DER LETZTE SCHÖNE HERBSTTAG

„DER LETZTE SCHÖNE HERBSTTAG“ von Ralf Westhoff (B; P + R; D 2010; K: Helmfried Kober; M: Michael Heilrath; 85 Minuten; deutscher Kino-Start: 11.11.2010); schon sein Debütfilm, der Anfang Mai 2007 in die Kinos kam, war überaus gelungen. Hatte „das gewisse Etwas“, war „fun“, also spritzig, witzig und dabei auch noch überaus clever-unterhaltsam, hieß „SHOPPEN“ (s. Kino-KRITIK). Der Münchner Ex-Rundfunkmann und Ex-Kurzfilmer, der am 13. November, also am kommenden Samstag, dynamische 41 wird, besitzt ein kluges Händchen und einen feinen Geschmack für „deutschen Woody-Allen-Humor“. Denn auch sein Thema ist: Die Beziehung. Beziehungsweise Beziehungen. Zwischen Mann und Frau. Beziehungsweise umgekehrt. Ging es bei „Shoppen“ noch um 18 paarungswillige Solisten, die sich beim Stoppuhr-Gig „Speed-Dating“ anschnupperten, gibt es hier „nur“ noch 2. Die hießen damals Patrick und Susanne und heißen hier jetzt Claire und Leo (damals/heute: Julia Koschitz/Felix Hellmann). „Der letzte schöne Herbsttag“ ist nicht die Fortsetzung von „Shoppen“, kann aber ideenmäßig so ausgelegt, interpretiert werden. Denn Ralf Westhoff, schaut weiterhin den „Partnern“ ganz schön aufs Maul. Als Verbal-Spaß. Mit klugem Tiefgang, mit vielen „komischen“ Wahrheiten.

Also: Man hat sich kennengelernt. Leo und Claire. Sie steht zwar nicht auf die schnelle Nummer, aber sein Desinteresse „daran“ macht sie an. Er hat wenig Lust, sein Fahrrad zu reparieren, also macht sie das. Bringt auch noch den Wasserhahn in seiner Wohnung in Ordnung und hängt zwei Lampen auf. Und mosert: „Wenn ich ihm den Platten so repariert hätte, wie der gekocht hat, dann wär der damit nicht mal in die Innenstadt gekommen. Aber scheiß drauf, ich hab mir gedacht, ich kann besser kochen, ich kann besser Fahrräder reparieren. Dann wollen wir mal `rausfinden, was er besser kann“. ER: „Die `is echt so ne Handwerksfrau. Aber trotzdem sehr weiblich, irgendwie“. Man findet sich sympathisch. Kann sich gut riechen. Es funkt. Warum auch nicht. Es ist doch alles paletti. Sie aber will es genau wissen, „druckreif“ sozusagen: Was sind wir? ER: „Wenn ich jetzt sage, dass wir dieses `Paar-Ding` machen, ändert sich dann irgendwas? Wird irgendwas anders?“ Man mag sich, man tut sich zusammen. Wo, bitte, ist das Problem? Das Problem ist das Danach-Sein. Die harte Arbeit: LIEBE. Das heißt, für ihn ist eigentlich alles klar: Wir sind zusammen. Gut. Sie möchte es andauernd, eigentlich ununterbrochen hören. Fühlen. Spüren. Er ist lieber der Umwelt auf der Spur. Und dem Schutz derselben. Das ist praktisch. Mit uns läuft doch alles prima: „Man kann sich verrechnen, aber doch nicht verfühlen…“. Claire: „Ist die Liebe so kompliziert, oder sind wir kompliziert?“ Leo: „Du bist kompliziert. Der Rest ist einfach“. Und so weiter, und sofort, und so weiter…

„Ich bin nicht eifersüchtig. Der interessiert sich überhaupt nicht für Frauen. Der ist ja schon mit mir überfordert“, raunzt Claire geradewegs in die Kamera. Und bezeichnet ihn als „emotionalen Eiswürfel“. Leo versteht die emotionale Privatwelt nicht. Was ist bloß los? Und warum?
LORIOT wusste es schon immer: Männer + Frauen passen einfach nicht zusammen, können aber auch nicht ohne. Wie Leo und Claire. Die schütten ihre Gedanken, Gefühle, Ideen direkt zu uns hin, voll in die gespannte Kamera. Und wir können schmunzeln, lächeln, lachen über so viele bekannte „Dummheiten“-Weisheiten. Ralf Westhoff versteht es einmal mehr, wunderbar pointierte, geschliffene und dabei köstlich unverkrampfte, amüsante Dialoge „zu inszenieren“. So dass es viel feinen Sinn-Spaß bereitet, hier zuzuhören, mitzudenken, mitzufühlen, quasi mitbeteiligt zu sein. Ebenso angekichert wie intelligent tiefgründig, sozusagen „witzig“-ehrlich. Kein fades Beziehungsgeplapper ist hier angesagt, sondern eine reizvolle, originelle Achterbahnfahrt der Worte. Um „normale“ zwischenmenschliche Gefühle. Mit übrigens auch „entsprechendem“ guten Beste-Freundin/Freund-Personal: Katharina Marie Schubert & Leopold Hornung als Yvonne & Tobias dürfen auch schon mal eine kesse Ironie-Lippe riskieren.

Dass Worte dermaßen packen können und dieses unbedingte Dranbleiben-Vergnügen entwickeln, ist natürlich den beiden Hauptakteuren zu verdanken, die einfach HINREIßEND sind. In ihrem gedanklichen Gestrampel, in ihrer unbedingten Ehrlichkeit, in ihrem – oft unfreiwilligen – trockenen Wunderbar-Humor. In ihrer phantastischen Körperlichkeit. Die am 2. Weihnachtsfeiertag 1974 in Brüssel geborene Österreicherin JULIA KOSCHITZ möchte man einfach nur in den Arm nehmen, um sie zum „romantischen Olymp“ zu führen, wohlwissend – auch dort würde sie erst einmal mit „Zeus“ Leo besprechen wollen, warum, wieso, weshalb und überhaupt. Um die Beziehungsregeln zu (er-)klären. Der 1978 in München geborene FELIX HELLMANN ist so ein richtig prima zerknitterter, „solider“ Charmebolzen-Geradeaus-Typ-Leo. Mit praktischer Komplikationsstufe null. Der Krankheiten nicht „ahnt“, herbeiquatscht und sich gerne in den Bergen luftig aufhält. Für den die Liebe eigentlich keine dauernde Gefühlsbaustelle bedeutet. Die „bearbeitet“ werden muss. Einmal die Partnerschaft „vereinbart“, festgelegt, alles okay. Was muss denn da noch passieren bzw. immer so viel besprochen werden???

Meine Güte, was ist dieser RALF WESTHOFF für ein clever „funktionierendes“ Talent. Deutsch-Witzig zu sein, zündende Pointen zu platzieren, ohne platt herumzualbern; ohne dumm herumzublödeln, ohne diesen brachialen teutonischen „Comedy“-Holzhammer-Humor, ist hierzulande eine seltene Kino-Kunst. ER beherrscht sie. Nun schon zum zweiten Male. Sowohl als Drehbuch-Autor wie auch als Regisseur. Er schafft es, dass man gute Anderthalbstunden gerne aufhorcht. Bei mit schön-angespanntem Bauchgefühl-Kribbeln. Um dann sogar noch „nach Ende“ lässig-prima verabschiedet zu werden. Mit einem kernig-lockeren Schmunzel-Epilog. Von Claire und Leo. Toll-Doll.

„Der letzte schöne Herbsttag“, beim diesjährigen Münchner Filmfest mit dem „Förderpreis Deutscher Film“ in der Kategorie „Regie“ ausgezeichnet, besitzt (sehr) viel von diesem „Hat-Was“-Vergnügen, was im deutschen (Unterhaltungs)-Kino viel zu selten vorkommt (= 4 PÖNIs).

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