SCHLOSS AUS GLAS

PÖNIs: (3,5/5)

„SCHLOSS AUS GLAS“ von Destin Daniel Cretton (Co-B + R; USA 2016; Co-B: Andrew Lanham; nach dem gleichn. Roman von Jeannette Walls/2006; K: Brett Pawlak; M: Joel P. West; 127 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.09.2017); ich mag diesen Typen, seine „spezielle“ ART von Typ: Groß, herrisch, immer mit dem Charme von „aufbrausender Rebell“ umweht: ein brillanter Schauspieler, dieser WOODY HARRELSON. Geboren am 23. Juli 1961 im texanischen Midland „spürt“ man in ihm (oder möchte man spüren) den typischen knochigen Texaner aus dem Staub. Der sich niemals etwas gefallen lässt, keine Regeln mag, Schurken die Fresse poliert. Woody Harrelson bezeichnet sich selbst als Anhänger des Anarchismus, wie er Ende Mai 2013 in einem Gespräch der US-Journalistin Caitlin McDevitt verriet. Ein toller ständiger Unruhegeist, mit selbigem Gestus und einem unwiderstehlichen Pokerface. (Freunde nennen es = eine großartige Hack-Fresse.) Zuletzt jagte er Primaten in „Planet der Affen: Survival“, davor verzauberte er ein weltweites Millionen-Publikum gleich zweimal in „Die Unfassbaren“ („Now You See Me“).

Und zweimal wurde er bislang für den „Oscar“ nominiert: 1997 für die Titelrolle in „Larry Flint – Die  nackte Wahrheit“ von Milos Forman und 2010 für die Interpretation eines traumatisierten US-Soldaten in dem Drama „The Messenger – Die letzte Nachricht“ (s. Kino-KRITIK). Jetzt ist er endgültig „fällig“. Denn dass er für seinen Part-hier als Rex Walls eine „Oscar“-Nominierung bekommen wird, ist mehr als anzunehmen. Und wäre absolut verdient. Denn ER „trägt“ diesen Film. Auf seinen ausdrucksstarken Seelen-Schultern.

Eine Familie. Jenseits aller Bürgerlichkeit. Die sechsköpfige Family Walls, die Eltern, vier kleine Kinder: Man will sich keinen örtlichen wie begrenzten Regeln unterwerfen und lebt in den Achtzigern gerade so wie es gefällt. Heute hier, morgen dort. Nie „zu fassen“. Oder etwa „einzugemeinden“. Amerikanische Nomaden. Vom Alltag in Autos und Bruchbuden. Zwischen Hunger, Krisen und magischen Nächten bei Kerzenschein und mit Sternenhimmel. „Bergziege“ nennt Vater Rex seine mittlere Tochter Jeannette gerne. Die – ebenso wie ihre Geschwister – hofft, dass der Vater eines Tages seine Ankündigung, ein Schloss aus Glas für sie-alle zu bauen, wahr macht. Doch Rex ist nicht nur gesellschaftlich nicht „kompromissbereit“, sondern auch schon mal ein rabiater Blender und ausrastender Alkoholiker. Während die Mutter ihren verschrobenen Träumen als „freie“ Künstlerin nachgeht, bekommen es die Kinder mit vielen Entbehrungen und großer Armut zu tun. Werden zeitweise bei den extrem groben Großeltern geparkt. Als Kinder vergöttern sie ihren Vater, der den bedingungslosen Zusammenhalt der Familie fordert, doch älter geworden beginnen sie, aufmüpfig zu werden. Was ER nicht hinnehmen oder gar akzeptieren will.

Tochter Jeannette Walls (= als Erwachsene gespielt von „Oscar“-Preisträgerin BRIE LARSON/“Raum“) schafft schließlich – mühevoll – den Absprung ins „wirkliche Leben“; macht Karriere als erfolgreiche Kolumnistin in New York und schreibt schließlich ein Buch über ihre Kindheit, das 2006 weltweit zum Bestseller avanciert und in 23 Sprachen übersetzt wird. Hierzulande verkaufte sich „Schloss aus Glas“ über 500.000 Mal und stand 26 Wochen auf der „Spiegel“-Bestsellerliste.

Was mich stört, ist die Gnade. Im Buch wie im Film. Die „Tochter“ ihrem oftmals schlimmen Erzeuger zugesteht. Zeit ihres jungen Lebens wurde die kleine und „mittlere“ Jeannette drangsaliert, bevormundet, von gesellschaftlichen Bildungsorten fern gehalten. Oft seelisch misshandelt, dann aber auch wieder von ihrem instabilen Daddy liebevoll behandelt. Viele Lebensjahre wurden so zwischen verdrängtem Dreck und angeberischer Hoffnung verschenkt. Ohne dass sich Vater Rex dazu bekannte oder bekennt. Oder sich veränderte. Und auch heute bemüht sich „Papa“, der erwachsenen (und „zivilisierten“) Tochter weiterhin unangenehm und aufdringlich in Sachen Leben und Lebensgestaltung reinzureden. Während sie in einem komfortablen Appartement wohnt, ihre Hochzeit plant und ihre Eltern – quasi „um die Ecke“ und absichtlich – auf der Straße hausen. Und sie zurückblickt auf Vergangenes.

Es endet, wie gesagt, „gnädig“. Müssen wir „so“ zur Kenntnis nehmen, aber das Akzeptieren fällt schwer. Bei und mit solch einem „Sau-Kerl“. Nicht schwer fällt festzuhalten, es hier mit einem Schicksals-Movie zu tun zu haben, das durch die intensiven Auftritte eines überragend-präsenten WOODY HARRELSON zu einem Spannungsfilm mutiert, der emotional unter die Haut geht, aber in letztlicher Konsequenz – von mir – überhaupt nicht nachzuvollziehen ist. Muss er aber auch nicht, solange das Zepter von diesem einzigartigen texanischen Hünen so bravourös getragen wird: „Schloss aus Glas“ ist (= bietet) eine phantastische Woody Harrelson-Performance (= 3 1/2 PÖNIs).


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