Protocol – Jeder Tod hat seinen Preis

Manchmal sind ABSICHT und AUSFÜHRUNG zweierlei Filmdinge. Heute stelle ich einen neuen Film vor, der genau dieses beinhaltet bzw. zeigt und der dennoch HOCHINTERESSANT ist. Weil die Absicht wichtiger ist als die mitunter „magere Ausführung“. Dabei handelt es sich um einen neuen französischen Spielfilm, der hierzulande im Vorjahr im Programm vom „Fantasy Filmfest“ lief, danach aber unsere Kinos nicht „erreichte“ und kürzlich bei uns DVD-.Premiere hatte. Titel:

THE PROTOCOL – JEDER TOD HAT SEINEN PREIS“ von Thomas Vincent (Fr 2008; B: Eric Besnard; 89 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 29.06.2010).

„Le Nouveau Protocole“ (Originaltitel) handelt vom einem weltweiten aktuellen Thema: Dem Erfinden von neuen „Krankheiten“. Zum finanziellen Profit-Wohle der gigantischen Pharma-Industrie. Denn wie schon „Spiegel“-Autor Jörg Blech in seinem Bestseller „DIE KRANKHEITSERFINDER“ herausstellte, definiert, also entdeckt DIE immer mehr und gerne viele neue „Wehwechen“, damit der Rubel auch weiterhin lukrativ rollt. Um diese neuen (und noch nicht zugelassenen) Präparate zu testen, werden nicht mehr „nur“ Tiere, sondern auch Menschen benötigt. Vornehmlich in der abgeschiedenen Dritten Welt.

So jedenfalls beginnt der Film, wenn („unauffällige“) weiße Menschen in ebensolchen Kitteln nach Afrika kommen, um den hoffenden, gutgläubigen Menschen mit neuer Vorsorge-Medizin „zu helfen“. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Todesfällen, aber dies wird „diskret“ übergangen, verschwiegen. Schließlich geht es einzig und allein um das Ergebnis: Für eine neu hergestellte teure Medizin die passende Krankheit zu (er-)finden. Um sie dann überall profitabel verkaufen zu können.

Pharma-Unternehmen sind Wirtschaftsbetriebe, bei denen vorrangig die Bilanz stimmen muss, sagt Regisseur Thomas Vincent im „Making Of“-Bonusmaterial. Und: Man habe hier Fiktion und Realität „mit großer Empörung“ gemixt. „Es ist ein Unterhaltungsfilm, bei dem die Leute nicht so verdummen“, ergänzt Hauptdarsteller CLOVIS CORNILLAC (auch bei uns bekannt geworden als Titelheld der Real-Comic-Adaption „Asterix bei den Olympischen Spielen“/2007).

Er spielt den geschiedenen Waldarbeiter Raoul. Dessen 18jähriger Sohn Frank bei einem Autounfall tödlich verunglückte. Der Schmerz ist riesengroß. Als sich die politische Aktivistin Diane (MARIE-JOSÉE CROZE) bei ihm meldet und behauptet, dass Franks Tod wahrscheinlich auf das Konto eines riesigen Pharmaunternehmens geht, will er dies nicht glauben. Doch sein Misstrauen ist geweckt. Und er beginnt, mit ihr im Schlepptau, zu recherchieren. Wie ein Holzfäller – stur, geradeaus, immer „feste druff“. Wie war das mit diesem neuen Migräne-Mittel, mit dem Frank „versorgt“ wurde? Hat es ihm etwa mehr geschadet denn genützt? Denn „eigentlich“ konnte sein Wagen in dieser Kurve gar nicht aus der Spur kommen, stellt Raoul fest. Und: Warum werden sie plötzlich verfolgt? Von wem? Auf wessen Veranlassung? Und wieso hat man bei Raoul soeben eingebrochen und offensichtlich nach Medizin gesucht? Was ist hier überhaupt wirklich los???

Eine höchst gefährliche Spurensuche nimmt seinen brisanten Lauf. Wobei sich die beiden „Detektive“ wie Elefanten im Porzellanladen aufführen. Zuhauf Angriffsflächen bieten und mit offenem Visier „antreten“. Keine Helden, wie wir sie sonst im Kino erleben, so mit Bedacht, im Verborgenen, mit List und Tücke und Helden-Charme. Nö, hier startet der ständig unter vollem Dampf herumsausende und mehr und mehr aufgebrachte, wut-empörte Raol „mit Karacho“ durch. Eine Art Maus- gegen Tiger-Spiel beginnt. Marke: Moral-Werte gegen Profit-Gier.

An SOLCHE (Polit-)THEMEN wagt sich das deutsche (Förder-)Kino nie spielfilmmäßig heran. Diese „Polit-Traute“ hat man bei uns leider nicht. Umso mehr die Franzosen. Die gehen nicht nur zu Abertausenden aufgebracht auf die Straße, wenn ihnen etwas politisch nicht passt, sie schaffen auch Filme, in denen Sätze fallen wie „ES GEHT UM DIE RENTABELSTE BRANCHE DER WELT!“ Oder: „Für DIE ist es wichtiger zu beweisen, dass Sie krank sind als ein Mittel zu erfinden, dass Sie kuriert!“. Oder: „In Wirklichkeit erfinden sie neue Krankheiten“. Oder: „SIE geben doppelt so viel Geld für Marketing wie für Forschung und Entwicklung aus!“ Oder: DIE LOGIK DES PROFITS BESTIMMT ALLES!“

Ein aufwühlender Film. Der mehr im Kopf als im Bauch arbeitet. Bei dem die Empörung der Macher ebenso überzeugt wie die grundsätzliche System-Kritik. In der Mixtur „politische Stellungnahme“ und „kinolike Spannung“ allerdings vergallopiert man sich bisweilen. Wenn etwa die Protagonisten sich aufführen wie wildgewordene Hyänen anstatt mit mehr originellem „Köpfchen“ zu handeln und zu argumentieren. Dafür aber mag ihre Endlos-Wut für ihr unkontrolliertes Emotionshandeln herhalten. Egal wie, man bleibt gerne und benommen trotz aller dramaturgischer Schwächen „dran“.

Der Spielfilm „THE PROTOCOL – JEDER TOD HAT SEINEN PREIS“ als actionreicher französischer Polit-Wutfilm. Als Aufschrei über unmenschliche Maßstäbe. Beim Gegenwartsthema „Volkswohl“ und „Verarschung“. Allemal spannend, allemal diskutabel, allemal provozierend. Nicht immer stilsicher, dafür frech, emotional durchstartend, als menschenfeindlicher Kapitalismus-Blick definitiv zu empfehlen. Wirkt nämlich ganz schön nach.
Anbieter: „Koch Media“.

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