THE KIDS ARE ALL RIGHT

THE KIDS ARE ALL RIGHT“ von Lisa Cholodenko (Co-B+R; USA 2009; Co-B: Stuart Blumberg; K: Igor Jadue-Lillo; M: Nathan Larson; Craig Wedren; 104 Minuten; Start D: 18.11.2010); die 46jährige Kalifornierin, bekannt geworden mit Filmen wie “High Art” (1998) + “Laurel Canyon” (2002/mit Frances McDormand), erzählt hier von einer ganz normalen – amerikanischen – Familie, über die vor wenigen Jahren filmische Sittenwächter empört hergefallen wären. Denn diese „Normalität“ ist noch nicht lange Normalität: Ein lesbisches Paar. Jules + Nic. Mit einem hübschen Haus im sonnigen Südkalifornien, mit zwei „Gören“: Joni + Laser. Vom unbekannten Samenspender-Daddy. Nic (ANNETTE BENING/“American Beauty“) hat die Hosen an. Sorgt als Ärztin für das gute Familien-Auskommen. Jules dagegen (JULIANNE MOORE/“Dem Himmel so fern“) hat ihr Studium abgebrochen, sich um die Kinder gekümmert und will nun als Landschaftsgärtnerin selbständig loslegen. Irgendwie aber ist Jules eine ewige „Hippie-Braut“ geblieben, mit mehr Träumen als Praktika-Vernunft.

Man lebt, liebt, zickt, bürgert herum wie überall, kommt im Grunde prima miteinander aus. Nur dass eben zwei „Moms“ die Chose leiten und ein „Herr im Haus“ gänzlich fehlt. Na und? Bzw. okay. Bis hierher. Bis die 18jährige Joni (MIA WASIKOWSKA, neulich die „Alice im Wunderland“ bei Tim Burton) von ihrem Recht gebraucht macht, endlich mal „Papa“ kennenzulernen. Auf „Anraten“, „sanftes Drängen“ ihres halbwüchsigen Teenager-Bruders Laser (JOSH HUTCHERSON). Dem wohl ein „männlicher Ansprechpartner“ in der Family fehlt. Gedacht, getan, entdeckt. In der Nachbarschaft. Paul heißt er. Ist inzwischen ein uriger Enddreißiger-Charmebolzen (MARK RUFFALO / neulich Leonardo di Caprio-Partner in Scorseses „Shutter Island“). Ist auf seine Harley und seine Unabhängigkeit stolz, fühlt sich als Bio-Erzeuger für sein Restaurant pudelwohl. Und steht nun plötzlich als menschelnder „Bio-Erzeuger“ auf der Matte. Was verständlicherweise erst für „Verkrampfungen“ (beim obligatorischen Dinner) und dann für hormonelle „Entladung“ in Richtung Jules sorgt. Und für fortschreitende „Irritationen“ wie emotionale Reibungen im Haus und in den Gemütern.

Eine schöne Überraschung. Herzerwärmend-erfrischend, lebensbejahend, inmitten von glaubhafter Ernsthaftigkeit wunderbar federleicht, tough und vor allem unaufdringlich pointiert-witzig in der Sprache und im Duktus. Der trockene, nie alberne, „selbständige“ Humor ist das Trumpf-As bei diesem so angenehm ungekünstelt daherkommenden, ankommenden Familienprogramm. Das diese Balance zwischen frivol und „konventionell“ brillant-normal zusammenbringt.

Mit kernigen Sätzen wie „Schade, dass du nicht schwul bist, dann wärst du sensibler“ (Papa-Mama Nic zu ihrem aufmüpfigen Sohn Laser). Sensibel wie deftig geht es hier zu; die Independent-Regisseurin versteht es glänzend, Milieu wie Figuren burlesk zusammenzubinden. Dabei seziert sie vorzüglich „die üblichen Dinge“ wie peinliche Unsicherheiten, Reue und Veränderungswillen. Es ist völlig wurscht, signalisiert Lisa Cholodenko fröhlich, WIE wir unser Zusammenleben bestimmen, die Hauptsache, wir lassen uns das UNS nicht abnehmen, absprechen. Zwischen einfach und grübeln. Inmitten von völlig normaler Mal-Tief- und Mal-Oben-Stimmung.
Natürlich gelingt das, weil die Akteure prächtigst mitsingen (buchstäblich Nic + Paul: „Blue“ von Jim Morrison) und das gesamte Ensemble herrlich emotional swingt: ANNETTE BENING, JULIANNE MOORE und der behaarte, entspannte, sympathische Grinse-Oldie-Bio-Boy MARK RUFFALO sind köstlich, zärtlich, unruhig, liebevoll, paradox, trockenhumorig, absolut glaubhaft, überzeugend.

Der beim diesjährigen Sundance-Festival im Januar entdeckte und bei der darauffolgenden Berlinale im Wettbewerb außer Konkurrenz präsentierte tolle Streifen gewann in Berlin den „Teddy Award“. Und kommt jetzt als formidables Highlight an intelligenter Unterhaltung ins herbstliche Kinoprogramm. Klasse (= 4 PÖNIs).

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