DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER

„DER STAAT GEGEN FRITZ BAUER“ von Lars Kraume (Co-B + R; D 2014; Co-B: Olivier Guez; K: Jens Harant; M: Julian Maas, Christoph M. Kaiser; 105 Minuten; deutscher Kino-Start: 01.10.2015); es macht einen traurig, wütend und froh. Froh, dass IHM endlich d i e Würdigung zuteilwird, die er längst öffentlich verdient hat. Wütend darüber, wie man einen solch honorigen Menschen, Bürger und – immerhin – Generalstaatsanwalt der BRD in jener Zeit behandelt hat, als er heldenhaft wirkte, nämlich misstrauend und hinterhältig. Traurig, weil es viele solcher Menschen gibt, die immer erst nach vielen Jahren ihres verdienstvollen Engagements und weit nach ihrem Tode ihre berechtigte Anerkennung und Würdigung bekommen. Anstatt dieses bereits im Heute „hervorzuheben“. Auszurufen.

Das erste Mal gehört habe ich von ihm über den Spielfilm „IM LABYRINTH DES SCHWEIGENS“ von Giulio Ricciarelli, der im letzten November in den Kinos anlief und jetzt Deutschland bei den Auslands-„Oscar“-Nominierungen vertritt (s. Kino-KRITIK); gespielt wurde er dort von Gert Voss: FRITZ BAUER (*16. Juli 1903 – †1. Juli 1968). Der jüdische Sozialdemokrat überlebte die Nazi-Ära (nach achtmonatigem KZ-Aufenthalt in Heuberg) in Dänemark. 1949 kehrte er in die Bundesrepublik zurück. Der promovierte Jurist wurde 1956, auf Initiative des hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn, in das Amt des Generalstaatsanwalts mit Sitz in Frankfurt am Main berufen.

„In der Justiz lebe ich wie im Exil“ ist von Fritz Bauer ebenso überliefert wie sein Satz: „Wenn ich mein (Dienst-)Zimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland“. Der Grund: Als oberste Aufgabe sah es der bundesrepublikanische Generalstaatsanwalt an, die bis dahin überhaupt nicht – weder juristisch noch moralisch noch überhaupt gesellschaftlich – aufgearbeitete jüngste deutsche Nazi-Vergangenheit anzugehen. Und an beziehungsweise in die Öffentlichkeit zu bringen. Was ihm extrem viele Probleme bescherte und Vorwürfe einbrachte, vor allem innerhalb des eigenen Systems, sogar in der eigenen Behörde. Wo viele braune Schergen „von damals“ (zusammen-)arbeiteten, die kein Interesse an jedweder Aufklärung (und eventueller Verurteilung) hatten. Die Adenauer-BRD war gerade dabei, das Wirtschaftswunder zu entwickeln. Fressen anstatt Denken beziehungsweise NACH-Denken lautete die allgemeine Verdrängungs-Parole.

In solch einem Umfeld hatte selbst ein hoher Amtsträger wie ein Generalstaatsanwalt es schwer, sich Gehör zu verschaffen, überhaupt: „seiner Amtsaufgabe“ nachzugehen. Dennoch erreichten die vielen Aktivitäten und Initiativen des Fritz Bauer und einiger engagierter Staatsanwälte schließlich, dass es zu den aufsehenerregenden Ausschwitz-Prozessen in Frankfurt kam, beginnend im Dezember 1963, gegen 22 Angeklagte. Wie in „Im Labyrinth des Schweigens“ ausführlich geschildert.

Der Spielfilm „Der Staat gegen Fritz Bauer“ nähert sich einer weiteren, „intensiven“ Recherche-Mammut-Aufgabe Fritz Bauers. Das Aufspüren und die Gefangennahme von Adolf Eichmann, dem Nazi-Massenmörder. Nachdem ihn der Brief des ehemaligen KZ-Häftlings Lothar Hermann erreicht, dass sich Eichmann in Argentinien aufhält, ist Bauer elektrisiert. Aufgescheucht. Beginnt, unterstützt vom jungen Staatsanwalt Karl Angermann (RONALD ZEHRFELD), mit eigenmächtigen Ermittlungen. Jenseits der eigenen Behörde. Wo sich Oberstaatsanwalt Kreidler (SEBASTIAN BLOMBERG) und BKA-Mitarbeiter Gebhardt (JÖRG SCHÜTTAUF) zusammentun und sich alle illegale Mühe geben, den unliebsamen „Herrn Bauer“ zu behindern. Zu obervieren. Zu diskreditieren. Was bedeutet, dass auch im Privatleben von Fritz Bauer herumgeschnüffelt wird. „Der Jude ist schwul“, frohlocken die internen Ermittler und Jäger. Währenddessen sich der Generalstaatsanwalt „diskret“ an den israelischen Geheimdienst Mossad wendet. Was nach deutschem Recht „eigentlich“ Landesverrat bedeutet. Und Haft nach sich zieht.

Spannend. Aufregend. Packend. Der Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ist ein erstklassiger deutscher Polit-Thriller. Der unter die Haut geht und auf handfeste Weise den Denk-Kopf beschäftigt. Hier wird nicht trocken dokumentiert, sondern fesselndes Spannungs-KINO entwickelt. Zubereitet. Durchgespielt. Ohne Zeigefinger, betonte Ausrufungszeichen, authentisches Material-Abhaken. Ganz im Gegenteil. Der Film ist temporeich, intelligent durchdacht, mit atmosphärischer Dichte angesetzt. Die träge Engstirnigkeit dieser westdeutschen Nachkriegsepoche wird atmosphärisch-fulminant vor Augen geführt. Der Spielfilm ist aber auch vor allem deshalb überragend, weil das Ensemble überragend glaubhaft „mit“-spielt. Bis in kleinste Nebenparts charakter-stimmig ausgelotet ist.

Während an der Rampe ein Schauspieler herrscht, der mit dieser Leistung „den Olymp“ abruft. Wir kennen BURGHART KLAUßNER, geboren am 13. September 1949 in Berlin, aus unendlich vielen (auch: großartigen Neben-)Rollen. Sowohl im Kino („Elser“; „Diplomatie“; „Das weiße Band“) wie auch im Fernsehen („Das Adlon. Eine Familiensaga“). Hier aber „wird“ er zu Fritz Bauer. Äußerlich verblüffend – am Anfang des Films sieht und hört man den „echten“ Fritz Bauer – wie auch innerlich zerrieben. Eine darstellerisch absolut hochkarätige Performance, die mit jeder Körper- und Kopf-Pore grandiose Wirkung zeigt. Reich vermittelt.

Die Marke, das Genre „Polit-Thriller“ kann mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ein weiteres hochkarätiges Film-As verbuchen. Zuordnen. Es ist bravourös-aufregend, dieses herausragende deutsche Spannungsepos an- und aufzunehmen. Und das hiesige Schulkino hat künftig ein Meisterwerk im Angebot (= 5 PÖNIs).

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