SUKIYAKI WESTERN DJANGO

PÖNIs: (4,5/5)

Heute mal anschnallen, festhalten, schrill durchatmen. Sensibelchen und Kunstsachverständige weggehört, denn heute ist filmisch pures, wildes RABAUKENTUM annonciert. In, mit bzw. durch einen GAAANZ schrägen, rotzigen, rüden Film, der natürlich hierzulande vorab nur mal kurz beim „Asiafilmfest“ in München zu sehen war, sonst aber weder vorab im „Normalkino“ noch bisher im Fernsehen lief. Dabei handelt es sich um den in deutscher DVD-Erstveröffentlichung angelaufenen JAPANISCHEN Film mit dem schönen, unverwechselbaren und geschmackvollen Titel

„SUKIYAKI WESTERN DJANGO“ von Takashi Miike (Co-B + R; Japan 2007; Co-B: Masaru Nakamura; K: Toyomichi Kurita; M: Kôji Endô; 121 Minuten im Original; 95 Minuten in der deutschen Fassung; deutsche Heimkino-Veröffentlichung: 12.06.2009).

Bevor ich auf die spannende filmische Historie zu diesem „speziellen Film“ komme: TAKASHI MIIKE, Jahrgang 1960, ist ein äußerst produktiver japanischer Filmemacher. Denn DER hat seit seinem Debüt im Jahr 1991 („Lady Hunter“) bereits über 50 Kino-, Video- und TV-Produktionen hergestellt. Alleine in den Jahren 2001 und 2002 inszenierte er 14 Produktionen. 74 Filme in 16 Jahren sind eine „stolze Produktionswut“. Viele seiner Filme zeigen comicartig-drastisch-abstrakte Gewaltszenen und („typisch asiatische“) Blutbäder, während im Mittelpunkt seiner Stories zumeist gnadenlose (Yakuza-)Verbrecher ihr Unwesen treiben.

Bekannt von Miike sind bei uns Filme wie „Audition“ (1999), „Dead or Alive“ (2000) und „Ichi der Killer“ (2001), bei dem die BBC in Großbritannien sich weigerte, ihn ungeschnitten zu zeigen, während in Hongkong 15 Minuten fehlten und er in den USA ungeschnitten, allerdings ohne Jugendfreigabe, gezeigt werden konnte. Takashi Miike gilt als „einer der innovativsten und unberechenbarsten Regisseure der Welt“ (Jamie Russell, BBC). Dieses Miike-Werk ist im Titel eine Anspielung an den MAKARONI-Western, wie der italienische „Spaghetti-Western“ in Japan spöttisch genannt wird. Und in der Tat, Zitate und filmhistorische Bezüge zuhauf gilt es hier festzustellen:

1.) Ganz am Anfang steht der erste Roman von DASHIELL HAMMETT, „Red Harvest“, der bei uns unter den Titeln „Bluternte“ und „ROTE ERNTE“ publiziert wurde. In den USA wurde er zuerst im „Black Mask Magazine“ als Serie, betitelt „The Cleansing of Poisonville“, von November 1927 bis Februar 1928 veröffentlicht. Der Detektiv einer privaten Detektiv-Agentur wird in eine Kleinstadt geschickt, um einen unbekannten Auftrag eines bekannten Bürgers auszuführen. Dort angekommen, muss er feststellen, dass die Stadt von mehreren rivalisierenden Gangsterbanden beherrscht wird. Diese spielt er gegeneinander aus, bis die Gemeinde wieder „sauber“ ist, wobei er auch mit Intrigen und Mord „arbeitet“.

2.) 1961 drehte der japanische Regisseur AKIRA KUROSAWA den mit vielen Elementen des klassischen Westerns versehenen Film „YOJIMBO – DER LEIBWÄCHTER“: Ein Ronin (TOSHIRO MIFUNE) befreit ein Dorf von zwei rivalisierenden Banden.

3.) 1964 inszenierte der bis dahin völlig unbekannte Italiener SERGIO LEONE in Co-Produktion Italien/Spanien/D den Western „FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR“ (s. Kino-KRITIK): Ein Fremder, Joe (der bis dato kaum bekannte TV-Serien-„Cowboy“-Darsteller CLINT EASTWOOD), kommt in ein abgelegenes Nest in New Mexico und kassiert von zwei rivalisierenden Gangsterfamilien „Blut-Lohn“ und trickst sie dabei aus.

4.) 1996 dreht Hollywood-Regisseur WALTER HILL den Film „LAST MAN STANDING“ in der Mixtur aus Thriller, Action-Movie, Western, Gangsterfilm und Drama: Der abgehalfterte Revolverheld John Smith (BRUCE WILLIS) schlägt sich in der mexikanischen Kleinstadt Jericho mit „Aufträgen“ zweier rivalisierender Gangsterfamilien durch, wobei er ständig wie profitabel die Seiten wechselt.

Nun also die japanische Filmversion an einem kleinstädtischen UNORT. Wo sich zwei Clans erbittert um einen vermeintlichen Goldschatz bekriegen, der hier vergraben sein soll. Als ein namenloser wie treffsicherer Pistolero auftaucht (HIDEAKI ITO), spielt er genüsslich beide Seiten aus. Allerdings ist er nicht der Einzige, der hier seine ureigenen Pläne mit den beiden verbrecherischen Gruppierungen von Weiß und Rot verwirklicht, auch die mysteriöse Ruriko (KAORI MOMOI) kocht hier ihr eigenes, ganz privates Rache-Süppchen. Ein schräges, abgefahrenes, natürlich zitatenreiches, schön-schmutziges Genre-Werk. Mit rüden, blutigen, atmosphärischen Anklängen an die genannten Klassiker wie aber auch an weitere Italo-Western-Hits. „Leichen pflastern seinen Weg“, der eisige Schnee-Polit-Western von Sergio Corbucci aus dem Jahr 1968 (mit Jean-Louis Trintignant als stummer Revolverheld), ist ebenso darunter wie natürlich Corbuccis Klassiker, der berühmte Sarg-Western „DJANGO“ von 1966, mit dem schmutzigen Franco Nero.

In einer bunt-skurrilen Mischung aus Hommage, Parodie, Hymne, Brutalo-Klamauk und Eigen-Western-Show, also in einer Art asiatischen Verbeugung vor den berühmten Originalen, entwickelt sich ein bisweilen (Sheriff-)personell überfrachteter, jederzeit aber auch reizvoller, uriger wie atmosphärischer Nippon-Remake-Slapstick-Spannungs-Western, in dem genüsslich Sätze wie „Mach‘s nicht noch schlimmer, Hosenscheißer, der bessere Mann kriegt die Kleine“ oder „Ich denke, dass jeder Mensch seine eigenen Gründe hat, weshalb er weiterleben möchte“ oder „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“ ebenso vorkommen wie heiße Duelle, kernige wie lausige Typen, blutige Schlachten und „komische Befindlichkeiten“. Und selbst Shakespeare wird im Übrigen schon mal propper zitiert/benutzt.

„Sukiyaki Western Django“, im Original 121 Minuten, bei uns jetzt um 25 Minuten gekürzt und synchronisiert (im Original raunzten die japanischen Akteure ein schlechtes und meistens kaum verständliches Englisch), kommt auch mit Morricone-ähnlicher Klangfarbe daher und setzt sich abschließend mit der japanischen Gesangsversion des italienischen „Django“-Titelliedes die schräge Stimmungskrone auf. Er ist auf jeden Fall einer der außergewöhnlichsten DVD-Spezi-Filme der letzten Zeit und für suchende „Extrem-Seher“ und cineastische „Schnüffler“ ein interessantes, amüsantes Muss. Ach so ja, fast hätte ich es vergessen, dabei war er gar nicht zu übersehen: „Pulpie“ QUENTIN TARANTINO setzt hier auch kurze passende „Duftmarken“, diesmal als „skurriler Akteur“ in der schelmischen „Ouvertüre“ und dann kurz auch mal in der Mitte als erst dynamischer wie dann auch als uralter Grobian und Stinker; ein prächtiges Bonmot … eine „irre“ Fußnoten-Pointe.

Fazit also: Ein unterhaltsamer DVD-Film für bestimmte „begleitende Getränke“, würde ich angeturnt sagen (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „Universum Film“.

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