NUR EINE STUNDE RUHE!

NUR EINE STUNDE RUHE!“ von Patrice Leconte (Fr 2014; B: Florian Zeller, nach seinem gleichnamigen Bühnenstück; K: Jean-Marie Dreujou; M: Eric Neveux; 79 Minuten; Start D: 16.04.2015); es wird höchste Zeit, dass jetzt auch wir ihn – hierzulande – entsprechend würdigen. Kennen tun wir ihn ja schon lange. Sein Gesicht ist bekannt. Aber populär wurde ER, obwohl er schon lange im Filmgeschäft ist, bei uns erst „so richtig“ im vorigen Jahr, als er als „Monsieur Claude“ mit “seinen Töchtern“ auf originelle Weise so seine familiären Probleme hatte (s. Kino-KRITIK). Die Rede ist von CHRISTIAN CLAVIER, geboren am 6. Mai 1952 in Paris, der, ähnlich wie einst Louis de Funès, als „später Clown“ bemerkenswerte Auftritte verbuchen kann. Gut, als „Asterix“ in den ersten beiden Realverfilmungen der Comics („Asterix & Obelix gegen Cäsar“ sowie „Asterix & Obelix: Mission Kleopatra“) haben wir ihn 1999 & 2002 gut wahrgenommen, aber erst jetzt ist er auch für uns eine Star-Marke (eine französische Kollegin titulierte ihn vor einiger Zeit als den gegenwärtig „profitabelsten“ französischen Schauspieler überhaupt, weil seine Filme seit Jahren so riesig erfolgreich an den Kinokassen sind). „Lachen verbindet. Lachen ist eine Zivilisation. Wenn eine Nation das Lachen verlernt, ist sie nahe dran an einer Diktatur. Lachen ist Freiheit. Wenn du vergisst zu lachen, dann bist du in Nordkorea“, gibt Christian Clavier, der seine komödiantische Karriere als Mitbegründer der Comedy-Gruppe „Le Splendid“ startete, im Presseheft die allgemeine Stimmungslage vor.

Als Zahnarzt und leidenschaftlicher Jazz-Fan mimt Christian Clavier Monsieur Michel Leproux. Der befindet sich auf der sicheren Seite des bürgerlichen Lebens. Fröhlich hüpft der etwas pummlige, etwas kleingeratene Über-Sechzig-Jährige durch die Gegend, als er an einem sonnigen Samstag auf dem Flohmarkt eine seltene Schallplatte seines verehrten Musikers Neil Youart entdeckt. Monsieur ist aus dem Häuschen, für diesen Treffer, so teilt er dem verdutzten Verkäufer mit, hätte er anstatt 50 auch glatt 500 Euro hingeblättert. Sofort begibt er sich in seine großräumige Pariser Wohnung, um sich sein musikalisches Juwel anzuhören. Die Bedingung dafür scheint simpel: Nur eine Stunde Ruhe. Dies allerdings entpuppt sich zunehmend als Problem. Denn Monsieur Leproux hat gerade die Schwarzarbeiter im Haus, die das Kinderzimmer seines inzwischen erwachsenen Sohnes umbauen und seinem Arbeitszimmer hinzufügen sollen. Was natürlich einen irren Lärm verursacht. Gut, er bräuchte ja einfach nur die Tür zu seinem gediegenen Salon zuzumachen, doch auch dies erweist sich – klar: zunehmend – als gar nicht so einfach.

Denn in der Folgezeit, also in den Folgeminuten, beginnen ihn folgende Personen aber so etwas auch… zu nerven: 1.) Seine „melancholische“ Ehefrau Nathalie (die wunderschöne CAROLE BOUQUET), die ihm ausgerechnet heute und endlich gestehen möchte, ihm vor etwa zwei Jahrzehnten kurz einmal nicht treu gewesen zu sein. Er lässt sie nicht ausreden, verordnet ihr ein beruhigendes, stimmungs-aufbauendes Nerven-Bad. 2.) Seine Geliebte Elsa (VALÉRIE BONNETON), eine enge Freundin seiner Frau, die sich im Café gegenüber aufhält, ihn vergebens übers Handy zu erreichen versucht, weil sie gerade heute und endlich beziehungsmäßig „Klar Schiff“ machen will. 3.) Die eigensinnige spanische Haushälterin Maria (ROSSY de PALMA, aus fünf Pedro Almodovar-Filmen bekannt), die gerade jetzt, wo der Hausherr SEINE Platte hören will, in dem Salon staubzusaugen beabsichtigt. 4.) Er heißt Pavel und ist „aktiver“ Nachbar (STÉPHANE DE GROODT). Einer von den ganz aufdringlichen Typen. Die sich auch gerne und viel reden hören. Für heute ist das häusliche Nachbarfest angesetzt, lässt er den immer unruhiger werdenden Michel nicht in Ruhe. Und dann tropft es bei Pavel inzwischen auch fleißig oben, von = aus der Decke. Sie verstehen – die handwerklichen Arbeiten im Hause Leproux werden gerade nicht ganz „korrekt“ verrichtet. 5.) Sohn Sébastien taucht auf. Lümmelt sich wie jeh und eh aufs schmucke Sofa, knipst wortlos den Fernseher an. Um dann zu verkünden, dass er eine philippinische Großfamilie nebenan bei sich unterzubringen gedenkt. Als gute Tat. Im Übrigen verstehe er nicht, dass sein Kinderzimmer „vernichtet“ wird. 6.) Die Schwarzarbeiter stammen nicht, wie angegeben, aus Polen, sondern aus Portugal. („Die Polen kriegen immer die Jobs, deshalb….“). Und deren handwerkliche Fähigkeiten, bescheiden ausgedrückt, erweisen sich eher als klar „begrenzt“. 7.) Monsieurs Mama nervt andauernd am Telefon: Michel möchte doch endlich mal seinen dementen Vater im Heim besuchen.

Währenddessen mutiert Michel Leproux mehr und immer mehr zum Choleriker. In dieser Spießbürger-Gaudi. Mit vielem charmanten Bourgeoisie-Getöse. Die Komödie bebt.

Im Groben und Teil-Ganzen. Denn nun entwickelt sich das schöne Chaos. Mit und in diesem Personal. Jeder trägt seinen Pointen-Anteil dazu bei. In fein-anstößiger Mund-Art. Das augenzwinkernde, vollmundige Boulevard-Theater-Kino. Tür auf, quatsch beziehungsweise Quatsch los. Lass Dich nicht davon abhalten, deinen Standpunkt der Dinge vehement vorzutragen. Anzuprangern. Also enthusiastisch.

„Nur eine Stunde Ruhe!“ ist eine urige Verbal-Turbulenz. Mit einigem Wiedererkennungs-Geschmack. Als euphorisches Possen-Vergnügen. Vom sonst so „seriösen“ Regisseur PATRICE LECONTE („Die Verlobung des Monsieur Hire“; „Der Mann der Friseuse“, „Das zweite Leben des Monsieur Manesquier“; Ridicule – Von der Lächerlichkeit des Scheins“/1997/“Oscar“-Nominierung). Der nun, mit 67, sympathisch schelmisch hantiert (= 3 ½ PÖNIs).

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