SHERLOCK HOLMES: SPIEL IM SCHATTEN

PÖNIs: (4/5)

„SHERLOCK HOLMES: SPIEL IM SCHATTEN“ von Guy Ritchie (USA/GB 2010/2011; B: Michele & Kieran Mulroney; K: Philippe Rousselot; M: Hans Zimmer; 129 Minuten; deutscher Kino-Start: 22.12.2011); wer hätte das gedacht – dass die einst vom britischen Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle (*1859 – †1930) erfundenen viktorianischen Schnüffler-Figuren Sherlock Holmes & Dr. John Watson auch heute noch solch wuchtigen „Bestand“ haben. Sowohl im Kino wie neulich auch im Fernsehen. Wo die hervorragende BBC-TV-Serie „Sherlock“ die beiden Meisterdetektive in das heutige London versetzte und atemberaubende Abenteuer erleben ließ. (Die zweite Staffel mit drei weiteren Folgen wird ab 1. Januar 2012 in GB gesendet und läuft dann demnächst auch wieder in der ARD.) SHERLOCK HOLMES, der Kinofilm, war Ende Januar 2010 auch bei uns DIE imponierende Leinwandüberraschung (s. Kino-KRITIK). Der britische Regisseur Guy Ritchie (u.a. „Snatch – Schweine und Diamanten“/2000; „RocknRolla“/2008; s. Kino-KRITIK) entstaubte die historische Britannien-Szenerie des späten 19. Jahrhunderts zünftig, stattete seinen exzentrischen Sherlock Holmes als historischen Bond-Charmeur mit tollkühner Akrobatik und sarkastischen Sprüchen aus und stellte ihm Dr. Watson gleichrangig an die Ermittler-Seite. „Sherlock Holmes 1“ war tolles, modernes Popcorn-Kino. Das prächtig unterhielt. Und in dem der eklige okkulte Frauenmörder Lord Blackwood ein für alle Mal zur Strecke gebracht, sprich vernichtet wurde. Doch sein Auftraggeber, ein Professor Moriarty, blieb unbehelligt. Allerdings ohne die Maschinenwaffe, die er damals unbedingt für seine üblen Macht-Absichten begehrte. Benötigte. 1:0 für Sherlock Holmes. Abspann.

Auch in der Fortführung sind wieder „Ami“ ROBERT DOWNEY JR., 46, und sein britischer Kollege JUDE LAW, 38, das kriminalistische Genie-Gespann. Beziehungsweise Paar. Das eigentlich getrennte Bürger-Wege fortan zu gehen beabsichtigte. Sherlock als bekannt scharfsinniger und weiterhin auch äußerst arroganter Beobachtungsanalyst; John Watson als zur Ehe eingestellter „Normalo“. Natürlich kommt alles anders. Holmes „kann nicht“ ohne Watson. Ermitteln. Sich duellieren. Im ironischen Verbal-Clinch wie mit „rüden Handgriffen“. Und überhaupt: Sie sind, sie benehmen sich, sie drücken sich aus wie ein altes „scharfes“ Ehepaar. Das sich ständig in Konfrontation befindet, aber „ohne“ einander einfach nichts zustande bringt. Da gerät dann schon mal der wilde, feudale Junggesellenabschied ebenso aus den anständigen Fugen wie auch die geplante Hochzeitsreise von Dottore & Gattin.

Der Grund: Sherlock Holmes wittert – völlig zu Recht – Unheil. An der irdischen Front. Wo es, scheinbar zufällig wie zusammenhanglos, überall mörderisch kracht. In Indien und China ebenso wie in Straßburg und Wien. Anno 1891, ein Jahr nach der Verabschiedung aus dem ersten Sherlock-Neu-Abenteuer, explodieren Bomben. Sind Aufruhr und Chaos an der politischen wie gesellschaftlichen Tagesordnung. Der Tod eines amerikanischen Stahl-Magnaten „interessiert“ Holmes ebenso wie der vermeintliche Selbstmord des österreichischen Kronprinzen. Während man amtlicherseits kleingeistig denkt und ermittelt, ist Sherlock gedanklich stets weiter. Hintergründiger. Entdeckt ein bewusst geknüpftes Netz von Intrigen, Fäden und Folgerungen. Blickt auf ein Komplott von ungeheuerlichem Ausmaß. Wenn es denn funktioniert. Funktionieren würde. Und so stehen sich die beiden Schach-Genies endlich „auf Augenhöhe“ gegenüber: Der satanische Machtmensch Dr. Moriarty und der zynische Weltpolizist Sherlock Holmes. Das Duell kann beginnen. Und führt Holmes & Watson kreuz und quer durch Europa. Von London über Frankreich und Deutschland bis in die Schweiz. Inmitten eine „bombastische“ Friedenskonferenz. Der Völker. Wo der ebenfalls anwesende Professor Moriarty bereits seine düsteren Zerstörungsfäden listig ausgebreitet hat. Niemand ist ihm gewachsen. Ist er sich diesmal ganz sicher.

Natürlich kann man diesen Sherlock Holmes heute auf der Leinwand nur noch genießen, wenn man die modernen Kino-Spielregeln akzeptiert: Nicht mehr das klassische Pfeifen-Original ist annonciert, sondern der pfiffige Muskel-Held, der längst kräftigst mit-anpackt. Holmes als Action-Hero. Also auch physisch äußerst „lebendig“. Gefährlich. Austeilend. Inmitten prächtiger Schauwerte: Ausstattung, Bauten, Kostüme. Exzellente Räume. Vom Feinsten. Als Krimi-Revue auch für die Augen. „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ ist ein ständig verblüffendes, originelles, witziges wie raffiniertes Thriller-Puzzle. Mit exzellenten wie süffisant-variablen Spezialeffekten. In einer permanent unverschämten Mischung aus spannender Kopflastigkeit und virtuoser Phantasie. „Ruhe“ gibt es nicht. Mehr. Dauerhafte An-Spannung ist angesagt. Angezeigt. Mit viel temperamentvollem Nahkampf. In den bestechenden Motiven. Die flott wie „amüsant“ zusammengeschnitten wurden. Und mit dieser „explosiven“ Musikalität (von HANS ZIMMER) begleitet werden. Sowie der eigenwilligen Einbindung der klassischen Franz Schubert-Melodie „Forelle“. Was für ein flotter, prächtiger Holmes-Spaß 2011! Plus einer zünftigen Schluss-Pointe. Um eine köstliche Tarnung.

Eine wieder gute Show. In der diese beiden vollmundigen „Unschlagbaren“, „Heroes“, Downey & Law, brillante Mitspieler einbinden: Professor Moriarty, in den Doyle-Romanen nur zweimal „richtig“ auftauchend („Das letzte Problem“ + „Das Tal der Angst“) und in fünf anderen lediglich erwähnt, wird vom 49-jährigen britischen Mimen JARED HARRIS (der Finanzbuchhalter Lane Pryce aus dem US-TV-Serienhit „Mad Men“) herrlich cool-kalt interpretiert. Wie ein unantastbares Stück böses Denkmal-Beton. Prächtig eisig. Der wunderbare britische Darsteller- & Dichter-Freigeist STEPHEN FRY interpretiert den (erstmals auftauchenden) exzentrischen Sherlock-Bruder Mycroft Holmes mit köstlicher Briten-Nonchalance. Und in ihrem ersten englischsprachigen Film ist die Schwedin NOOMI RAPACE, unvergessen als faszinierende Lisbeth Salander aus den skandinavischen „Millenium“-Adaptionen „Verblendung“/“Verdammnis“/“Vergebung“ nach Stieg Larsson, eine geheimnisvolle Wahrsagerin, die mit Holmes & Watson paktiert.

Also – dieser mit 125 Millionen Dollar budgetierte neue Sherlock Holmes-/Dr. Watson-Auftritt ist prima-aufwendiges Tollhaus-Theater der gehobenen Unterhaltungsgüteklasse. Pures Kintopp sozusagen (= 4 PÖNIs).

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