzesse, ab gen Amsterdam. Fortan ohne Drogen, zuständig für die Entwicklung von Lagerverwalter-Software für den Einzelhandel. Heirat. Ohne Kinder. Als er hört, dass seine Mutter gestorben sei, kehrt er nach Edinburgh zurück. Wo ihn die alten Kumpels „herzhaft-brutal“ begrüßen. Jeder auf seine Weise. Franco beabsichtigt sogar, ihn zu killen. Während Mark ihnen ihre Kohle zurückgeben, eigentlich mit ihnen Bilanz ziehen und irgendeinen Sinn „herausbekommen“ möchte, jetzt sozusagen als „Tourist in deiner Jugend“, wie es Sick-Boy einmal formuliert, befindet man sich bald schon wieder zusammen in der Milieu-Seuche. Nur diesmal sind sie keine 20 mehr, sondern längst abgefuckte Wilde.

Wo sich Scheiße nicht mehr exotisch, sondern beschissen anfühlt. Riecht. Und schmutzt. Und wo eine Frage sich so langsam ihnen nähert und sie beunruhigt: „Ich kann jetzt noch vier Jahre so weitermachen, oder vielleicht sechs, aber dann? Was mache ich die nächsten 30?“ Die einst so hochgehaltene Desorientierung und Bloß-Nicht-Vereinnahmung durch wen oder was auch immer, ist einer trüben Erkenntnis gewichen: Verdammt nochmal, habe ich etwa die letzten 20 Jahre nur verschenkt? Midlife Krise bei den Aufbegehrern von einst. Außer beim Choleriker Franco, der will nur zerstören. Pur, also konsequent-gemein sein. Dass er dabei völlig auf der Strecke bleiben kann, ist ihm egal: Franco ist auch heute noch der Wütendste der Viererbande. Und der Gefährlichste. ROBERT CARLYLE („Ganz oder gar nicht“; zuletzt: „Die Legende von Barney Thomson“/s. Heimkino-KRITIK) mimt einen grandiosen Aggressor.

„T2“, mit dem atmosphärischen Geruch von „T1“ verbandelt, wirkt immer noch und weiterhin. Diese vier urigen Kauze der Unsauberkeit sind für Uns-Liebhaber der vortrefflich-schmutzigen Cinema-Kultur immer noch eine (familiäre) Wonne. Sozusagen: diese wonnige Melancholie-Anarchie. Um gute Bekannte, die eine Zeitlang abwesend waren und jetzt wieder zum heimischen Schmuddel-Spielplatz gefunden haben. Man kann ihnen bei ihren „Spielchen“ ironisch-amüsiert zusehen. Und zuhören. Bei ihrem identitätsheischendem Unrat-Gewusel und mit IHREN herrlich korrespondierenden Power-Songs.

Das urige Klassentreffen oder merke: die Pin-Zahl lautet immer: 1-6-9-0. Und: Brexit kommt morgen, heute wird die EU erst nochmal geschröpft. 100.000 Pfund gilt es abzugreifen. Die Verarschung ist enorm. Der 60-jährige Danny Boyle, der leidenschaftliche Menschen-Jongleur, hat es erneut geschafft: „T2“ lebt tief-hoch (= 4 PÖNIs).

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