KNOCKIN‘ ON HEAVEN’S DOOR

„KNOCKIN‘ ON HEAVEN’S DOOR“ von Thomas Jahn (Co-B + R; D 1996; Co-B: Til Schweiger; K: Gero Steffen; M: Selig, Franz Plasa; 89 Minuten; deutscher Kino-Start: 20.02.1997).

Der Film ist die totale – angenehme – Überraschung, auch wie es dazu kam, eine selbst fast filmreife Entstehung und Entwicklung. In einer Kölner Buchhandlung trifft eines schönen Tages Til Schweiger (32) auf den filmbegeisterten Taxifahrer Thomas Jahn (30). Man kommt ins Gespräch. Jahn schickt daraufhin Schweiger eines seiner Drehbücher. Schweiger ‚bekommt den Kick‘, ist plötzlich ‚Feuer und Flamme‘. Man schreibt gemeinsam das Buch um, und dann geht Schweiger „damit“ während eines Filmballs in München zu dem deutschen Vertreter eines bekanntermaßen professionellen wie experimentierfreudigen, amerikanischen Verleihs. Die lassen sich für die Filmidee begeistern und steigen selbst mit in die Produktion ein. Daraufhin gründet Til Schweiger mit zwei Babelsberger Film-Newcomern, Thomas Zickler und André Hennicke, seinerseits auch eine neue Produktionsfirma. Das erste Projekt wird ins Laufen gebracht: „Knockin‘ on Heaven`s Door“. Für deutsche, also für sonst so geordnete Verhältnisse… lauter Überraschungen. Stichwort: Mut, Lust und Besessenheit.

„Knockin‘ On Heaven`s Door“ ist eine Art „dampfende Unterhaltung“, wie sie sonst nur ‚die Amis‘ fertigkriegen (und um die wir die kreative, spielerische Seite des filmenden Amerikas sonst so neidisch beäugen). Es ist KINO aus dem Bauch, mit der vollen Lust daran. Es ist ein B-Movie, das rein und „nur“ und pur auf die gute Unterhaltung zielt. Das dermaßen KINTOPP genauso professionell wie durchdacht hergestellt ist. Sein will wie „die große Kunst“, um „zu funktionieren“, ist bekannt. Nur: Es gab und gibt hierzulande selten ein Film-Team, das diese Art von tollem Schnell-Kino eben auch profihaft und überzeugend (also wirklich unterhaltsam) herzustellen versteht.

Die Story: 2 Typen um die 30. Der Eine vorlaut, rotzig, kess, der Andere „natürlich“ das Gegenteil: zurückhaltend, schüchtern, vorsichtig, lebenstraurig. Martin und Rudi. Beide begegnen sich in einem Hospital. Wo sie beide erfahren, dass sie nicht mehr allzu lange zu leben haben. Was tun? Resignieren, trauern, heulen? Von wegen: Rudi hat noch nie das Meer gesehen, also will ihn Martin dort hinbringen, und los geht’s. Mit einem geklauten Wagen, der einem an die „Blues Brothers“ erinnernden Gangster-Paar gehört. Die sind natürlich stinksauer und noch mehr, als ihr wütender Chef ihnen erklärt, dass sich in dem Wagen 1 Millionen Mark befinden. Und nun kann das komische und schon hunderte Male gesehene Spiel beginnen. Beteiligte: Martin und Rudi, die Tölpel-Gangster, und eine Polizei als ‚running gag‘. Die dümmer ist, als es die Polizei erlaubt. Motto Fettnäpfchen hoch 20. Was jetzt noch folgt, muss man sehen: Pointen, Jagd, Crash. Wie in einem schick-ordinären Ami-Film. Wunderbar flott geschnitten, mit permanent ironisch-deftigen Anspielungen und Sprüchen, urig zusammengezimmert. Unglaublich: Ein deutsches Road-Movie. Ein cooler, frecher, schwarzer und überhaupt nicht deutscher Thriller, mit viel Gefühl für Timing, für Schabernack, für „richtige“ Emotionen. Und für eine sympathische Männer-Freundschaft wie sie beispielsweise einmal zwischen Alain Delon und Lino Ventura („Die Abenteurer“) üblich war. Und noch 2 Annoncen: „Ich will sie ja nicht wütend machen, aber habe ich auch Krebs“, heißt es an einer frühen Stelle im unglaublichen Drehbuch und Film. Und: Bekloppt/frech/würzig/zweideutig/irre steht auf einmal auf meinem Notizblock. Wohlgemerkt, für einen neuen deutschen Film!!! Man mag es kaum glauben. Und: Obwohl schon so oft gesehen, wirkt dieser Film so, als würde es alles zum ersten Mal geben, so temperamentvoll und kitzlig ist er. Weil er genau die richtige, stimmungsvolle Balance anpeilt, zwischen Übertreibung und Glaubwürdigkeit. Will sagen: Er kippt nie um ins Dumme, Peinliche, sondern bleibt stets wunderbar schräg, augenzwinkernd und herrlich/genüsslich/bewusst kess. Ehrlich, ich bin angetan, ja begeistert. Wir machen plötzlich richtig gutes Unterhaltungs-KINO!!!

Auch das eine tolle Überraschung: Es ist ein prima ENSEMBLE-Film. Team-Arbeit allerorten (vor wie offensichtlich auch hinter der Kamera). Til Schweiger, natürlich, das Aushängeschild. Aber: Ebenso patent: Partner und Sensibelchen Jan Josef Liefers, gerade als liebestoller Poet in „Rossini“ aufgefallen. Drumherum: Exzellente Mitspieler und Stichwortgeber. Passen sich vorzüglich dem komischen Stimmungsbild an. Beispiel: MORITZ BLEIBTREU, einer der beiden „Blues Brothers“-Verfolger, ist ein prächtiger Wonneproppen von Abdul-Gangster. Des Weiteren: Viel Prominenz in Gastrollen/-auftritten: Corinna Harfouch, Cornelia Froboess, Sönke Wortmann, Rutger Hauer: Lakonisch, ungestüm, probierend. Alle. Offensichtlich hat es allen Mitwirkenden viel Spaß bereitet, hier mitzumischen. „Das kommt fein ‚rüber“.

Schade, dass das Potenzial dieses Films nicht für die „Internationalen Berliner Filmfestspiele“ erkannt wurde. Er wäre inmitten dieses bislang eher weitgehend ‚dumpfen Mittelmaßes‘, dieser ‚artigen Kunst(stücke)‘ ein Gewinn, ein Stimmungs-Volltreffer. Aber bei/für Moritz de Hadeln, denke ich mir, gehört „solch ein Film“ nicht ins Angebot: zu leicht, locker, verspielt, populär. ER hat andere Vorstellungen von einem Film im internationalen Wettbewerb, und einmal Über-Seinen-Schatten-Springen ist nicht ’sein Ding‘. Schade eigentlich, denn der diesjährigen Berlinale hätte so ein lustvoller, professioneller deutscher Film-Schabernack wie „Knockin‘ on Heaven`s Door“ sicherlich ebenso gut getan wie zum Beispiel auch der „Rossini“-Film von Helmut Dietl. So bleibt es bei der Berlinale bei dem „Alt-Herren-Programm“, während sich das „reguläre“ deutsche Kino über einen gelungenen deutschen Film-Wurf freuen kann (= 4 PÖNIs).

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