SINGIN‘ IN THE RAIN – GEDANKEN ÜBER EINEN MUSICAL-KLASSIKER

Singing in the rainSingin‘ in the Rain“ ab 20.06.1980 im „Notausgang“

Über das perfekte Hollywood-Musical „Singin‘ in the Rain“, gedreht zu Beginn der 50er Jahre, ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Gene Kelly und Stanley Donen haben sich vor 28 Jahren diesen Technicolor-Filmspaß ausgedacht und damit, ohne es vorher zu ahnen, einen Meilenstein in der heiteren, musikalischen Zelluloid-Industrie Amerikas gesetzt. Mag es heutzutage manches Filmmusical in unseren Landen schwer haben ein begeistertes Publikum zu finden. „Singin‘ in the Rain“ hat sich längst über seine musikalischen Grenzen hinausbewegt und fasziniert nicht nur durch nostalgische Melodien, sondern auch durch witzige Dialoge.

Einst in den 50-er Jahren, als man noch an das amerikanische Musicals in den Kinos glaubte, an seinen Unterhaltungswert, war „Du sollst mein Glückstern sein“, so hieß „Singin‘ in the Rain“ damals bei uns, ein Film unter vielen. Die Qualitäten eines Gene Kelly erkannten Cineasten erst viel später. Nicht, dass man damals unkritischer einen Revuefilm betrachtete, vielmehr wurden die Kenner des Metiers durch allzu saloppe Synchronisationen irregeleitet. Nichts gegen Erik Ode als Sprecher, seine Stimme passte sogar zum rauchigen Timbre von Mr. Kelly. Aber wenn man dann noch Erik Ode alias Gene Kelly mit süßlichem, deutschem Text singen hörte, dann war die schöne Hollywood-Illusion gänzlich zerstört und vom charmant agierenden Gene Kelly blieb nichts weiter übrige als sein gekonnter Stepptanz. Logisch, dass das nicht ausreichte, um aus 110 Minuten „Singen im Regen“ einen Klassiker zu machen.

Viele Jahre mussten vergehen, ehe sich ein findiger Verleiher bei uns zu einem erneuten Kinostart entschloss, das war Ende der 60er Jahre. Derjenige hatte auch eine gute Idee, in dem er sich sagte, „lass den Erik Ode raus, gib dem Kelly eine Chance, mach Untertitel, geh‘ nicht in große Kinos, zeig’s den Jüngeren in Filmkunsttheatern am Rande der kommerziellen Kinoszenerie“. So oder ähnlich ergab sich in deutschen Landen die Basis zu einem Filmklassiker.

Man muss jedoch hinzufügen, dass Hollywood genau dann am perfektesten ist, wenn es über sich selbst berichten kann. Es ist die doppelte Illusion, die die Menschen fasziniert, nicht der alleinige Kinogenuss, sondern auch das geheime Schauen hinter die Kulissen. „Singin‘ in the Rain“ bietet hiervon reichlich an. Man amüsiert sich über den Starkult, man ist Gast auf Hollywood-Parties, erlebt ein wenig vom Nervenkitzel eines Stuntmans. Die Wende vom Stumm zum Tonfilm wird blendend karikiert, ohne die Nöte der damaligen Zeit aufzuzeigen. Man freut sich diebisch, wenn in den letzten Filmmetern die dümmlich, platinblonde Sex-Sirene Jean Hagen mit Kieksstimme abserviert wird, um der braven, lieben Debbie Reynolds mit schöner, klarer Stimme den Weg zu Starruhm zu ebnen.

Vieles mag an „Singin‘ in the Rain“ kitschig erscheinen, aber letzten Endes ist das Leinwandgeschehen so tempogeladen, so überdreht, so gekonnt kitschig, dass daraus wieder Kunst wurde. Spielerische Nuancen des Films bekommt selbst der aufmerksamste Betrachter beim ersten Mal gar nicht mit, unbewusst wird man zu einem zweimaligen oder gar dreimaligen Besuch verleitet und der Spaß daran bleibt erhalten. Für eine geraume Zeit empfand man das glühende Technicolor-Verfahren als zu unnatürlich, doch inzwischen ist dieses Geschmackspendel wieder umgeschlagen und man empfindet wieder Gefallen an dieser so bunten Leinwand-Welt. Es garantiert dem Betrachter eben ein super-scharfes Bild, was andere Farbverfahren nicht bieten können. Wiederum ist das echte Technicolor von damals inzwischen so teuer geworden, dass Kopien dieser Art, und „Singin‘ in the Rain“ wurde in diesem Farbsystem gedreht, Raritäten-Charakter erhalten.

Hollywood-erfahren sind nicht nur die Schauspieler des Musical-Streifens, auch der Rest hinter den Kameras hat zum Erfolg entscheidend beigetragen. Einmal sind dies die Autoren Betty Comden und Adolph Green, die das Bühnen-Showgeschäft von Pieke auf erlernt haben und treffsicher Erfolg an Erfolg reihten. Nicht zu vergessen die Musikmacher Lennie Hayton, Conrad Salinger und Skip Martin, die bereits in den 40-er Jahren in ihrem musikalischen Empfinden der Zeit weit voraus waren, und schließlich sind es die einfühlsamen Evergreens des Teams Arthur Fred und Nacio Herb Brown, die man seit den späten 20-er Jahren teilweise schon in anderen Revue-Filmen mehrmals zu hören bekam. Vom Charleston einer Hollywood Revue von 1929 über die gekonnte Swing-Version einer Judy Garland in den Kriegsjahren bin hin zur eleganten Show-Aufbereitung zu Beginn der 50er Jahren hat die MGM stets auf Top-Qualität in ihren musikalischen Abenteuern geachtet. Diese Perfektion hat sogar noch in unseren Tagen ihre Gültigkeit und setzt hier und da immer noch Maßstäbe.

Selten ist Heiterkeit und das Gefühl, sich von der Erde loszulösen mit einem Schuss menschlichen Übermuts, so ideal eingefangen worden wie in den beiden „Singin‘ in the Rain“-Nummern „Make ‚em laugh“ mit dem akrobatischen Donald O’Connor, der sogar Wände hinauflaufen kann, und natürlich die Titelmelodie selbst mit einem glücklichen Gene Kelly, der die Regenpfützen zu einem Teil seines Stepptanzes macht. Wahrscheinlich ist dies die schönste Musical-Sequenz, die je auf Zelluloid gebannt worden ist. Warum? Vielleicht weil sie ein Stückchen Kindheitsempfinden in der Welt der Erwachsenen bewahrt hat.

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